Kleve. . Kleve wurde zum ersten Mal in einer Urkunde im Jahr 1092 erwähnt. Doch die kleinen Dörfer in der Niederrung dürften erheblich älter sein
Irgendwann im Laufe des Jahres 1092 wurde im Gericht des Grafen Meinricus zu Bockum ein Tausch vollzogen. Ein Adliger namens Liuppo überließ der Abtei Werden seinen Hof in Hinsel und erhielt dafür einen Hof zu Dahlhausen zur lebenslänglichen Nutznießung.
Dieses Tauschgeschäft hat auf den ersten Blick mit Kleve nichts zu tun, denn Bockum gehört heute zur Stadt Hamm, Werden und Hinsel zählen zu Essen und Dahlhausen befindet sich im Stadtgebiet von Bochum. Die Urkunde zu dem Tauschakt ist Kleve aber dennoch wichtig. Denn sie listet adelige und sonstige Zeugen auf und nennt dabei an erster Stelle Graf Dietrich von Kleve (comes Thiedericus de Cleve). Es ist dies die erste namentliche Erwähnung eines Grafen von Kleve und des Ortsnamens Kleve, die wir kennen. Das macht diese Urkunde zu einem wichtigen historischen Dokument für Kleve.
Die Stunde der Burgherren
Nun wird man das Jahr 1092 weder als das Geburtsjahr der Grafschaft noch als das Gründungsjahr des Ortes Kleve betrachten dürfen. Denn die Grafen von Kleve zählten damals offensichtlich bereits zur adeligen Prominenz im Gebiet von Rhein und Ruhr. Sie waren mehrere Jahrzehnte früher in Kleve ansässig geworden und hatten ihre Machtposition seitdem allmählich ausgebaut.
Wenn der Graf von Kleve und der Ortsname Kleve erst 1092 erwähnt werden, ist dies also auf eine mangelnde Quellenüberlieferung aus früheren Jahren zurückzuführen. Es ist aber kaum damit zu rechnen, dass Kleve so alt war wie die Siedlungen im heutigen Stadtgebiet, deren Namen bereits vor der Jahrtausendwende erwähnt werden: Donsbrüggen und Rindern (720/721), Kellen (751/752), Brienen (777), Bimmen (891/92) und Warbeyen (965).
Diese Orte lagen alle im Gebiet der Rheinniederung, die bereits seit dem Frühmittelalter relativ dicht besiedelt war. Kleve gehört dagegen siedlungshistorisch zum hochgelegenen Teil des heutigen Stadtgebiets. Das zeigt auch der Ortsname Kleve, der auf die Lage über einem Steilhang (cleff) hindeutet. Hier waren die Siedlungskonditionen wegen des teilweise sehr niedrigen Grundwasserspiegels weniger günstig als in der Niederung. Das hochgelegene Gebiet wurde außerdem als Königsforst genutzt und unterstand von daher lange Zeit einem gewissen Schutz vor Rodungen.
Ab dem 10./11. Jahrhundert trat hier eine Wende ein. Der Adel fing damals an, Höhenburgen zu bauen. Ein frühes Beispiel ist die Burg des Grafen von Hamaland in Hochelten, die 967 zum Sitz eines Damenstiftes wurde. Die Burg Mergelpe auf dem Duivelsberg bei Nimwegen und die Burganlagen zu Montferland bei Zeddam und zu Monterberg bei Kalkar datieren in die Zeit um das Jahr 1000. Damals konnten solche Burgen nur existieren, solange sie vom Kaiser geduldet wurden. Im späteren Verlauf des 11. Jahrhunderts schwächte dessen Autorität jedoch so sehr ab, dass die großen adeligen Herren anfangen konnten, sich wie selbstständige Herrscher zu benehmen. Es brach um 1080 die ‘Stunde der Burgherren’ an, deren äußeres Merkmal die jetzt aufkommende Sitte der Benennung des Adels nach ihren Wohnburgen war. So besehen ist der Erstbeleg eines Grafen ‘von Kleve’ im Jahr 1092 schon fast so etwas wie eine Punktlandung.
Die Anfänge der Klever Burg müssen also auf jeden Fall bis in das 11. Jahrhundert zurückreichen, wenngleich die ältesten archäologischen Spuren bislang aus der Zeit um das Jahr 1100 stammen. Der historische Kern dürfte ein Wohnturm gewesen sein, ein Vorgänger des Schwanenturms. Bis zum Jahr 1200 hatte die Anlage ihre heute noch erkennbare Form eines großen Ovals erreicht. Nach drei Seiten hin wurde sie von natürlichen Steilhängen geschützt, nach Süden hin von einer künstlichen Talsohle.
Hier befand sich eine Siedlung, die in Anlehnung an die Burg entstanden war. Eine Pfarrkirche lässt sich hier ab 1168-1173 nachweisen. Ihre Patronatsrechte lagen beim Grafen von Kleve. Zu dieser Burgsiedlung gehörte außerdem ein dreieckiger Markt, der heutige Kleine Markt, der im Mittelalter immer als der ‘alte’ Markt bezeichnet wurde. Noch um 1340 wohnten hier vorwiegend Dienstmänner des Grafen. Zu Füßen der Burg am unteren Ende der Großen Straße, etwa dort, wo heute die Herzogstraße anfängt, befand sich ein gräflicher Hof, der spätere Lehnshof op gen Schild alias Tillsches Haus.
Es war keine Selbstverständlichkeit, dass aus Kleve mal eine Stadt werden sollte. Zumindest stand diese relativ kleine Burgsiedlung im Gebiet der heutigen Stadt Kleve nicht konkurrenzlos dar. Die bedeutendste Siedlung in diesem Bereich war im Früh- und Hochmittelalter Rindern. Hier befand sich das Verwaltungszentrum für die niederrheinischen Besitzungen der Abtei Echternach. Bis in das 13. Jahrhundert waren hier außerdem das Kloster St. Quentin (im heutigen Frankreich) und die Abtei Brauweiler begütert. Einen Markt hat es in Rindern aber offensichtlich niemals gegeben.
Die Siedlung Schmidthausen
Anders verhält es sich mit Schmithausen. Heute verbindet man diesen Namen mit dem Schlösschen aus dem 18. Jahrhundert, das der Euregio Rhein-Waal als Sitz dient, aber im 11. bis 13. Jahrhundert hieß so eine Siedlung am damals befahrbaren Kellener Altrhein. Hier befanden sich ein bedeutender Flusszoll mit Zollburg, dazugehörigem Markt und nicht weniger als fünf Mühlen. Es hatten sich hier Kaufleute niedergelassen, die ohne Zollzahlung Handel treiben durften in Wesel, Xanten, Emmerich, Elten und Doetinchem, während umgekehrt die dortigen Kaufleute hier frei handeln durften. Kaufleute aus Duisburg und Neuss genossen ein Privileg am hiesigen Flusszoll. Rheinverlagerungen und wohl auch die Stadterhebung von Kleve haben der städtischen Entwicklung von Schmithausen ein vorzeitiges Ende bereitet. Heute weiß man kaum noch, wo sich dieser Zoll- und Marktort genau befunden hat.