Kreis Kleve. . Der niederländische Vogelexperte Albert Beintema hat eine beeindruckende Studie über die Uferschnepfe geschrieben. Eine Streitschrift für eine klügere Landwirtschaft
Manchmal wundert man sich schon über diese enorme Leidenschaft für die Vogelwelt. Niederländer sind große Vogelliebhaber. In kaum einem anderen Land Europas gibt es so viele Hobbyornithologen wie in unseren Nachbarland. Höchstens die Briten können es in ihrer Begeisterung mit ihnen aufnehmen.
Ein ausgesprochener Vogelkenner ist Albert Beintema, der sei über 40 Jahren Wiesenvögel beobachtet und sie wissenschaftlich erforscht. Sein Buch „De grutto“ (Die Uferschnepfe) wurde in der vergangenen Woche zum Naturbuch des Jahres gekürt und trug entscheidend dazu bei, dass die Uferschnepfe in den Niederlanden zum Nationalvogel gewählt wurde. Kein Tier ist so eng mit der niederländischen Volksseele verbunden, wie dieser schmächtige Wiesenvogel, der auch zwischen Friesland und Gelderland vom Aussterben bedroht ist.
In den Niederlanden gibt es mit Abstand die meisten Exemplare der Uferschnepfe. 55 000 Brutpaare wurden hier 2008 gezählt. Das sind viel mehr als in Deutschland (4300) oder Groß-Britannien (50). Warum die Vögel gerade die Niederlande bevorzugen, ist Beintema bis heute ein Rätsel. Denn die Lebensbindungen sind vielerorts ähnlich. Er bemängelt das schleichende Sterben des Wiesenvogels, denn mit ihm verschwinden auch andere Tiere und Insekten. Ein ganzer Landschaftstypus steht unter hohem Druck.
Mit einer 40jährigen Berufserfahrung im Rücken weiß Beintema, dass auch die gut gemeinten Naturreservate nicht immer erfolgreich sind. „Wir probieren, ideale Lebensbedingungen durch eine extensive Landwirtschaft zu schaffen und trotzdem ging es in einigen Reservaten völlig schief.“ Eine perfekte Landschaft lässt sich nicht so einfach gestalten. Denn durch die Trockenlegung vieler Wiesen verschwand nicht nur das Wasser, sondern auch Blumen, Insekten und Kleinstlebewesen gibt es nicht mehr: „Und es gibt keine Garantie, dass man diese Vielfalt durch Rekultivierung zurück bekommt“, so Beintema.
Die moderne Landschaft sei ausschlaggebend für das Verschwinden der Arten auf unseren Wiesen. Gerade in den Niederlanden sei dies sehr gut zu beobachten. Nirgendwo sei die Intensivierung so stark fortgeschritten wie hier. Das kleine Land sei der weltweit zweitgrößte Produzent von Milchprodukten. Nur in den USA werde noch mehr Milch produziert. 90 Prozent der Produkte werden exportiert. Beintema kritisiert eine völlig fehlgeleitete EU-Politik und kämpft für einen radikalen Wandel. Man müsse einsehen, dass Landwirte in Europa nicht wirtschaftlich arbeiten können. Daher müsse das System der Ausgleichszahlungen konsequent auch die Förderung und den Schutz der Landschaft fokussiert werden.
Eine Symbolfigur
Die bisherige Praxis zeige desaströse folgen. Die Böden trocken aus, die überschüssige Gülle ist schlecht fürs Grundwasser und die Atmosphäre wird mit Amoniak belastet. Die Uferschnepfe sei nur noch als Symbolfigur für den Untergang der einst so reichen Weidenlandschaften zu verstehen.
Trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge ist Beintema voller Hoffnung, dass sich die Uferschnepfe auch unter diesen widrigen Bedingungen wird behaupten können. „Wir werden weitere Verluste hinnehmen müssen, aber in den Kerngebieten wir die Uferschnepfe überleben.“