Kleve. . Graf Dietrich von Kleve verlegte 1341 sein Stift nach Kleve und bewirkte damit einen Ausbau der Stadt. Kleve wurde erste Stadt im Lande.
Graf Dietrich IX. von Kleve (1310-1347) verlegte 1341 das Stift Monterberg nach Kleve. Dadurch konnte die Stadt Kleve zur landesherrlichen Residenz werden. Gleichzeitig zog diese Maßnahme eine große Stadterweiterung nach sich.
Die klevische Landesverwaltung befand sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts noch im Aufbau. Gräfliche Amtmänner, die in einzelnen Teilen der Grafschaft Verwaltungs- und Gerichtsfunktionen ausübten, gab es bereits seit den 1240er Jahren. Solche Beamte sind zunächst für die Außenbereiche der Grafschaft bestellt worden, wo sie ihren Amtssitz in Städten und Burgen wie Wesel, Tomburg in der Eifel, Hülchrath und Linn hatten. Die eigentliche Landesverwaltung oblag dem Grafen und seinem Hof. Dieser umfasste spätestens ab 1277 eine Kanzlei mit einigen Schreibkräften.
Der umherziehende Graf
Eine Residenz als feste Wirkungsstätte für diese einfache Landeszentrale hat es anfänglich nicht gegeben: Der Graf von Kleve zog lange Zeit ständig mit seinem Hof im Lande umher, wie die benachbarten Territorialherren. Zwar dürfte die Burg zu Kleve als gräfliche Stammburg eine gewisse historische Vorrangsstellung gehabt haben, aber daneben spielten immer auch andere Burgen eine Rolle. Im 13. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts überflügelte die Burg Monterberg bei Kalkar die Burg zu Kleve als Sitz von Hof und Verwaltung.
Auch in ihrer Funktion als ideelles Zentrum der Grafschaft stand die Klever Burg nicht konkurrenzlos da. Um das Jahr 1100 hatten die Grafen von Kleve sich gelegentlich nach ihrer Burg Tomburg benannt und diese also als ihre zweite Stammburg betrachtet. Das im 12. Jahrhundert gegründete gräfliche Stift Wissel war ein bedeutendes kultisches Zentrum. In der dortigen Stiftskirche sind einige Angehörige des klevischen Grafenhauses begraben worden. Viel bedeutsamer als gräfliche Grablege war allerdings das 1138 von Graf Arnold I. von Kleve gegründete Prämonstratenserstift Bedburg. Bezeichnenderweise schenkte Graf Dietrich VII. 1269 seine Rechte an der Klever Pfarrkirche diesem Stift.
Das alles sollte sich ab 1341 ändern.
Graf Dietrich IX. hatte 1334 ein Kollegiatstift für 13 Kanoniker zu Monterberg gegründet, wohl weil er die dortige Burg zu seiner festen Residenz machen wollte. Dieser Plan hatte aber keinen Bestand, 1338 stellte er die Burg seiner künftigen Frau Maria von Virneburg zur Verfügung. Zwei Jahre später zeigte sich, dass der Graf inzwischen Kleve als Standort für das Stift in den Blick genommen hatte. Am 31. Dezember 1340 bat er den Kölner Erzbischof Walram von Jülich, der auch sein Schwager war, um Genehmigung zur Verlegung des Stiftes Monterberg nach Kleve. Einige Monate zuvor hatte er die Stadt Kleve bereits über das Vorhaben informiert und ihre Unterstützung erwirkt.
Die neue Residenz Kleve
Zweck der Stiftsverlegung war der Ausbau Kleves zur gräflichen Residenz mit ortsansässiger Landesverwaltung. Die Kanoniker sollten das Chorgebet in der Klever Kirche, die nun zur Grablege der Grafen von Kleve wurde, abhalten. Außerdem sollten sie in die Erledigung der Geschäfte der Landesverwaltung einbezogen werden. Als ‘Drahtzieher’ des Vorhabens wird Johann, der Bruder und Nachfolger (1347-1368) Graf Dietrichs, gesehen. Er war zu der Zeit Domdekan in Köln. Diesem erfahrenen Verwaltungsfachmann wird bewusst gewesen sein, dass eine Stadt sich besser als landesherrliche Residenz eignete als eine isolierte Burg.
Der detaillierte Projektplan, den der Graf dem Erzbischof im Dezember 1340 zur Genehmigung vorlegte, sah die Bildung einer Stiftsimmunität um die alte Klever Pfarrkirche vor. Hier sollten die Stiftsangehörigen gewisse Vorrechte, wie Schutz vor dem weltlichen Gericht und Steuerbefreiung, genießen. Innerhalb der Immunität stellte der Graf einige Häuser als Wohnungen für Kanoniker bereit, die Stadt hatte im September bereits weitere Häuser und eine Baustelle beigesteuert.
Der Graf stellte auch einen passenden Kirchenbau in Aussicht. Um diesen realisieren zu können, erwarb er zunächst im Januar 1341 die 1269 verschenkten Patronatsrechte der Kirche vom Stift Bedburg zurück. Am 12. August 1341 wurde mit dem Bau einer neuen Kirche an Stelle der romanischen Pfarrkirche begonnen, 1356 erfolgte die Einweihung des Chors, bis 1394 stand das Langhaus und um 1425 war die Kirche fertig.
Neue Stadttore für Kleve
Das Gebiet der Immunität gehörte 1340 bereits zur Stadt, aber es lag zur Feldseite hin ungeschützt. Graf Dietrich stellte dem Erzbischof eine Erweiterung der Stadtmauer auf Kosten der Stadt in Aussicht. Nach dieser Erweiterung umfasste die Stadtmauer auch den Kirchberg und das Hagsche Viertel. Aus dem alten Südtor der Stadt auf dem heutigen Fischmarkt war das ‘Mitteltor’ geworden, das neue Südtor befand sich an der Kreuzung Hagsche Straße / Hagsche Poort.
Der Stiftsverlegung, die 1341 genehmigt und vollzogen wurde, verdankt Kleve seine gotische Stiftskirche und eine Stadterweiterung. Sie bedingte auch die langjährige Doppelfunktion der Stadt als Residenz und Regierungssitz, die das städtische Leben geprägt hat und aus Kleve die erste der sechs klevischen Hauptstädte werden ließ.
>> Was ist ein Stift?
Ein Stift war eine Körperschaft von Geistlichen, die den Chordienst in einer Kirche verrichteten und nach einer kanonischen Regel lebten. Sie hießen deshalb Kanoniker. Ihre Entscheidungen trafen sie in Versammlungen des Kapitels, die im Falle des Stiftes Kleve vom Dekan geleitet wurden. Einen Propst hat es hier erst später geben. Das Klever Stift war ein Kollegiatstift, im Gegensatz etwa zum Frauenstift in Bedburg.
Literaturtipp: Klaus Flink, Emmerich, Kleve, Wesel. Formen der städtischen und territorialen Entwicklung am Niederrhein.