Kleve. . Die günstige Lage am Kliff brachte der Stadt einen Nachteil ein – die Anbindung ans Wasser war mit hohem Aufwand verbunden. Der Spoykanal war die Lösung

Als Kleve in den Jahren 1427/28 Holz für den Bau des Glockenstuhls der Stiftskirche benötigte, wurde dies über den Rhein angeliefert – bis zur Spoy (das Wort bedeutet Schleuse), also bis zum heutigen Brienen. Dort musste das Baumaterial auf Karren verladen und zur Baustelle transportiert werden. Es gab zwar einen Wasserweg bis in die Stadt, doch der „Spoygraben“, wie er damals noch hieß, konnte nicht benutzt werden. „Want men doir die Spoy niet en mocht, want to droigh was“, so ist es in einem Dokument verzeichnet.

Die Schifffahrt auf dem Wasserweg, der den Kermisdahl mit dem Rhein verband und somit die Stadt an den wichtigsten Transportweg überhaupt anschloss, war also wegen Niedrigwassers unmöglich. Und man sieht, die heutigen Probleme der Stadt mit Schleuse und Kanal hatten schon vor Jahrhunderten vergleichbare Vorläufer.

Der Kaufmann Kauwersin

Kleve im Mittelalter war zwar in erster Linie eine Residenzstadt, doch nach und nach entwickelte sich auch die Kaufmannschaft. Friedrich Gorissen schreibt in seiner Dissertation: „Im Stadtrechtsprivileg von 1242 und in den späteren Bestätigungen dieses ältesten Stadtrechtsurkunde ist ausdrücklich die Rede von Kaufleuten und deren Recht auf freie Durchfahrt an den großen klevischen Flusszöllen. Das Stadttor am Ende der Kavarinerstraße hieß 1361 ‚Lombardentor‘ (porta Lombardorum), offensichtlich weil in dieser Straße Geldhändler (‚Lombarden‘) lebten; tatsächlich wird hier bereits 1342 ein offensichtlich aus Cahors in Südfrankreich stammender Hermann Kauwersin, der ein solcher Geldhändler gewesen sein dürfte erwähnt. Nach ihm, bzw. seiner Herkunftsstadt ist die Kavarinerstraße benannt worden.“

Das Handwerk in der Stadt war im 14./15. Jahrhundert in elf Gilden organisiert. In der ersten Gilde waren beispielsweise Bäcker, Brauer, Fettwarenhändler, Müller und Müllerknechte vertreten, in der sechsten die Gerber, Lederarbeiter und Schumacher, in der elften die Ackerleute und ihre Knechte. Die Gilden jeweils setzten Regelwerke auf, die es zu befolgen galt. So verpflichteten sich die Schuster, für einen Zeitraum von 101 Jahren weder vor dem Aufgang der Sonne noch nach deren Untergang bei Kerzenlicht Schuhe zu nähen. Verstöße wurden mit einem Bußgeld geahndet, das zu einem Drittel für den Bau der Stadtmauer verwendet wurde, zu einem Drittel den Richtern und Schöffen zufloss und zu einem Drittel der Gilde selbst.

Reichtümer konnten die Werktätigen nicht anhäufen, die meisten lebten am Rande des Existenzminimums. Wem selbst das nicht gelang, für den blieb das Gemeine Gasthaus am Brücktor, das sich der Armenfürsorge verschrieben hatte. (Daher rührt übrigens der heutige Straßenname Gasthausstraße.)

Wasserstraße für kleine Kähne

Die Wirtschaft litt darunter, dass Kleve vom Hauptverkehrsweg der damaligen Zeit, dem Wasser, abgeschnitten war. Die Stadt hatte, so würde man es heute ausdrücken, ein Infrastrukturproblem. So günstig wie Lage am Hang für die Burg war, so ungünstig war die Entfernung vom Rhein für das Gewerbe. Im 14. Jahrhundert war Griethausen der Hafen von Kleve. Aber das Dorf war eine halbe Tagesreise entfernt.

Im ausgehenden Mittelalter wird in den Quellen dann erstmals der Spoykanal erwähnt – eben auch, weil in den Dokumenten aus der damaligen Zeit verzeichnet ist, dass er zeitweise nicht befahrbar war. Klar ist, dass die Wasserstraße, die Kleve auch einige Kilometer vom Rhein entfernt zu einer Hafenstadt werden ließ, ein Bauprojekt der städtischen Bürgerschaft war. Friedrich Gorissen berichtet, dass die Stadt 1432 den Antonitern in Hau eine jährliche Erbrente von zehn Gulden zusicherte – und dafür im Gegenzug sofort 200 Gulden erhielt, die zur Abtragung von Bauschulden benötigt wurden.

Die Verbindung war bis ins 17. Jahrhundert allerdings nur für kleine Kähne nutzbar, wenn überhaupt. Dann gab es eine erste Phase der Bautätigkeit in dessen Folge im Dezember 1658 „der Klevische Statthalter Johann Moritz von Nassau zu Schiffe nach s’Hage [fuhr] und bei dieser Gelegenheit der Erste die neu angelegte Spoyschleuse [passierte], wie ein Biograf des Fürsten berichtet.

Richtig voran ging es gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als der Spoy-graben nochmals vergrößert und auch die Schleuse neu errichtet wurde. Der Bau kostete 72 000 Klever Taler, mit der Errichtung wurde der aus Amersfoort stammende Werkmeister Franz van der Leen beauftragt. Die Entlohnung war relativ einfach. Für jeweils 1000 gelegte Steine bekam er einen Dukaten. Am Ende waren es 350 000 Steine. Die Stadt übernahm auch die Verpflegung der Bauarbeiter, für sie gab es unter anderem insgesamt 25 Tonnen Bier. Die Frau des Baumeisters erhielt zudem einen silbernen Becher mit dem Klever Stadtwappen.

600 Schiffe pro Jahr

Die Schleuse in Brienen, um deren Erhalt sich jetzt auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks bemüht, ist noch jüngeren Datums. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert – und ist die älteste erhaltene Schleuse in Deutschland. Zu Hochzeiten regelte sie den Durchlass für mehr als 600 Schiffe pro Jahr. Zurzeit ist das marode Bauwerk geschlossen. Selbst wenn die Schleuse saniert und wieder geöffnet werden sollte, hat sie für die Frachtschifffahrt keinen Nutzen mehr. Der Klever Hafen ist der Hochschule gewichen, die Wasserstraße bietet allenfalls noch Freizeitkapitänen die Möglichkeit, bis Kleve zu schippern.