Kleve. .
Zugegeben, so ein richtiger Klever Jung war er nicht – also einer, der den täglichen Blick auf die Schwanenburg braucht, um glücklich zu sein. Wahrscheinlich lag es daran, dass es zu seiner Zeit die Schwanenburg noch gar nicht gab. Immerhin kam man an Kleve vorbei, wenn man von Aachen nach Nijmegen wollte. Und genau das hatte Theophanu vor. Sie wollte von einer Kaiserpfalz zur nächsten. Denn sie war die Frau des Kaisers Otto II. Sie war die Kaiserin.
Klein-Otto überlebte
Irgendwo im Reichswald zwischen Kleve und Goch gebar sie den künftigen Kaiser Otto III. Das war im Jahr 980. Man muss sich das Reisen zu jener Zeit beschwerlich vorstellen und die hygienischen Bedingungen besser gar nicht. Aber Klein-Otto überlebte. Im zarten Alter von drei Jahren krönte man ihn in Aachen zum römisch-deutschen König. Als sein Vater starb, übernahm erst seine Mutter die Regentschaft, nach ihrem Tod dann die Großmutter. 996 schließlich krönte man ihn in Rom zum Kaiser.
Unterwegs waren die Kaiser zu jener Zeit sozusagen ständig. Anfang 1000 pilgerte Otto nach Gnesen. Fritz Leinung, der frühere Pfarrer der Klever Unterstadtkirche, hat immer wieder nachdrücklich auf die besondere Bedeutung dieser Pilgerfahrt hingewiesen. Der bei Kleve geborene Kaiser erhob im sogenannten „Akt von Gnesen“ den polnischen Herzog Bolesław zum König. Wie es damals genau war, ist wie so vieles umstritten. Fest steht, dass er die Eigenständigkeit Polens beträchtlich förderte. Die deutsch-polnische Freundschaft ist also schon aus historischen Gründen eine Angelegenheit, um die sich die Klever Stadtspitze seit Jahrzehnten besonders kümmert.
Diese Pilgerfahrt erlaubt allerdings auch einen tiefen Einblick in die Seelenlage eines mittelalterlichen Kaisers. Barfuß betrat er die Stadt und besuchte sogleich das Grab des heiligen Adalbert. Adalbert, ein Freund des Kaisers, war 997 von Mitgliedern eines heidnischen Stamms erschlagen worden. Der Kaiser war ein religiöser Mensch, der sich immer wieder Buß- und Fastenübungen unterzog. Auch wenn das damalige „Römische Reich“ noch nicht das „Heilige Römische Reich“ war, so nannte sich Otto III. doch ganz offiziell „Knecht Jesu Christi“. Reine Demut war das nun allerdings auch wieder nicht. Denn dadurch erhob er sich ein kleines bisschen über den Papst. Mächtiger war er ohnehin. Die merkwürdige Doppelspitze aus Papst und Kaiser, die in der Folge noch zu vielen Kriegen führen sollte, war zu Ottos Zeiten allerdings kein Problem. Otto setzte den neuen Papst ein, nachdem der alte verstorben war. So einfach war das für den Knecht Jesu Christi.
Vielleicht vergiftet
Lange regierte Otto III. nicht. Anfang 1002 starb er, vielleicht vergiftet, jedenfalls aber ruhig, gefasst und sehr christlich. War der Klever ein großer Herrscher? Die Zeitgenossen kritisierten, er habe sich zu sehr auf Rom fixiert, manche nahmen ihm den Akt von Gnesen übel, andere fühlten sich um ihre Pfründe betrogen. Allgemein nannte man ihn bald „Wunder der Welt“, ein Ehrentitel, der ziemlich einzigartig ist. Wie die Welt geworden wäre, hätte er länger gelebt, ist Spekulation. Aber vielleicht hätten die Klever (und/oder Gocher) dann ja ein Denkmal für ihn errichtet.