Essen. Ehemalige trafen sich am Gymnasium Borbeck. Sie wundern sich über die heutigen Durchfallquoten. Und sagen, was sie über die Jahre zusammenhielt.
Am Freitagnachmittag herrscht noch reger Betrieb im Gymnasium Borbeck. Doch heute sind es keine Schüler, die die Räumlichkeiten des Gymnasiums mit Leben füllen. Stattdessen feiern hier ehemalige Abiturienten ihr 60-jähriges Jubiläum.
Der Abiturjahrgang 1964 der ehemaligen Jungenschule bestand aus den zwei Parallelklassen „Oberprima s“ (sprachlich) und „Oberprima n“ (naturwissenschaftlich). Insgesamt hatten damals 38 Schüler das Abitur bestanden. Nachdem diese im Jahr 1964 die Schule mit ihrem Abiturzeugnis verlassen haben, konnten jetzt ein paar von ihnen zurückkehren.
„Es ist ein Ausflug in die Vergangenheit“, sind sich die Altschüler einig. Gemeinsam mit ihren Ehefrauen haben sie sich in einem Klassenzimmer versammelt, um noch ein weiteres Mal die Schulbank zu drücken. Doch statt Lehrbücher und Schnellhefter schmücken jetzt Luftschlangen und Sektgläser die Tische. „Wir stoßen an auf einen ganz besonderen Tag!“, heißt es. Die Männer heben ihre Gläser für einen Toast in die Höhe.
Der Schulleiter begrüßt die Ehemaligen: „Willkommen zurück!“
„Willkommen zurück! Es ist eine großartige Idee, dass Sie anlässlich des Jubiläums nochmal Ihre alte Schule besuchen.“ Mit diesen Worten begrüßt Lars Schor, Schulleiter des „GymBo“, die Altschüler. Er hat sich vor der Tafel des Klassenzimmers positioniert und steht nun Rede und Antwort für die ehemaligen Abiturienten. Immer wieder hebt jemand die Hand und stellt Fragen zu aktuellen schulischen Angelegenheiten. Ganz besonders staunen die Ehemaligen über die niedrige Durchfallquote in den heutigen Abiturjahrgängen.
„Bei uns war das völlig anders“, erzählt Wolfgang Sykorra, Altschüler und ehemaliger Schulleiter des Gymnasiums Borbeck. „Das Lernpensum wurde ziemlich gedrängt. Es war schon sehr viel Druck, der auf den Schultern von uns Schülern lastete.“ Im Vergleich zu heute sei es wesentlich schwieriger gewesen, das Abitur zu bekommen. Einige Mitschüler hätten die Prüfungen nicht bestanden. Insgesamt sei die Schulzeit früher wesentlich härter gewesen, als man es sich heutzutage vorstellen könne. „Ich erinnere mich daran, wie unser Schulleiter morgens immer an der Eingangstür stand und jedem, der zu spät kam, eine Backpfeife gab. Oder wie einer meiner Lehrer mich zwang, das Vaterunser auf Latein zu beten“, berichtet ein anderer Altabiturient über seine Zeit als Schüler des „GymBo“.
Schauplatz Zeichensaal: Dort schrieben sie damals ihre Klausuren
Auf den Empfang im Klassenzimmer folgt ein Rundgang durch das Gymnasium – durch altbekannte Ecken und frisch renovierte Räumlichkeiten. Die letzte Station: Der kernsanierte Zeichensaal, in dem die ehemaligen Schüler 1964 ihr Abitur geschrieben haben. „Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich hier vor 60 Jahren meine Prüfung ablegte. Es war eine sehr entscheidende Zeit und der Grundstein für mein Leben“, erzählt Lothar Böning, Altabiturient und Vorsitzender der Lothar-Böning-Stiftung.
Die Stiftung, die sozial schwache Schüler des „GymBo“ unterstützen soll, feiert dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum. Im Jahr 2004 traf Lothar Böning bei einem Abiturtreffen auf seinen ehemaligen Schulkameraden Wolfgang Sykorra, der zu dieser Zeit noch Schulleiter des Gymnasiums Borbeck war. Gemeinsam mit ihm gründete er die Stiftung. „Die Schüler aus Bergeborbeck und Umgebung kommen häufig aus Familien, die finanziell schlecht aufgestellt sind. Auch ich komme aus solch einer Familie. Mit meiner Stiftung wollte ich dafür sorgen, dass jeder Schüler dieselben Chancen hat. Es war mir wichtig, der Schule, die mir so viel gegeben hat, auch etwas zurückzugeben“, erzählt Böning.
Die finanziellen Mittel konnte Lothar Böning dank seines Medizinstudiums und einer langjährigen Tätigkeit als Onkologe aufbringen. Dabei wollte er um die Zeit seines Abiturs eigentlich Ingenieur werden. „Meinen Eltern haben die finanziellen Mittel für mein Studium gefehlt. Ich bin dann erstmal zur Bundeswehr gegangen, um davon später mein Studium bezahlen zu können. Bei der Bundeswehr habe ich als Sanitäter gearbeitet und dadurch meine Liebe zur Medizin entdeckt.“
„Aus meiner Klasse haben 22 von 23 Jungen studiert, das war eine Seltenheit“
Mit der Änderung seines beruflichen Weges ist Lothar Böning eine Ausnahme in seinem Abiturjahrgang. Die meisten ehemaligen Schüler sind bei ihrem Berufswunsch aus der Schulzeit geblieben. Ganz vorne mit dabei: Der Lehrerberuf. Bemerkenswert sei außerdem, dass sich der Großteil für ein Hochschulstudium entschieden hat. „Aus meiner Abiturklasse haben 22 von 23 Jungen studiert. Das war wirklich selten für die damalige Zeit. Vor allem, weil Borbeck schon immer eine sozial schwache Gegend war“, erzählt der Altschüler Jochen Pannen. Er selbst habe sich auch für eine Lehrtätigkeit entschieden. „Ich wollte nie etwas anderes werden. Nach dem Abitur habe ich Musik, Mathematik und Physik auf Lehramt studiert. Anschließend war ich 43 Jahre lang Lehrer an derselben Schule.“
Neben der hohen Akademikerquote mache den Abiturjahrgang von 1964 aber noch etwas anderes außergewöhnlich: die tiefe Verbindung zwischen den ehemaligen Schülern. Obwohl das Abitur bereits Jahrzehnte her ist und der Großteil der Altschüler schon lange nicht mehr in Essen wohnt, seien sie doch immer in Kontakt geblieben. Der Grund dafür? Ihre Leidenschaft für den Fußball. „Unser gemeinsames Interesse für Rot-Weiss Essen hat unseren Jahrgang immer zusammengehalten. Vor zehn Jahren haben wir einem unserer Mitschüler sogar ein Stückchen Rasen des früheren Georg-Melches-Stadions geschenkt.“
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2034 soll die nächste Rückkehr zum Gymnasium Borbeck stattfinden. Dieses Mal dann zum 70-jährigen Abiturjubiläum. „Natürlich nur, wenn wir dann überhaupt noch leben“, scherzt ein Altschüler.
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