Kreis Kleve. . Die Übermittlung einer Todesnachricht gehört wohl zu den unangenehmsten Aufgaben im Polizeialltag

14.42 Uhr. Wenn man Achim Jaspers nach jenem Einsatz am 13. Januar 1997 fragt, weiß er noch auf die Minute genau die Uhrzeit, als sei es erst gestern gewesen. Die Haustür einer Wohnung in Emmerich steht angelehnt, aus dem Flur dringt ausgelassenes Kinderlachen, als der Polizist der Mutter der Familie eine grausame Nachricht überbringen muss: Ihr Mann ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. „Die Frau hat extrem reagiert, ist erst panisch aus dem Haus gerannt und später zusammengebrochen. Ich war ganz allein und mit der Situation ziemlich überfordert“, erinnert sich der Kommissar. Damals habe er nach dem einschneidenden Erlebnis selbst keine psychologische Hilfe in Anspruch genommen. „Heute würde ich das vermutlich anders machen.“

Überhaupt war nach diesem Einsatz für Jaspers klar: Im Umgang mit Angehörigen von Verstorbenen bei Unglücksfällen muss sich im Polizeialltag etwas ändern. Solche schweren Gänge übernehmen die Beamten heute ausschließlich zu zweit und nehmen außerdem einen Mitarbeiter der Ökumenischen Notfallseelsorge mit zum Einsatzort. Ein Geistlicher ist dies nicht notwendigerweise, denn: „wenn ein Pastor vor der Tür steht, wissen die Leute gleich, wo der Hammer hängt“, bringt Jaspers es auf den Punkt. Auch besitzt der Bereich Opferschutz bei der Polizei Kleve einen hohen Stellenwert und seine Aufgaben sind vielfältig. Denn es gehört wohl zu den unangenehmsten Pflichten von Polizisten, Bürger mit der Todesnachricht eines geliebten Menschen konfrontieren zu müssen.

Bereitschaftsdienst mit 30 Kräften

Sind üblicherweise in anderen Polizeibehörden in NRW zwei Planstellen für den Opferschutz vorgesehen, geht Kleve hier einen besonderen Weg: Rund 30 Kräfte der Polizei Kleve aus allen Funktionen übernehmen im Bereitschaftsdienst abwechselnd die Rolle der Opferschützer, für die sie intern eigens von erfahrenen Kollegen ausgebildet wurden. Ein Prinzip, das sich bewährt hat, da so die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden und die Polizeibeamten für den Umgang mit Angehörigen oder auch Opfern von häuslicher Gewalt besonders sensibilisiert sind. „Es gibt auch Kollegen, die das seelisch nicht bewältigen können. Und auch das wird bei uns respektiert“, hält Jaspers fest.

Wichtige Trauerarbeit

Als langjähriger Opferschützer räumt er gleich mit einem Mythos auf: „Es gibt diesen Spruch, dass man einen Verstorbenen so in Erinnerung behalten sollte, wie man ihn zuletzt gesehen hat. Ich halte das für Blödsinn.“ Denn den Tod eines nahestehenden Menschen müsse man im wahrsten Sinne des Wortes „be-greifen“. „Oft bereuen es Menschen, wenn sie sich von einem Verstorbenen nicht richtig verabschieden konnten. Für die Trauerarbeit ist es wichtig, möglichst genaue Informationen darüber zu erhalten, was passiert ist.“ Gerade dann, wenn man in einer beliebigen Alltagssituation für immer auseinander gegangen ist.

Und hierbei erfüllt die Polizei eine wichtige Funktion: Wenn die genaue Todesursache etwa bei einem Verkehrsunfall nicht geklärt werden konnte, haben die Angehörigen zunächst keinen Zugang zu dem Verstorbenen. Erst wenn die Staatsanwaltschaft den Körper nach Abschluss der Leichenschau freigegeben hat, wird sie an die Angehörigen für die Bestattung übergeben. Dieses Prozedere kann sich schon mal einige Tage hinziehen. Wertvolle Zeit, die Familie und Freunde des Verstorbenen für ihren Trauerprozess benötigen.

„In Begleitung eines Polizisten ist es aber möglich, zu dem Toten zu gehen, um würdevoll Abschied zu nehmen“, erklärt Jaspers. Dies muss unter polizeilicher Aufsicht geschehen, damit im Falle einer Straftat oder auch bei einem Verkehrsunfall keine Spuren beseitigt werden können. Dies gilt für alle Fälle, in denen die Todesursache unnatürlich oder ungeklärt geblieben ist. Doch hört die Arbeit der Opferschützer nicht bei den Hinterbliebenen auf. Auch Zeugen von Verkehrsunfällen oder Ersthelfer sind oft traumatischen Bildern ausgesetzt, wenn sie am Unfallort eintreffen. „Auch sie haben ein Recht auf Unterstützung.“

Bei Suiziden oder Tötungsdelikten haben die Polizisten es derweil mit einer besonderen Problematik zu tun: Wenn die eigene Wohnung zum Schauplatz einer blutigen Tat geworden ist, zeigt sich, dass die tragikomische Fernsehserie „Der Tatortreiniger“ mithin nah an der Realität ist. Nachdem erst kürzlich in Goch ein Rentner seine Lebensgefährtin wohl infolge einer psychischen Erkrankung erstochen hatte, musste die Polizei eine Reinigungsfirma beauftragen, um die Wohnung wieder in den Normalzustand zu versetzen. Jemanden wie „Schotty“ bräuchte es im realen Leben wohl manchmal auch.