Essen-Bredeney. Das denkmalgeschützte Haus in Essen-Bredeney besteht 100 Jahre, ab 1. Mai wird gefeiert. Wie es mit der Villa weitergeht, ist ungewiss.

Wer die Villa Kampschulte in Essen-Bredeney betritt, fühlt sich zurückversetzt in eine andere Zeit. Das denkmalgeschützte Gebäude steht seit 100 Jahren für ein Stück Stadt- und Familiengeschichte. Das Jubiläum soll mit einer Kunstausstellung am Mittwoch, 1. Mai, 12 bis 20 Uhr, gefeiert werden. Dabei ist die Villa keineswegs ein Museum, sondern vor allem das Zuhause der Familie Kampschulte.

Riesig groß, hohe Decken, aber auch ein bisschen düster und geheimnisvoll: „Das Gebäude zeugt vom damaligen Zeitgeschmack“, erklärt Anne Kampschulte, Künstlerin und Enkelin des ersten Essener Oberbürgermeisters nach dem Zweiten Weltkrieg, Hugo Rosendahl. Sie ist in dem Haus aufgewachsen und ihm bis heute eng verbunden.

Die Villa Kampschulte in Essen-Bredeney wird 100 Jahre alt

Die Wände des 1924 bis 1926 erbauten Hauses an der Graf-Bernadotte-Straße 15 sind teils mit dunklem Holz vertäfelt, passend zum Holz von Schränken und dem des wuchtigen Schreibtisches im sogenannten Herrenzimmer. Bis heute wohnen in dem seit 1989 denkmalgeschützten, inzwischen stark renovierungsbedürftigen Gebäude Rosendahls Tochter Ursula Kampschulte (94), Rolf Mrotzek, ein Freund der Familie, Sohn Michael Kampschulte und abwechselnd die Töchter Anne und Christiane Kampschulte, die ansonsten in Spanien leben.

Die Bildhauerin Anne Kampschulte (66) hat vor zwei Jahren ein Buch über die Geschichte ihres Elternhauses veröffentlicht. Sie organisiert in regelmäßigen Abständen Ausstellungen, Konzerte und Lesungen in der Villa.

Die Räume sind noch weitgehend wie vor 100 Jahren eingerichtet.
Die Räume sind noch weitgehend wie vor 100 Jahren eingerichtet. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Den Bau des Hauses hatte damals der Geschäftsmann Offermann beim Architektenbüro Eggeling und Schäfer in Auftrag gegeben. „Es gibt ein fast baugleiches Bruderhaus an der Alfredstraße 213, das Offermann und die Architekten damals wohl gemeinsam nutzten. Das steht nicht unter Denkmalschutz und ist inzwischen renoviert“, hat Anne Kampschulte im Zuge der Recherchen für ihr Buch „Villa Kampschulte – Menschen Kultur Geschichte“ erfahren.

Der erste Essener Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg wohnte in der Villa Kampschulte

Die Familie Offermann konnte das Haus unweit des Bredeneyer Stadtteilzentrums nur knapp fünf Jahre bewohnen, da das Familienoberhaupt plötzlich mit 50 Jahren starb. Hugo Rosendahl, der Großvater von Anne Kampschulte und ihren Geschwistern, kaufte die Villa von der Bank und bezog sie 1933 mit seiner Frau und den sechs Kindern, nachdem er durch die Nationalsozialisten aus seinem Oberbürgermeisteramt in Koblenz zwangsweise in den Ruhestand entlassen wurde, berichtet seine Enkelin.

Bis 1945 war Rosendahl als Rechtsanwalt tätig, bevor er von den US-Besatzungstruppen als erster Essener Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde. Später leitete er die Geschicke der Stadt als Oberstadtdirektor und Chef der Stadtverwaltung bis 1950. „Die Villa spiegelt so auch die Essener Geschichte“, sagt Anne Kampschulte, die bereits ein weiteres Buch plant und sich zur Jubiläumsausstellung auf den Besuch der Stadtspitze freut.

In  der Mitte des alten Familienfotos ist der Großvater von Anne und Christiane Kampschulte, Hugo Rosendahl, erster Oberbürgermeister von Essen nach dem Zweiten Weltkrieg, zu sehen. Links daneben seine Tochter Ursula Kampschulte, heute 94.
In der Mitte des alten Familienfotos ist der Großvater von Anne und Christiane Kampschulte, Hugo Rosendahl, erster Oberbürgermeister von Essen nach dem Zweiten Weltkrieg, zu sehen. Links daneben seine Tochter Ursula Kampschulte, heute 94. © FUNKE Foto Services | Repro: Klaus Pollkläsener

Die Villa blieb auch nach dem Tod von Hugo Rosendahl 1964 in Familienbesitz. Ursula Kampschulte, die jetzt fast 90 Jahre dort lebt, und ihr Ehemann Rainer Maria Kampschulte (gestorben 2001) übernahmen das Gebäude 1984.

„Mein Großvater hatte mit dem Bau der Villa nichts zu tun, er hat sie komplett mit Mobiliar übernommen“, sagt Anne Kampschulte. Bis heute steht, liegt oder hängt in jeder Ecke des weitläufigen Gebäudes etwas, das an die Vergangenheit erinnert: Bilder, Lampen, Möbel, Geschirr, Instrumente, persönliche Erinnerungsstücke.

