Essen. Die Argumente für den Neubau des Fußballstadions an der Hafenstraße fielen buchstäblich vom Himmel - das Geld für das Projekt nicht. Nun will die Stadt durch Liegenschaftsverkäufe und Sponsoren die fehlenden Mittel auftreiben - und hofft auf den sportlichen Erfolg von Rot-Weiss Essen.
Es war der 20. April 2008, als ein wirklich gutes Argument für den Stadionneubau an der Hafenstraße buchstäblich vom Himmel fiel: Das zwei Kilogramm schwere Betonteil hatte sich vom Randträger des Haupttribünendachs gelöst und war auf eine der Sitzschalen in den vorderen Reihen von Block B gefallen. Es lief gerade kein Spiel, zum Glück, sonst wäre dieser ungeplante Kopfstoß für einen RWE-Fan womöglich tödlich ausgegangen.
25 000 Euro ließ sich die Stadt hernach die Betonsanierung kosten und weitere 25 000 Euro ein Gutachten, das die bauliche Unbedenklichkeit der Haupttribüne für die nächsten beiden Jahre bescheinigte.
Eine Zwischenlösung, nicht mehr. Auf Sicht könnte die Tribünensanierung Millionen kosten, weshalb Stadtdirektor und Sportdezernent Christian Hülsmann gestern im Rat die meisten Politiker gar nicht mehr von der Notwendigkeit eines Stadionneubaus überzeugen musste. Nein, keine Luxus-Ausführung sei hier geplant, wie Hülsmann mit kopfschüttelndem Verweis auf entsprechende Spötteleien des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel” verteidigte: „Das wird ein grundsolides Stadion, ohne Schnickschnack”.
Das Stadion
Und es wird ein Stadion, das mit dem erhofften sportlichen Erfolg von Rot-Weiss Essen wachsen soll. Als Grundlage dient in einer ersten Bauphase ein Stadion mit vier isolierten Tribünen für insgesamt 20 000 Zuschauer. Die „Kopftribünen” an den kurzen Seiten sollen dabei für Stehplätze reserviert bleiben. Bei einem Baubeginn im Herbst 2009 sollen zunächst die Haupt-, Gegen- und Gästetribüne (im Westen) errichtet werden. Anschließend wird die Nordtribüne des alten Georg-Melches-Stadions abgerissen, weil eine Spitze in das neue Spielfeld hineinragt. Anschließend startet der Bau der Osttribüne für die heimischen Fans, der Spielbetrieb wird in das neue Stadion verlagert. 2011 soll es so weit sein.
Die Variante
Ursprünglich war eine Variante im Gespräch, die das Stadion auf dem Gelände des heutigen Stadions mit um 90 Grad gedrehtem Spielfeld vorsah. Diese wurde schnell verworfen, weil in diesem Fall zwar die Trainingsplätze für den Nachwuchs erhalten blieben. Doch mit nur 450 (statt 1000) Parkplätzen, keinerlei Ausbaureserven und Bedenken der Feuerwehr im Ernstfall erwies sich diese Alternative als nicht genehmigungsfähig. Auch eine Nutzung des Stadions als Konzertstätte und für andere Veranstaltungen wäre damit ausgesprochen problematisch geworden – mit Genehmigungen, die auf jeden Einzelfall hätten abgestimmt werden müssen.
Die Finanzierung
In der ersten Ausbaustufe mit rund 20 000 Zuschauern schlägt der Stadionneubau mit Kosten in Höhe von rund 31 Millionen Euro zu Buche. 7,5 Millionen Euro sind schon seit Jahren im städtischen Haushalt für das Projekt reserviert, weitere 16,5 Millionen Euro soll der Verkauf des „Handelshofes” am Hauptbahnhof bringen, die übrigen 7,0 Millionen Euro sollen durch Sponsoren aufgebracht werden. Mit dem einstweiligen Rückzug von Evonik als Sponsor ist die Stadt nun gezwungen, andere Geldgeber zu finden. Dem Vernehmen nach steht die Sparkasse Essen für einen möglichen Betrag von 5,0 Millionen Euro bereit, auch die RWE AG gilt nach wie vor als möglicher Ansprechpartner. Auch Sachleistungen großer Unternehmen seien eine Alternative, signalisierte Hülsmann gestern. Der Antrag der SPD, eine mögliche Finanzierungslücke dadurch zu stopfen, dass man für den Restbetrag städtisch beherrschte Firmen zur Kasse bittet, wurde gestern im Rat mit großer Mehrheit verworfen.
Die Kommunalaufsicht
Unter den strengen Augen der Bezirksregierung hat das Stadionprojekt Gnade gefunden: Der Stadt wird erlaubt, das Projekt größtenteils mit den Erlösen aus dem Handelshof zu bezahlen, allerdings werden die Beträge, die wohl in drei Jahresraten fließen, auf die städtische Kreditrate angerechnet. Damit soll verhindert werden, dass die Stadt sich noch mehr als bisher verschuldet. Die Stadt wiederum kann mit dieser Auflage gut leben, weil just die 70,1 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II ihr finanzielle Spielräume ermöglichen. Zudem stehen, so heißt es aus dem Rathaus, eine ganze Reihe größerer Vorhaben vor dem Abschluss und ermöglichen damit, die Investitionen in andere Bereiche zu lenken.
Der Zeitplan
Einen definitiven Zeitplan für die kommenden Monate gibt es noch nicht: RWE muss die Spiellizenz bekommen, die Sponsorengelder müssen „wasserdicht” gemacht werden, der Vertrag mit MK Medien ebenso. In der nächsten Ratssitzung im April entscheidet der Rat formal über die Kapitalzuführung der 7,5 Millionen Euro an die zu 100 Prozent städtische Grundstücksgesellschaft GVE. Ihr gehört (noch) der Handelshof, und sie soll auch das Stadion bauen. Dazu erhält sie auch das Stadiongelände an der Hafenstraße aus dem Sondervermögen der Sport- und Bäderbetriebe . Der Zeitplan ist knapp: Noch vor der Kommunalwahl soll Baubeginn sein.