Essen. Auf dem Zeche-Carl-Areal in Altenessen hat ein nächtliches Feuer aufgeschreckt. Nun wollen viele helfen. Auch die Stadtspitze sucht nach Lösungen.
Schock, Entsetzen, tiefe Enttäuschung, so fielen die ersten Reaktionen aus, nachdem in der Nacht zum 20. April auf dem Gelände des Maschinenhauses Essen ein von Kindern und Jugendlichen gestalteter Kunstcontainer allem Anschein nach vorsätzlich in Brand geraten war, die „Wolke“. Zur Erschütterung kam freilich auch die Erleichterung: Niemand war bei dem Feuer zu Schaden gekommen. Und noch etwas Gutes zeichnet sich seither ab: Die Welle der Solidarität und Anteilnahme, die das Maschinenhaus momentan erreicht, ist riesig.
Sie reicht vom Landschaftsgärtner aus Kupferdreh, der Containerersatz angeboten hat, bis zu Menschen aus der Nachbarschaft, die beim Wiederaufbau einfach mitanpacken wollen. Die Sparkasse hat beim Aufruf einer Spendenkampagne mitgeholfen. Und wenige Tage nach dem Vorfall hat sogar eine große städtische Abordnung mit Oberbürgermeister Thomas Kufen an der Spitze den „Tatort“ in Altenessen besucht und Unterstützung versprochen.
Auf dem Maschinenhaus-Areal vis-à-vis der Zeche Carl sind sie gerade ziemlich überwältigt von den Hilfsangeboten. „Ein echter Energieschub“, sagt Annette Pfisterer über die ungewohnt große Aufmerksamkeit, die man doch viel lieber aus einem anderen Grund gehabt hätte. Seit 1985 wird das Maschinenhaus schließlich schon als Produktions- und Veranstaltungshaus von dem Kunstverein Carl Stipendium e. V. getragen. Vieles hat in diesem atmosphärischen Backsteinbau schon stattgefunden, von Tanz, Theater über Musik und Performance. Auch Familienfeiern.
Mit dem aktuellen Leitungsteam um Fabian Sattler, Annette Pfisterer, Jennifer Ewert und Till Beckmann etabliert sich das historische Gemäuer gerade als „Theater für kommende Generationen“. Anfang Juni steigt hier das große Jugendtheaterfestival „Westwind“. Eine Woche lang soll nicht nur Theater gespielt und geguckt, sondern gezeltet, gefeiert, geprobt und diskutiert werden. Das Maschinenhaus-Gelände bietet dafür Voraussetzungen, um die es viele andere städtische Bühnen beneiden. Zur atmosphärischen Location kommt hier noch viel Grün, viel unbebaute Fläche, viel Freiraum.
„Wir sind und bleiben dran!“, verspricht der Oberbürgermeister
Dass manche diesen offenen Ort ohne ständige Kontrolle in der Vergangenheit auch als Einladung für krumme Taten verstanden haben, ist kein Geheimnis. Schon vor dem Brand hat es Fälle von Vandalismus gegeben. Der abgefackelte Container ist der bislang traurige Höhepunkt. Ein Signal, das auch im Rathaus die Alarmglocken hat schrillen lassen. „Im Gespräch mit den Macherinnen und Machern rund um das Maschinenhaus haben wir darüber gesprochen, wie wir den Ort in Zukunft absichern wollen, damit es nicht mehr zu einem solchen Vandalismus kommen kann. Wir sind und bleiben dran!“, wird Kufen nach dem Ortstermin zitiert.
Mehr Geländepflege, regelmäßigere Müllentsorgung und mehr Beleuchtung auf dem Gelände könnten die Situation fürs Erste verbessern. Die Frage, wie man so einen freien Ort der Künste und der Begegnung absichern kann, ohne ihn gleich abzuschotten, könne aber nicht nur mit zusätzlichen Ordnungsdienst-Einsätzen beantwortet werden, findet der Maschinenhaus-Vorstand. Was dem für Altenessen so wichtigen Ort langfristig helfe, sei eine Strategie fürs gesamte Gelände, glaubt Annette Pfisterer. Das Gelände dürfe nicht sich selber überlassen werden, sondern benötige mehr Bespielung. Für die Leute vom Maschinenhaus wäre vieles vorstellbar – vom besonderen Abenteuerspielplatz bis zur Standesamt-Zweigstelle.
Viele Pläne für die Entwicklung des Zeche-Carl-Geländes
Pläne für die Entwicklung des gesamten Zeche-Carl-Geländes immerhin liegen längst vor. Eine Machbarkeitsstudie wurde bereits vorgestellt, nach wie vor laufen Baugrunduntersuchungen, um zu klären, welche Bauprojekte sich realisieren lassen. Die Pläne sind ehrgeizig, die Hoffnungen nach jahrelangem Stillstand groß. Die Stadtteilbibliothek soll aufs Gelände ziehen. Die auf Carl bereits angesiedelte Junior Uni soll neue Räume bekommen. Wann die Bagger tatsächlich anrollen, ist allerdings noch längst nicht ausgemacht. Und auch dann wird sich der Eindruck von Baustelle und Brache noch lange halten.
Im Maschinenhaus will man den Freiraum als Chance sehen. Es gehe ja nicht nur um umbaute Kubikmeter, sondern um die Aufenthaltsqualität. An schönen Tagen bekommt man einen Geschmack davon, wenn Hundebesitzer und Freizeitradler das Gelände erobern, Schauspieler und Zuschauer nach der Vorstellung noch zu einem zwanglosen Fußballkick antreten oder junge Besucher auf den Plätzen rund um das ehemalige Schachtanlagen-Gebäude einfach nur chillen.
Nicht warten, sondern machen, lautet deshalb das Motto von Maschinenhaus-Vorstand Fabian Sattler. Die breite Anteilnahme nach dem Brand habe jedenfalls gezeigt, „dass die Menschen verstehen, was wir hier machen“. Präsenz zeigen ist also angesagt. Dem Westwind-Festival folgt im Juli das beliebte Talentcampus-Format „Future City“, es wird Künstlerresidenzen geben, ein Gastspiel der Folkwang Musikschule, neue Produktionen für Kinder- und Jugendliche.
Viel Programm mit gerade mal anderthalb Personalstellen, die natürlich keine kontinuierliche Bespielung ermöglichen können. „Alles, was hier passiert, ist idealistisch motiviert“, sagt Annette Pfisterer. Schon deshalb ist die Solidarität mehr als ein Trostpflaster. Es ist der Motor, weiterzumachen.
Hier geht es zum Spendenkonto für den Wiederaufbau: https://www.betterplace.org/de/projects/136510
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