Essen. Die jüngste Bilanz des Essener Staatsschutzes zeigt: Über die Hälfte politisch motivierter Straftaten wird der rechten Szene zugerechnet.
Weniger extremistische Straftaten insgesamt, eine mit über 50 Prozent im Landesvergleich überdurchschnittlich gute Aufklärungsquote und der Befund, dass sich die rechte Szene in Essen nach wie vor nicht etablieren konnte, obwohl auf deren Konto einmal mehr mit großem Abstand die meisten staatsschutzrelevanten Delikte gehen: Dies sind zentrale Erkenntnisse aus der Bilanz zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) des vergangenen Jahres, die die Polizei Essen am Mittwoch öffentlich gemacht hat.
Darunter war in 2023 keine einzige herausragende Straftat wie noch im Jahr zuvor: Der im mutmaßlich letzten Moment vereitelte Sprengstoff-Amoklauf eines 17-Jährigen am Borbecker Don Bosco-Gymnasium etwa oder der Anschlag auf das Rabbinerhaus neben der Alten Synagoge in der Innenstadt - sie sind Geschichte, aber dennoch in Erinnerung.
Insgesamt kam es im Jahr 2023 im Zuständigkeitsbereich der Polizei Essen als Kriminalhauptstelle zu insgesamt 377 Straftaten, die als politisch motiviert eingestuft worden sind. Das waren 37 Delikte weniger als im Jahr zuvor. 244 davon ereigneten sich in Essen, der Rest Mülheim und Oberhausen.
In der Mehrzahl kam es zu Körperverletzungsdelikten
218 und damit die mit Abstand meisten Verfahren rechnen die Ermittler der rechten Szene, 36 dem linken Spektrum zu. 15 gelten als ausländisch und sieben Delikte als religiös-ideologisch motivierte Straftaten. Rund 101 Sachverhalte aus allen drei Städten waren keiner dieser Kategorien zuzuordnen.
- Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!
In sechs Fällen war bei der politisch motivierten Kriminalität in Essen Gewalt im Spiel, bei denen es sich in der Mehrzahl um Körperverletzungsdelikte handelte. Zum Vergleich: In den Jahren der Pandemie und der Coronaproteste registrierte die Polizei zehn beziehungsweise 14 dieser Straftaten im Stadtgebiet, gefolgt von Widerstandshandlungen vor allem bei den Versammlungen auf der Straße.
Als positive Tendenz gegen den Landestrend bezeichnen Essens Staatsschützer neben der gesunkenen Zahl von Delikten insgesamt einen leichten Rückgang bei der sogenannten „PMK rechts“ bei einer gleichzeitig auf über 53 Prozent gestiegenen Aufklärungsquote. Weder Kleingruppen noch Einzelpersonen dieses Spektrums sei es gelungen, sich stärker zu organisieren und feste Strukturen zu etablieren, heißt es.
Die Polizei ermittelt offen und verdeckt
Auf dem Kieker haben die Behörden nach wie vor auch die „Steeler Jungs“, die sie neben der Bruderschaft Deutschlands als die „wichtigste Gruppierung“ innerhalb der rechtsextremistischen Mischszene NRWs bezeichneten. Doch die früher häufigen „Spaziergänge“ mit Versammlungscharakter seien inzwischen Treffen kleinster Gruppen im Stadtteil gewichen, sagt Polizeisprecher Matthias Werk: Ein öffentlichkeitswirksames Auftreten vergangener Tage sei nicht mehr festzustellen. Und die Straftaten aus dem linken Lager Essens haben sich binnen eines Jahres mehr als halbiert: 25 Delikte wurden bekannt.
Gern gelesen in Essen
- Neue Therapie: Wenn das innere Kind die Psyche krank macht
- Tränen getrocknet: Essener Buchhandlung Proust gerettet
- EM-Stimmung: Achim (68) macht Essener Straße zum Fahnenmeer
- Gruga-Sommerkirmes in Essen: Diese Fahrgeschäfte sind dabei
- Projekt Rüttenscheid von „Essen diese“: Headliner steht fest
Hatten die Essener Ermittler bei den ausländisch motivierten Vergehen in 2022 gegenüber noch einen Sprung von acht auf 15 Taten notiert, gingen sie im vergangenen Jahr um fünf Fälle zurück. Es sei in diesem Zusammenhang zu Körperverletzungen, Beleidigungen, Nötigung, Volksverhetzung und Sachbeschädigung gekommen.
Für fünf registrierte Straftaten war im vergangenen Jahr religiöse Ideologie der Nährboden, drei waren es im Jahr zuvor, elf in 2021, was für die Ermittler ein Zeichen war und ist, dass Salafisten und Islamisten nach wie vor aktiv sind, auf Straßen, im Internet und über soziale Medien insbesondere Jugendliche und Heranwachsende umwerben. Die Polizei ermittle offen, aber auch verdeckt gegen deren Umtriebe.
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]