Essen. Jagdszenen gab es beim vergangenen Heimspiel, nun ist Schonnebeck zu Gast bei Al-Arz Libanon. Gemischte Gefühle bei Zuschauern.

„Bitte schieß kein Tor“, das hatte sie ihrem Mann zuvor noch mit auf den Weg gegeben. Die Spielvereinigung Schonnebeck II sollte lieber nicht gewinnen. Das war gar nicht wirklich ernst gemeint, beschreibt aber doch das mulmige Gefühl der 36-Jährigen, als sie an diesem Sonntag (26. Mai) am Spielfeldrand in Altenessen sitzt, während ihr Mann auf dem Platz steht. Gegen Al-Arz Libanon an der Hövelstraße, wo es vor zwei Wochen Jagdszenen und eine Massenschlägerei gab. Ein Besuch beim ersten Heimspiel nach den Krawallen.

An diesem Spieltag schießen sich Kinder den Ball vor dem Vereinsheim zu, an dessen Wänden auf die Videoüberwachung hingewiesen wird. Eltern sind mit ihrem Nachwuchs im Kinderwagen gekommen, Jungen und Mädchen fahren Roller oder Rad, während auf dem Kunstrasen der Ball rollt. „Für Schonnebeck geht es um nichts mehr, wir sind im guten Mittelfeld“, sagt ein Zuschauer. Al-Arz Libanon aber könnte absteigen, immerhin spielten sie kommende Woche auch noch gegen den Spitzenreiter. Nun steht es erstmal 2:2. Dann der Elfmeter für Al-Arz. „Der Schiedsrichter hat Angst“, ruft einer vom Spielfeldrand. Gehalten.

Auseinandersetzung mit Waffen und Verletzten in Essen-Altenessen

Vor zwei Wochen, da hat einen Familienvater nichts auf der Sportanlage gehalten. „Ich war sofort weg. Das Beste, was man in der Situation machen kann“, sagt der 38-Jährige gelassen und meint die plötzlichen Tumulte. Auf Videos sind die Szenen festgehalten, da jagen Vermummte eine Person über die Anlage und noch weiter. Später wird die Polizei bestätigen, dass bei dieser Auseinandersetzung Waffen eingesetzt und zwei Menschen leicht verletzt wurden.

Das Spiel in der Essener Kreisliga A2 zwischen Al-Arz Libanon Essen und RuWa Dellwig vor zwei Wochen ist abgebrochen worden. Rasch folgten Berichte von Insidern, die von einem Streit im libanesischen Clan-Milieu sprachen. Ein Beteiligter dieses Konfliktes soll zum Verein Al-Arz Libanon Essen gehören, dort sollen ihn seine Kontrahenten dann aufgesucht haben. Laut Lagebericht der Polizei sollen offene Geldforderungen zwischen zwei Familien Ursache des Tumults gewesen sein.

2:3 geht das Spiel zwischen Al-Arz Libanon Essen und SpVg Schonnebeck II aus, nach den Jagdszenen von vor zwei Wochen bleibt es nun entspannt.
2:3 geht das Spiel zwischen Al-Arz Libanon Essen und SpVg Schonnebeck II aus, nach den Jagdszenen von vor zwei Wochen bleibt es nun entspannt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„In der Bundesliga gibt es jede Woche Ausschreitungen“, sagt der 38-Jährige jetzt. Da verabredeten sich die Parteien, das sei ein organisiertes Vorgehen. Die Auseinandersetzungen in Altenessen, die hätten doch nichts mit Fußball zu tun gehabt. „Hier unterstützt jeder jeden“, berichtet er. Schließlich sei er hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und sei immer noch regelmäßig auf der Sportanlage. Er selbst spiele zwar nicht mehr Fußball, aber nun sei er ganz bewusst mit seinen Töchtern hierhin zurückgekommen, um zu zeigen, er fühle sich wohl, niemand müsse Angst haben. „Jeder ist willkommen“, formuliert er, während andere mutmaßen, gleich vier Clan-Chefs seien ebenfalls da.

„Wir sind fast jeden Sonntag auf dem Fußballplatz“, sagt eine Zuschauerin (69). Nun steht immerhin ihr Schwiegersohn auf dem Feld, bei ihr mag aber das ungute Gefühl während der gesamten Spielzeit nicht weichen. „Ich fühle mich in Essen auch andernorts nicht wohl, schon in der Innenstadt habe ich Angst“, gesteht sie. Auch für ihre Tochter fühlt sich der Besuch auf dem Platz heute irgendwie anders an, deutlich angespannter - und das hat nichts mit dem Spiel zu tun. Vom Verein mag sich niemand mehr gegenüber der Zeitung äußern; es habe bereits zuvor eine Stellungnahme gegeben.

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Elfmeter - gehalten: Es ist das erste Heimspiel in Altenessen nach den Tumulten, nun spielen Al-Arz Libanon Essen und SpVg Schonnebeck II.
Elfmeter - gehalten: Es ist das erste Heimspiel in Altenessen nach den Tumulten, nun spielen Al-Arz Libanon Essen und SpVg Schonnebeck II. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Die eingangs erwähnte 36-jährige „Spielerfrau“ jedoch wäre lieber gleich zu Hause geblieben, habe ihren Mann sogar gebeten, nicht zu spielen. Die vergangenen Ereignisse haben sie nicht nur beeindruckt, sondern auch beschäftigt, sie hat sich vor der aktuellen Partie Fragen gestellt („Was passiert, wenn wir gewinnen?“, „Wie kippt dann die Stimmung?“). Sie habe gehört, die Polizei werde vor Ort sein. Obwohl, viele hätten ja selbst vor der keinen Respekt mehr. Gesehen habe sie ohnehin keinen Polizisten. Zwei Leute der Stadttochter RGE sind da. „Was sollen die denn machen“, fragt sie sich nun und hofft, dass es ruhig bleibt. Sei froh, wenn dieses Spiel endlich vorbei sein werde.

Wenig später folgen Abpfiff und Erleichterung. Beim Spielstand von 2:3. Schonnebeck gewinnt. Während die Spieler Richtung Kabinen gehen, kicken die Kinder davor unbekümmert weiter.

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