Essen. Im Wahlamt am Kopstadtplatz beginnt die heiße Phase der Vorbereitungen für den 9. Juni. Briefwahl zu beantragen, wird einfacher denn je
Zwei Jahre lang hatten sie Ruhe: keine Wahl, kein Bürgerentscheid, kein Zählmarathon bis tief in die Nacht. In diesen Tagen aber beschleunigt das Räderwerk im städtischen Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen wieder auf eine höhere Tourenzahl, denn die Europawahl steht an. Am Freitagabend wurde das Wählerverzeichnis erstellt, und das spuckt für den Wahltag am 9. Juni exakt 408.697 Essener Wahlberechtigte aus. Die bekommen in den nächsten Tagen alle Post.
Ein personalisierter QR-Code macht den Antrag zur Briefwahl für die Europawahl zum Kinderspiel
Die Stadt setzt bei der Wahlbenachrichtigung erstmals allerdings buchstäblich nicht alles auf eine Karte. Denn die ging bei vielen Bürgerinnen und Bürgern offenbar allzu oft im Reklamewust unter und musste ohnedies ziemlich viel sehr sehr klein Gedrucktes enthalten, um das Format DIN A6 einhalten zu können. Jetzt gibt‘s einen Brief, der, so hofft Guido Mackowiak vom Wahlamt, vielleicht besser wahrgenommen wird. Lesbarer gestaltet ist er allemal.
Und er macht die Briefwahl einfacher denn je: Auf der Rückseite der Wahlbenachrichtigung ist erstmals ein personalisierter QR-Code für den Empfänger ausgedruckt. Wer diesen scannt, im dann aufklappenden Formular noch sein Geburtsdatum einträgt und das Ganze online abschickt, hat seinen Briefwahlantrag bereits eingereicht. Nicht zuletzt wegen dieser Vereinfachung rechnen sie im Wahlamt mit einem spürbaren höheren Anteil von Briefwählern als 2019. Damals gaben etwas mehr als 27 Prozent der Wahlberechtigten per Brief ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung lag unterm Strich bei knapp unter 60 Prozent.
Drei Essener Namen auf dem 80 Zentimeter langen Stimmzettel zur Europawahl
So ganz vergleichbar sind die Zahlen von damals mit denen anno 2024 gleichwohl nicht, denn es gibt eine weitere Neuerung: Erstmals wird das Mindestalter zur Teilnahme von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Welchen Zuspruch diese zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament bekommt, lässt sich ebenfalls schwer einschätzen. Lokalmatadoren stehen dabei anders als bei anderen Wahlen allenfalls im Hintergrund.
Auf dem gut 80 Zentimeter langen Stimmzettel, der für jede der 34 Parteien maximal die ersten zehn Kandidaten auf der Liste nennt, finden sich nur drei Essener: der langjährige SPD-Europa-Abgeordnete Jens Geier (62) aus Rüttenscheid, der auf der bundesweiten Liste der Genossen auf Rang 2, gleich hinter Spitzenkandidatin Katarina Barley platziert wurde, dann der Volt-Kandidat Sahak Ibrahimkhil und schließlich der Listenführer der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), Patrik Köbele aus Altenessen.
Spannend wird der Urnengang dennoch, gilt er doch trotz der mit Vorsicht zu genießenden Experimentierfreude der Wählerschar durchaus als Gradmesser gleich für zwei Wahlen im Herbst nächsten Jahres: für die Bundestagswahl, aber auch für die Kommunalwahl. Und dort nicht zuletzt mit Blick auf das Abschneiden der „Alternative für Deutschland“ (AfD).
Vor fünf Jahren rutschten die örtlichen Sozialdemokraten erstmals auf den dritten Platz
Den Urnengang von vor fünf Jahren haben vor allem die Sozialdemokraten in ausgesprochen schlechter Erinnerung: Mit einem Stimmenanteil von 20,9 Prozent landeten sie damals zum ersten Mal bei einer Wahl in Essen nur auf dem dritten Platz – hinter der CDU (23,4 %) und den begeisterten Grünen (22,8 %). Anders als die CDU mit dem Essener Bewerber Jens Geier erneut im EU-Parlament vertreten zu sein, war da für die Genossen ein schwacher Trost.
Dies zumal da noch ein Ex-Sozi die Stimmung zusätzlich verhagelte: Guido Reil, von der SPD zur AfD übergelaufener Kumpel aus dem hohen Essener Norden schaffte damals den Einzug ins EU-Parlament. Bei der Kandidatenkür für die jetzt anstehende Europawahl scheiterte er allerdings gegen parteiinterne Konkurrenz und peilt nach eigenem Bekunden nun einen Sitz im Stadtrat oder im Bundestag an.
Schon ab dem 6. Mai ist im Rathaus am Porscheplatz die Direktwahl möglich
Von den diesmal 720 zu vergebenden Abgeordneten-Plätze im Europäischen Parlament (15 mehr als 2019) sind 96 für deutsche Abgeordnete reserviert. Wählen können dabei übrigens auch die hier lebenden Unionsbürger aus den 26 übrigen EU-Staaten, die sich entscheiden müssen: Sie können entweder in Ihrem Herkunftsland, aus dem Ausland oder in dem Mitgliedstaat der EU ihre Stimme abgeben, in dem Sie leben. Unter Umständen müssen Sie sich dafür ins Wählerverzeichnis eintragen lassen.
Die größte Gruppe stellen (Stand Ende 2023) die Polen mit 20.508 Personen (nicht Wahlberechtigte!), gefolgt von den hier lebenden Rumänen (5969), Italienern (4687), Griechen (4270), Kroaten (3660), Bulgaren (3508) und Spaniern (3125). Und wer immer da votiert, ob Deutscher oder EU-Bürger, muss weder bis zum Wahltag warten, noch auf die Briefwahl-Unterlagen, so fix die auch kommen: Ab dem 6. Mai ist montags bis freitags von 8.30 bis 16 Uhr im Rathaus die Direktwahl möglich.
Die Stimmzettel sind schon da.