Weeze. . Schloss Hertefeld hat zwar viel Geschichte, aber vor allem eine bewegte Gegenwart.Graf Friedrich Eulenburg zu Hertefeld ist ein Hotelier mit viel Humor
Bei den meisten Schlössern und Herrenhäusern ist die Historie das Interessanteste. Da waren die Herren von und zu, residierten von ... bis. Aber bei der Schlossruine Hertefeld ist die Jetztzeit genauso spannend wie 800 Jahre Vorgeschichte. Und definitiv lustiger.
Schloss Hertefeld liegt gleich rechts neben der B9 in Weeze. Es ist zum Teil eine Ruine und wird eine bleiben. „Mit Dach und Fenstern, das wäre ein nettes Schlösschen, aber das ist nicht die Idee“, sagt Schlossherr Friedrich Graf zu Eulenburg und Hertefeld. Er stellt die 23. Generation der Familie, die dieses Haus belebt. Die Anfänge der Dynastie lagen im Jahr 1322. Zwei Familien kamen zusammen – die Eulenburgs als obersächsisches Uradelsgeschlecht (Conradus de Ilburg um 1170), das 1709 in den Freiherrenstand erhoben wurde. Und die Hertefelds, das Klevische Uradelsgeschlecht seit 1179 mit Theodoricus de Hertevelde – vom Hertefeld, also niederdeutsch vom „Hirschfeld“. Das Tier in Rot ist Wappentier.
Im 14. Jahrhundert übte die Familie die niedere Gerichtsbarkeit über die Leute von St. Cyriakus in Weeze aus. Im 16. Jahrhundert trat sie zum reformierten Glauben über, den sie generationenlang in Weeze und Uedem unterstützte (der Gegenpart also zu den katholischen von Loes von der Straßenseite gegenüber). Als Protestanten verweigerten die von Hertefelds den Franzosen im 19. Jahrhundert die Kollaboration. Im 18. Jahrhundert wurde der Sitz Hertefeld zu einem barocken Schloss mit französischem Garten umgebaut. Als in der Erbfolge nur eine Frau, Aleandrine, die Großnichte des letzten Hertefelds, blieb, fiel das Haus an die Grafen zu Eulenburg. Ihr Sohn Philipp, im 20. Jahrhundert kaiserlich-deutscher Botschafter in Wien, war enger Berater Kaiser Wilhelms II., wurde erst in den preußischen Fürstenstand, dann durch den schwedischen König zum Grafen erhoben: „Fürst zu Eulenburg und Hertefeld, Graf von Sandels“.
Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Familiensitz im brandenburgischen Liebenberg enteignet und die Hertefelds kamen an den zerstörten Niederrhein zurück. Familie Eulenburg zu Hertefeld baute auf: Hauptturm und Mitteltrakt des Schlosses, aber eben nicht die ruinösen Seitentrakte. Sie sind so malerisch, so stimmungsvoll.
Schon sind wir in der Gegenwart. Da kam die Gemeindeverwaltung von Weeze auf den Grafen Eulenburg zu und fragte, ob man vor dieser romantischen Kulisse heiraten dürfe. Welche Idee! Von 2004 bis 2006 wurde renoviert und alles für Veranstaltungen umgebaut. Nur natürliche Baustoffe wie 300-jährige Feldbrandsteine, Ringofenziegel, Holz und Lehm kamen zum Einsatz. Es gibt noch nicht einmal störende Heizkörper, sondern energiesparende Strahlungstemperierung. Modern ist dabei dennoch jede Entscheidung. Die zentrale Hausstaubsaugeranlage „fasziniert den Bauherrn bis heute“, sagt „Ruinenbaumeister“ Eulenburg über sich selbst. Da hatte das 60 Jahre Reinregnen ein Ende. „Deutschlands einzige bewohnbare Schloßruine“ entstand – der Hausherr legt übrigens Wert auf das „ß“.
