Kleve. . Dies ist der Tenor des psychiatrischen Gutachtens über einen Emmericher, der sich vor Gericht wegen versuchten Mordes und Stalking verantworten muss
Einfach war es für den psychiatrischen Gutachter Dr. Jack Kreutz sicherlich nicht, hinter die Fassade jenes Mannes zu blicken, der im April dieses Jahres den neuen Lebensgefährten seiner Freundin um ein Haar mit einem scharfen Gegenstand, mutmaßlich einem Messer, getötet hätte. Einsilbig und eher unkooperativ habe sich der Angeklagte gezeigt, als Kreutz ihn nach der Tat in der JVA Kleve untersuchte – stets bemüht, ein Pokerface zu wahren.
„Die psychologischen Tests hat er verweigert und wollte sich auch nicht zu seiner früheren Beziehung äußern“, fasst der Psychiater am dritten Verhandlungstag vor der 4. großen Strafkammer am Landgericht Kleve zusammen, wo der Mann nunmehr wegen versuchten Mordes, Nachstellung, Bedrohung und versuchter Nötigung angeklagt ist. Eine dünne Datenlage, auf deren Grundlage der Forensiker über die Schuldfähigkeit des 38-Jährigen befinden soll, der an weite Teile der Tat keine Erinnerung mehr haben will.
Wie die NRZ berichtete, hatte der Angeklagte seiner Ex-Freundin und ihrem neuen Partner in deren Erdgeschosswohnung aufgelauert, den verhassten Nebenbuhler unvermittelt durch ein Fenster attackiert und lebensgefährlich verletzt. Wohl rasend vor Eifersucht, hatte er im Vorfeld immer wieder Gewaltfantasien gegenüber seiner damaligen Freundin geäußert, bis er seine Drohung schließlich wahrmachte.
Und so wahnsinnig die Tat für Außenstehende auch anmuten mag – der Angeklagte selbst ist es keineswegs, wenn es nach der medizinischen Fachmeinung geht. So kommt Kreutz zu dem Schluss, dass die „Einsicht und Steuerungsfähigkeit“ des 38-Jährigen während der Tat voll vorhanden war, als er auf seinen Widersacher einstach – oder, weniger amtsdeutsch ausdrückt, dass er sehr wohl wusste, was er tat. Gegen eine Affekthandlung spreche etwa, dass der Angeklagte die Taten immer wieder großspurig angekündigt hatte. „Die Gewalt existierte schon in seiner Fantasie“, ist Kreutz überzeugt.
Stalking war ein Vorbote der Gewalt
Auch sei das Stalking in den Wochen zuvor bereits ein Vorbote der Bluttat gewesen, wenngleich der Angeklagte nicht seine gesamte Energie darauf verwendet hatte, seiner Ex-Freundin nachzustellen. So ging er noch regulär seinem Job nach und verfügte im Berufsleben durchaus über eine gewisse Anpassungsfähigkeit. Gebürtig aus Kasachstan als eines von neun Geschwistern stammend, hatte der Emmericher sich in Deutschland solide integriert, schaffte trotz anfänglicher Sprachprobleme in seiner Jugend immerhin den Hauptschulabschluss und ging einer regelmäßigen Beschäftigung nach.
Für Kreutz allesamt Indizien, dass der Beschuldigte auch nicht an einer Persönlichkeitsstörung leidet: „Herr H. klammert zwar in einer Beziehung und kann Alleinsein nicht aushalten, aber er ist mit Sicherheit nicht psychotisch“, konstatiert der Forensiker nüchtern. Damit dürfte er der Kammer zwischen den Zeilen eine wesentliche Botschaft vermitteln: Der Emmericher ist aus medizinischer Sicht voll schuldfähig.
Strafmildernde Umstände im Hinblick auf den Geisteszustand des 38-Jährigen dürften im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zum Tragen kommen. Angebliche Gedächtnislücken will Kreutz dem mutmaßlichen Täter zwar nicht absprechen, doch „kann es sich dabei auch um eine Schutzbehauptung handeln.“
Urteil fällt am 7. Dezember
Doch bleiben nach dem Gutachten wohl auch für die Kammer noch Fragen offen. Ob er trotz der spärlichen Datenlage Angaben zum Motiv des Angeklagten machen könne, will der vorsitzende Richter Jürgen Ruby von Kreutz wissen. Damit hält der Psychiater sich vornehm zurück: „Das wäre Stochern im Nebel.“
Ein Urteil in dem Fall wird für den 7. Dezember erwartet.