Kleve. . Im 14. und 15. Jahrhundert gab es viele bedürftige Menschen in Kleve. Im Wesentlichen kümmerte sich die Bürgerschaft um die Linderung der größten Nöte.
Am 1. Januar 1419 schlossen das Stift und die Stadt Kleve einen Vertrag über die Armenfürsorge. Die Initiative hierzu ist von den Kapitelherren ausgegangen. Sie sahen sich „wegen der vielen Geschäfte, die es täglich in der Kirche an Gottesdienst zu verrichten“ gab nicht in der Lage, die kirchlichen Armenmittel in angemessener Weise zu verwalten. Deshalb wurden diese nun mit Mitteln der Stadt zu einem gemeinsamen Armenfonds vereinigt.
Bau der Stiftskirche
Als Graf Dietrich IX. von Kleve 1341 die Kanonikergemeinschaft, die er wenige Jahre zuvor zu Monterberg gegründet hatte, nach Kleve holte, geschah das mit Unterstützung des Magistrats. Dieser erhoffte sich davon ein höheres Ansehen für die Stadt und eine Förderung der städtischen Wirtschaft. Er wurde nicht enttäuscht, denn allein schon der bald in Angriff genommene Bau einer neuen Stiftskirche, der 1426 vollendet werden sollte, ist beiden Zwecken dienlich gewesen. Mit dem Stift bekam Kleve außerdem eine Stiftsschule. Hier erhielten um 1565 etwa 80 Bürgerkinder Lateinunterricht.
Das Stift war aber eine gräfliche Stiftung und als solche diente es in erster Linie den Interessen des Grafen bzw. (ab 1417) Herzogs von Kleve. Die wichtigste Aufgabe der Kapitelherren bestand im Chordienst und dabei kam dem Gedenken der verstorbenen Angehörigen des Herrscherhauses, die in der Stiftskirche ihre Grablege hatten, eine besondere Bedeutung zu.
Nach gräflichem Beispiel hatte es darüber hinaus zahlreiche weitere Memorienstiftungen von anderen Familien gegeben. Folglich liest das Memorienbuch des Stiftes Kleve, in dem diese Stiftungen registriert sind, sich nach Dr. Friedrich Gorissen, der es ediert hat, heute wie das ‘Telefonbuch’ der mittelalterlichen Stadt.
Anlässlich der Verlegung des Stiftes von Monterberg nach Kleve war den Kapitelherren die Pfarrkirche von Kleve übertragen worden, aber diese sahen sich nicht selbst als Pfarrgeistliche. Für die Pfarrseelsorge bestellten sie einen ‘Pfarrer’ im Rang eines Vizekurats. Dieser Angestellte des Stiftes sollte erst im 17. Jahrhundert eine eigene Pfründe erhalten, und eine Stimme im Kapitel hat er niemals gehabt. Die Armenfürsorge, um die sich Pfarren traditionell kümmerten und für die sie im Prinzip ein Drittel des Kirchenzehnts einsetzen sollten, betrachteten die Kapitelherren 1419 offensichtlich ebenfalls nicht als wichtige persönliche Aufgabe. Sie wandten sich deshalb an die Stadt.
Gasthaus in der Unterstadt
Diese sah sich armen Bürgern und teils auch armen Fremden gegenüber sehr wohl in der Pflicht. Dabei war ‚Armut‘ nach damaliger Vorstellung ein breiter Begriff, der sowohl die rein wirtschaftliche Armut als auch Krankheit, geistige Unfähigkeit und Altersschwäche, also Unvermögen in vielerlei Hinsicht, umfasste. Für kranke Leute hatte die Stadt wahrscheinlich bereits im 13. Jahrhundert ein Gasthaus in der Unterstadt errichtet. Die Gasthausstraße ist danach benannt worden. Dieses älteste städtische Gasthaus wird 1335 zum ersten Mal in den Quellen erwähnt. Es hieß ‘gemeines Gasthaus‘, weil dort sowohl Bürger als auch Fremde aufgenommen wurden. Daneben wurde 1453 das Gasthaus St. Johannis auf dem heutigen Schweinemarkt als Bürgergasthaus gestiftet.
Der Vertrag zwischen Stadt und Stift sah eine Vereinigung des Armenvermögens des Stifts mit den Mitteln des Gasthauses und den sonstigen städtischen Mitteln für die Armenfürsorge zu einem großen Armenfonds vor. Dieser Fonds wurde künftig von zwei vom Magistrat ernannten Provisoren verwaltet. Ihre Ernennung galt jeweils für ein Jahr. Einer von ihnen sollte ein städtischer Geschworener sein, der andere konnte ein ganz normaler Bürger sein. Eine Woche vor Ende ihres Amtsjahrs an Martini (11. November) sollten sie dem Kollegium von Geschworenen in Gegenwart von einigen Stiftsherren Rechnung ablegen. Letztere sind dieser Prüfung häufig ferngeblieben.
Aus dem neu gebildeten Armenfonds sollten u.a. 25 bis 30 sehr arme ‚Hausarme‘, also Arme, die einen festen Wohnsitz in der Stadt hatten, sowie die Kranken im Gasthaus versorgt werden. Falls die Mittel nicht ausreichten, sollten die Provisoren die reichsten Bürger um Unterstützung bitten. Wenn es dagegen in der Stadt wenig Arme gab, konnten auch Menschen aus Kellen, Qualburg und Rindern versorgt werden.
Dieser Vertrag hat die soziale Fürsorge in Kleve stark kommunalisiert: das Stift spielte keine aktive Rolle mehr und der Magistrat überließ diese Aufgabe weitgehend der Bürgerschaft. Die karitativen Tätigkeiten der Minoriten waren übrigens nicht davon betroffen. Auch hat es daneben private Initiativen gegeben, wie z.B. die Gründung von Armenhöfen und –häusern. Sogar das Stift ist in späterer Zeit in bescheidenem Maße wieder im Bereich der Caritas aktiv geworden.