Kleve. .

Seit Jahrhunderten heißt es, dass auf der Schwanenburg gelegentlich die weiße Frau erscheine. Wenn dies passiere, verheiße es nichts Gutes, da nach ihrem Erscheinen ein Toter zu beklagen sei. Von spukenden weißen Frauen ist auch andernorts die Rede, aber interessant ist doch, dass von der Klever weißen Frau über Jahrhunderte immer wieder zu lesen ist. Es existiert sogar eine städtische Akte über sie!

Es gibt kaum ein Geschichtswerk über Kleve, in dem die weiße Frau nicht vorkommt. Schon der reformierte Prediger Johann Kayser erwähnte sie 1704 in seinem „Parnassus Clivensis“: Seit jeher erzähle man von dieser Frau auf der Schwanenburg, die kein Zimmer, kein Bett, weder Stuhl noch Bank benötige. Sie lebe ohne Hausgesinde und komme ohne Essen und Trinken aus. Sie sei selbst zwar ganz weiß gekleidet, aber sobald man sie sähe, müsse der ganze Hof in schwarzen Kleidern gehen. Sie erschrecke und bestürze und obwohl sie gar nicht sprechen könne, würde sie den Tod verkündigen. Sie selbst würde jedoch nicht sterben.

Keiner der Klever Chronisten hatte sie je gesehen, keiner glaubte an sie, aber erwähnt haben sie sie alle, so auch Brunnenarzt Johan Henrich Schütte 1748 in seinen „Amusemens des Eaux de Cleve“. Zwar tut er die Geschichte der weißen Frau als Aberglauben ab, aber auf Nachfragen der Badegäste erzählt er ausgebreitet von dem Phänomen, wohl auch, um den Kurort Kleve für seine Gäste interessant zu machen.

Oft im Rittersaal

Der Kammerpräsident Julius Ernst von Buggenhagen schreibt 1795, die weiße Frau sei hauptsächlich im Rittersaal erschienen, nach alten Erzählungen handele es sich um die Frau des Schwanenritters, Beatrix von Kleve. Noch kürzlich sei sie einer Näherin im Schloss begegnet, habe sich deren Arbeit angesehen, mit der Hand darüber gestrichen, sich vors Fenster gestellt und die Aussicht betrachtet, dann sei sie wieder zurückgekehrt und durch die sich selbst öffnende Tür entschwebt. Ein andermal habe sie einem Dienstmädchen zugerufen, es solle verschwinden, worauf diese junge Frau halbtot vor Angst ohnmächtig wurde. Gustav von Velsen berichtet 1841ebenfalls, die weiße Frau sei der Geist der Beatrix, der Gemahlin des Schwanenritters, und ihre Aufgabe sei, drohendes Unheil von ihren Nachfahren abzuwenden. Sie ginge vorzugsweise in den ältesten Gemächern der Burg um, tief verschleiert, in einem schneeweißen Schleppgewand mit einem Schlüsselbund an der Seite. Von Velsen nennt aber auch weitere Varianten und kennt auch die Vorgänge, die 1815/1816 zum Anlegen der städtischen Akte führten.

So haben zwei junge Männer eine Nacht in einer Zelle auf der Burg verbracht, weil mit ihren Papieren etwas nicht in Ordnung war. Einem der Häftlinge sei eine Frau erschienen, die ein langes weißes Gewand mit Falten getragen habe sowie einen großen Schlüsselbund an der Seite. Sie sei langsam auf das Bett der Häftlinge zugeschritten, nach einigen Minuten in die Ecke zurückgegangen und habe mit dem Zeigefinger der rechten Hand gewinkt. Er habe sich unter der Decke verkrochen und als er sich getraut habe, wieder hinzusehen, sei sie nicht mehr da gewesen. Noch weitere ähnliche Schilderungen von Gefangenen sind in den darauffolgenden Tagen und Monaten protokolliert worden.

Es gibt eine städtische Akte

Die städtische Akte über die „Sage von der weißen Frau auf dem Schlosse zu Cleve“ war bis 1936 noch vorhanden, doch irgendwann danach verschwand sie. Erst 2012 wurde sie von einem Verwandten eines ehemaligen städtischen Angestellten zurückgegeben. Stadtarchivar Bert Thissen nahm dies zum Anlass, im Heimatkalender auf das Jahr 2013 ausführlich über die weiße Frau zu berichten.

Die weiße Frau – selbst 2015 schreckt sie noch die Menschen. So war am Silvestertag in der NRZ zu lesen, dass Einbrecher in Ennepetal vor einer weißen Frau Reißaus genommen haben. Es war zwar nur die Hausherrin im weißen Gewand, aber die jungen Männer sollen tatsächlich an einen Geist geglaubt haben. Abgesehen davon, dass mancher unter Einfluss von Hochprozentigem alles Mögliche zu sehen glaubt, könnte die weiße Frau in Kleve noch eine andere Ursache haben – ziehen nicht manchmal gruselig weiße Nebelschwaden um den Schwanenturm?