100 Quadratmeter Säle im Hochparterre des Mittel-Schlosses strahlen in Rot und Gold und Beige. 60 qm im Gewölbe laden zu Teatime und Frühstück, das man auch hochherrschaftlich im fünf Hektar großen Park einnehmen kann. Für Faulenzer organisiert der Bringdienst Mittagessen in der Hängematte. Auch die Ruine selbst ist nutzbar. Sechs herrschaftliche Zimmer für bis zu 20 Übernachtungsgäste wurden geöffnet. Es gibt generell keine zwei Feiern parallel – jede Gesellschaft hat das Ambiente exclusiv. „Sie sollen sich wie Schlossherr und Prinzessin fühlen. Das wirkt sich extrem positiv auf die Gäste aus“, so Friedrich Graf Eulenburg. „Heiraten ist ein Frauenfest“, urteilt der Hoteldirektor. Und gibt Männern den Rat: „Die beste Aussage in der Vorbereitungszeit ist für den Bräutigam: Ja, Schatz“.
Der Graf sorgt dafür, dass alle Spaß haben. „Gäste wollen etwas zu erzählen haben“. Daran mangelt es hier nicht. Mit Anekdoten gespickt ist allein die Umbauzeit, als in der historischen Garage „ein scharrendes Geräusch“ auftauchte, es war das Dach, das abrutschte – und so baute man ein neues Gästezimmer, das nun geliebte „Sternenzimmer“ mit komplett aufschiebbarem Dach unter freiem Himmel, das sich bei Regen selbstständig schließt. Der Charakter einer Garage wird dennoch mit Riffelblechen zitiert. In der Turmsuite, zehn Meter über Boden, stehen Möbeln der schwedischen Ahnin, dazu gibt es Kaffee, Zimtschnecken und Sprachübungen. Oder am Schweizertag können Gäste nach „Uufgstellti Begrüessig“ erwarten: „Es super Zmorge ufm Zimmr, und es macht ächt nüüt, wänn ia no da Morgemantel anhät“.
Oder die Geschichte vom 1. April, als der Bauleiter den Grafen anrief, er habe einen Brunnen gefunden. Und wenig später noch mal einen zweiten. Tatsächlich liegen hier zwei Pferdetränken, einer von drei Doppelbrunnen am Niederrhein. Oder da ist die Story von den Wächterhäuschen, in denen man übernachtn kann, und dass die „Torkelstrecke“ dorthin eine Landesbahnbeleuchtung bekamen. Oder erfährt, warum der schmale Aufenthaltsraum in englischem Stil „Tusculum“ heißt.
Schlussendlich überlegte der gelernte Nationalökonom Friedrich Eulenburg zu Hertefeld, dass es ein Stimmungskiller ist, wenn Feier-Gäste nachts um vier Uhr per Taxi abreisen müssen, und ein Führerscheinkiller, wenn sie selbst fahren. Also entschloss er sich, das Vorwerk „Hertefeldhof“ zu einem originellen Gästehaus „Uhu-Lodge“ – demnächst mit öffentlichem Biergarten -- umzubauen. Die Bauabnahme folgt in den nächsten Wochen. Mit seinen Kindern besprach Papa Eulenburg, welche Titel der den Zimmern geben könnte. „Tiere“, war der Vorschlag des Nachwuchses. Und Eulenburg wäre nicht der schelmische Hotelier, der er ist, wenn er das nicht originell umsetzte.
Darüber, wie im „Maulwurfzimmer“ Kartoffeln und Möhren durch die Decke wachsen („man sieht extra keine Radieschen von unten“), wie man im Kuhzimmer mit Matratze auf künstlichem Rasen liegt und die Kuh von der Wand zuschaut, wie man im Schmetterlingszimmer im Kokon schläft, warum die Eulenburg-Kinder mit Schablonen Ameisen an Steckdosen malten – all das erfahren Sie, liebe Leser, erst in den nächsten Wochen hier. Denn dann werden die 17 Themenzimmer – Drei-Sterne-Niveau und doch bezahlbar -- für bis zu 60 Übernachtungsgäste eröffnet. Mit ihnen auch zwei Globetrotter-Zimmer mit sechs und acht Doppelstockbetten für Rucksackreisende. Etwas vom Urlaub zu erzählen haben? Wahrlich, auf Schloss Hertefeld kann man gar nicht anders.