Gelsenkirchen. Gelsenkirchen herzt Grönemeyer. Und Grönemeyer herzt zurück. In der Veltins-Arena glüht das Mikrofon. Bei einer Ansage werden die Fans hellhörig.
Hits und Hitze - irgendwie passt dies doch zusammen: Schließlich kennt sich Herbert Grönemeyer mit Einheiz-Eigenschaften nun wirklich bestens aus. Keine zehn Sekunden dauert es am Freitag, bis die Deutschpop-Ikone in der ausverkauften Veltins-Arena in Gelsenkirchen die Fans auf Temperatur gebracht hat.
Sie klatschen, sie johlen, sie wippen. Und der Sänger selbst jauchzt dazu sein: „Jaaaa…“ Kunststoff-Sitzschalen lassen die Fans dagegen kalt. Viele der 50.000 Anhänger verwandeln das Arena-Konzert ihres „Höörbis“ selbst auf den Tribünen in ein Stehkonzert. Dass bei knapp 30 Grad eigentlich Badeanstalt-Wetter herrscht, haben sie nach den Eröffnungssongs der Open-Air-Sause (mit geschlossenem Arena-Dach) vergessen. „Das ist los!“
Die Fans herzen Grönemeyer. Und Grönemeyer herzt zurück. Dieses letzte Konzert seiner Live-Tournee wirkt trotz der beeindruckenden Größe wie ein heimeliges Familientreffen. Der Protagonist wirbelt euphorisch auf den Bühnensteg als käme ein verlorener Sohn nach Hause. Grönemeyer wünscht einen guten Abend: „Gelsenkirchen. Schalke. Heimat.“
Grönemeyer in Gelsenkirchen: Rot-verdächtige Spitze gegen Schalke
Und wie das bei Familien so ist: Fußball und Politik sind als Gesprächsthemen am Tisch eigentlich tabu. Herbert Grönemeyer denkt aber gar nicht daran, sich an die goldenen Regeln der aufgesetzten Harmonie zu halten.
Das „Steigerlied“ erschallt in der Schalker Arena noch einig aus allen Kehlen. Bei seinem Kult-Song „Bochum“ baut Grönemeyer aber ein Rot-verdächtiges Foul ein. Die VfL-Bochum-Passage „Machst mit nem Doppelpass, jeden Gegner nass“ wird um „auch hier den FC Schalke 04“ ergänzt. Unerhört!
Hellhörig werden Königsblaue auch beim Hit „Mensch“, bei dem Grönemeyer mit einem Schalke-Wechselgesang seinen Schabernack schnell ausbügelt. Verstimmung abgewendet!
Grönemeyer spricht aber auch mit ernster Stimme über die historische Leistung der Gesellschaft bei der Aufnahme von Flüchtlingen seit 2015. Sein Song „Der Schlüssel“ beschreibt, wie schwer es für Geflüchtete ist, eine neue Heimat zu finden. Es geht um den Schlüssel zum eigenen Heim in der Hosentasche, der in der Fremde keine Funktion mehr hat. Er mahnt zugleich: „Wir dürfen den Populisten kein Gehör verschaffen.“
Grönemeyer in Gelsenkirchen: Sänger fordert Respekt für Klima-Kämpfer
Zudem fordert Grönemeyer Wertschätzung für die junge Generation, die sich um den Planeten sorgt. Er spielt auf die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ an, ohne den Namen dabei zu nennen. Er singt: „Muss die Welt erst in Flammen stehen, dass wir uns aus unserem Koma drehen?“
Abgesehen von den ernsten Passagen, dreht Grönemeyer auf Schalke mit Leichtigkeit an der Party-Schraube: Wie Speedy Gonzales fegt der 67-Jährige über den weit in den Innenraum ragenden Steg, winkt selbst in der entlegensten Ecke der breiten Arena-Bühne jubelnden Fans zu. „Klasse! Klasse! Klasse!“ Dreifach hält besser.
„Flugzeuge im Bauch“, „Alkohol“, „Mambo“, „Kinder an die Macht“, „Männer“, „Zeit, dass sich was dreht“ und „Bleibt alles anders“ - die Ohrwurm-Quote schraubt sich in schwindelerregende Höhen. Kein Wunder, dass die Fans „Oh, wie ist das schön“ singen und Grönemeyer am Keyboard hurtig mit einstimmt.
Als er auch noch „Currywurst“ kredenzt, müssen Sänger und Fans gemeinsam schmunzeln. Grönemeyer fragt kurz irritiert: „Welche Tonart war das noch gleich?“
Grönemeyer in Gelsenkirchen: Erfolglose Tanzkurse in Bottrop
Es bleibt weiter ulkig: Der Sänger taucht in Selbstironie, spottet selbst über seinen Bewegungsapparat. „Tanzschulen in Bottrop bieten schon Grönemeyer-Tanzkurse an. Leider erfolglos.“ Der anschließend mit dem Publikum einstudierte Schunkelwalzer gehört aber nicht zum Lehrplan.
Wer übrigens denkt, Sangeskollege Peter Maffay hätte in der vergangenen Woche im Gelsenkirchener Amphitheater mit 173 Konzertminuten eine Bestmarke gesetzt, der kann schon mal das Radiergummi suchen. Herbert Grönemeyer gelingen mit drei Zugabe-Blöcken und rund 40 Songs stolze 189 Live-Minuten. Also zwei Fußballspiele hintereinander, ohne irgendeine Pause.
Mehr als drei Stunden und die Kondition bei Grönemeyer und Fans hält gleichermaßen: Das Konzert ist meist mitreißend und wirkt nimmermüde. „Es ist unglaublich erwärmend“, sagt er gegen Ende. Er meint sein Herz - und nicht die Schweißperlen auf der Stirn.
>>> Gelsenkirchen: Abschluss der „Das ist los“-Tournee
Mit dem großen Konzert in der Arena auf Schalke endete für Herbert Grönemeyer die „Das ist los“-Tournee. Die Tour startete Mitte Mai in Kiel und führte unter anderem über Hamburg, Köln, München und Berlin nach Gelsenkirchen.
In der Arena waren deutlich mehrere TV-Kameras zu sehen. Wie das Magazin „Digital Fernsehen“ berichtet, soll das Gelsenkirchener Konzert am Samstag, 22. Juli, bei einem Konzerttag des Formats „Pop around the Clock Summer Edition“ auf 3 Sat gezeigt werden.
Eigentlich sollte Herbert Grönemeyer schon im vergangenen Jahr auf Schalke singen. Doch nach mehreren Corona-Fällen im Team und beim Sänger selbst, musste der Künstler seine 2022er Tournee absagen.