Essen. Die neue Steuerschätzung beschert dem Stadtkämmerer hohe Einnahme-Ausfälle. Der denkt an eine Bettensteuer, „wenn alle Stricke reißen“.
„Optimismus ist Pflicht“ – auf wen sollte diese Devise besser passen, als auf den Finanzchef einer chronisch klammen Stadt? Mit der jüngsten Steuerschätzung aber wird die Stadt Essen gerade von ihrem eigenen Optimismus eingeholt: Die Steuereinnahmen brechen spürbar ein, plötzlich fehlen zweistellige Millionenbeträge im Etat, und Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp muss der örtlichen Politik im Angesicht bevorstehender Wahlen einmal mehr seine Dauerwarnung ins Stammbuch schreiben: „Es gibt auf absehbare Zeit keine neuen finanziellen Spielräume.“
„Zurück auf Los“ heißt die Devise im Verwaltungsvorstand
So verkündete Grabenkamp es am Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss des Rates, und die Kollegen im Verwaltungs-Vorstand bekommen es dieser Tage zusätzlich schriftlich: „Zurück auf Los“, so wird sein Motto lauten, „jeder muss noch mal ran“, denn die bisherigen Anmeldungen für Ausgaben im Rahmen des geplanten Doppel-Haushalts der Jahre 2025 und 2026 sprengen augenscheinlich den verfügbaren Rahmen.
Hauptgrund für das plötzliche Einnahme-Loch ist die angesichts der konjunkturellen Entwicklung spürbar abgesackte Gewerbesteuer: 11,4 Millionen Euro fehlen allein in diesem Jahr, 2025 sind es 24,9 Millionen, 2026 gar 26,1 Millionen. Dabei hat der Herr der Zahlen die Etats ohnehin schon auf Kante genäht: Die Überschüsse liegen in allen drei Jahren in einem Korridor von gerade mal 2,5 und 4,5 Millionen Euro.
2024 helfen deutlich geringere Zinsausgaben als erwartet aus der Klemme
In diesem Jahr sieht die Lage gleichwohl noch ganz kommod aus, weil die Zinsausgaben für Kredite um fast zehn Millionen Euro niedriger liegen als errechnet. Ab dem nächsten Jahr aber wird‘s heikel, mahnt Grabenkamp, zumal sich Etat-Positionen wie Sozialausgaben oder der Personal-Etat nicht nennenswert verändern ließen. Gekürzt wird also absehbar an anderen Stellen: „Wir werden uns zur Decke strecken müssen.“
Natürlich ließen sich auch die Einnahmen erhöhen, und eine der naheliegenden Ideen kommt ausgerechnet aus einem Rats-Ausschuss, in dem Bürgerinnen und Bürger sonst eher Klagelieder anstimmen: Christiane Gregor von der Initiative „Gemeinsam für Stadtwandel“, einem Netzwerk für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, regt dort an, „zum schnellstmöglichen Zeitpunkt eine City Tax in der Stadt Essen für Touristen und Geschäftsreisende einzuführen“.
Die Bettensteuer, so rechnet eine Bürgerin vor, würde Millionen in die Kasse spülen
Zur Begründung führt sie an, damit ließen sich ohne großen Aufwand die ehrgeizigen Klimaziele im gesteckten und notwendigen Zeitrahmen erreichen. Und sie rechnet vor: Bei den im vergangenen Jahr gezählten 1,76 Millionen Übernachtungen und einer Übernachtungspauschale von drei Euro pro Nacht, kämen 5,28 Millionen Euro zusammen, bei vier Euro wären es schon über sieben Millionen. Und Essen, so Gregor, stünde ja nicht alleine da: Dortmund und Düsseldorf, Köln und Münster, Bonn und Wuppertal hätten ebenfalls eine Bettensteuer. Kurzum: „Das würde der Stadt Essen die notwendige Beinfreiheit geben, ihre hochgesteckten Ziele tatkräftig umzusetzen.“
Die Antwort, die Kämmerer Grabenkamp für die Sitzung des Ausschusses für Anregungen und Beschwerden formulieren wird, dürfte zunächste skeptisch klingen: „Ich bin kein Freund von Steuererhöhungen oder der Einführung neuer Steuern, wenn es eng wird“, sagte Grabenkamp auf Anfrage: „Das wäre mir zu einfach. Wir müssen erst unsere Ausgaben besser in den Griff bekommen.“ Zudem stehe den Einnahmen ja auch Aufwand gegenüber: Die IT müsste angepasst, die Steuer verwaltet werden, vier Kräfte, schätzt er, wären nötig. Zudem wolle man Essen ja auch als touristisches Ziel weiterentwickeln.
Und doch: „Wenn alle Stricke reißen, würde ich darüber nachdenken.“