Die Geschwister Kampschulte kümmern sich gemeinsam um die Mutter und das Haus

„Ich habe die Idee, alle Möbel und Gegenstände, die später dazugekommen sind, auszumisten und hier wieder mehr Raum zu schaffen. Aber dazu bedarf es der engen Abstimmung mit meinen Geschwistern“, sagt Anne Kampschulte. Insgesamt seien sie sechs Geschwister gewesen, heute leben noch fünf im Alter von Ende 50 bis Ende 60, die sich gemeinsam um ihr Elternhaus und die inzwischen pflegebedürftige Mutter Ursula Kampschulte kümmern.

Früher wurden in der Villa an der Graf-Bernadotte-Straße in Bredeney viele Feste gefeiert.
Früher wurden in der Villa an der Graf-Bernadotte-Straße in Bredeney viele Feste gefeiert. © FUNKE Foto Services | Repro: Klaus Pollkläsener

Beim Bau des repräsentativen Hauses mit rund 600 Quadratmetern Wohnfläche spielten nicht nur die Künstler- und Architektenvereinigung Werkbund und der Folkwang-Gedanke (Kunst für alle, die Belebung der Industrieregion durch Kunst und Kultur) eine Rolle, sondern auch Elemente der architektonischen Strömungen Art Deko und Bauhaus.

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„Stilistisch lässt sich die Villa nicht fest einordnen. Im Inneren befinden sich unerwartete Raumelemente wie fast sakral anmutende Gewölbe in Fluren und Treppenhaus“, beschreibt Anne Kampschulte das Gebäude. Das soll nach ihrer Idee künftig unter dem Begriff „Kulturvilla Kampschulte“ firmieren und neben Kultur vielleicht auch Gesundheitsangebote beherbergen. Man wolle alles tun, um das Haus mit großem Garten, nur wenige hundert Meter von der Villa Hügel entfernt, für die Essener Bevölkerung und nachfolgende Generationen der Familie zu erhalten. Immerhin hat Ursula Kampschulte zahlreiche Enkel und sogar schon Urenkelkinder.

Am denkmalgeschützten Gebäude besteht großer Renovierungsbedarf

Die Geschwister wollen dem durch Bergschäden in ziemliche Schieflage geratenen Gebäude eine Zukunft geben und den ansonsten drohenden Verkauf des Hauses verhindern, denn für die Familie ist das Haus mit seinen 28 Zimmern heute Segen und Fluch zugleich. Rohre, Dach und Elektrik sind, abgesehen von der Küche, noch weitgehend von 1924. „Vieles hat der Mann meiner Schwester, der Elektriker von Beruf ist, repariert. Sogenannte Schleppleitungen haben wir mit Hilfe eines Architekten selbst verlegt. Aber das Wasser macht uns immer wieder zu schaffen, es kommt von oben durchs Dach und drückt von unten in den Keller.“

Die Villa Kampschulte, die architektonisch unter anderem Bauhaus- und Art-Deko-Elemente aufweist, steht seit 1989 unter Denkmalschutz.
Die Villa Kampschulte, die architektonisch unter anderem Bauhaus- und Art-Deko-Elemente aufweist, steht seit 1989 unter Denkmalschutz. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Am Mittwoch, 1. Mai, 12 bis 20 Uhr, findet in Haus und Garten der Villa Kampschulte die Jubiläumsausstellung statt. Mit dabei sind 40 Künstlerinnen und Künstler, die seit 2013 dort ausgestellt oder an Veranstaltungen mitgewirkt haben. Sie präsentieren ihre Werke und bieten sie zum Verkauf an. Für Speisen und Getränke sei gesorgt, unter anderem gebe es afghanisches Essen und Fingerfood von Monira Wali gegen Spenden für eine Mädchenschule in Afghanistan.

Der Flur des Gebäudes erinnert mit der Gewölbedecke an eine Kirche.
Der Flur des Gebäudes erinnert mit der Gewölbedecke an eine Kirche. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Folgende weitere Veranstaltungen sind bisher im Jubiläumsjahr geplant: 18. Mai bis 9. Juni: Invisible Reality - Innovation in der Kunst: Jürgen S. Kleinert, Malerei, und Joachim Leonhardt, Fotokunst. 26. Mai, 19 Uhr: Konzert: Duo Händl & Grantl / Lou Portuondo (Voc) und Jürgen Koch (Piano). 15. Juni bis 6. Juli: Stille erleben - zwischen Malerei, Plastik und Zeichnung. 24. August bis 14. September: Ausstellung mit Pia Bohr, Bronzeskulpturen, Gisa Möller, Malerei, Wilfried Weiß, Grafik und Malerei. 1. September: Jazz-Weltmusik mit Ilse Storb, Jürgen Koch. 20. und 21. September: Kunstspur Essen. Die Ausstellungen im November und Dezember sind noch in Planung. 18. Januar bis 9. Februar 2025: Ausstellung 100 Jahre Villa Kampschulte und 40 Jahre Fotokunst Holger Gravius.

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