Essen-Kettwig. Heimatgeschichte kann total spannend sein, wenn es nicht um pure Jahreszahlen geht. Die Kettwigerin Gerti Wißler weiß, wie es geht.
Die quirlige kleine Ratte im Wandererlook, genannt Rudolphus vom Mühlengraben, kennen ganz viele Mädchen und Jungen in Kettwig. Regelmäßig leiht Stadtführerin Gerti Wißler der pelzigen Handpuppe Stimme und Hand, damit junge Menschen ihre Heimat besser kennen lernen: die Altstadtgassen, den Mühlengraben, die Ruhr, die Kirchen. Bevor es jedoch losgeht, kommt Rudolphus in die Kita bzw. Schule, um auf den Spaziergang vorzubereiten.
Zum Beispiel sind Gerti Wißler und Ratte Rudolphus in der Evangelischen Kita an der Arndtstraße in Kettwig vor der Brücke. Dort stehen die Vorschulkinder Jill, Ida, Tara, Selin, Hannes und Felix in einer „Zeitkapsel“ und denken sich zurück in die Eiszeit. Wie sah es damals in Kettwig aus? Rudolphus berichtet von mächtigen Mammuts, die durchs Ruhrtal stapften, überall gab es dichte Wälder. Dazu passend dürfen die Mädchen und Jungen kleine Mammut-Figuren auf einer Landkarte platzieren.
Brücke über die Ruhr in Kettwig wurde teilweise abgebaut
Später lösen Mini-Fachwerkhäuser, eine Kirche, Schlösser, eine Brücke und Schafe, die sich jeweils in kleinen Kartons und Boxen verstecken, die Wildtiere auf der Landkarte ab. Währenddessen spricht Rudolphus von Bauern, die das Land rodeten und sich zuerst an der Ruhr ansiedelten, und von Handwerkern wie dem Schmied. Adelige in ihren Schlössern führten später untereinander Kriege, weshalb eine Brücke über die Ruhr erst gebaut und dann teilweise wieder abgerissen wurde. Er berichtet von den Webern und Tuchfabriken und erklärt, wie aus der geschorenen Wolle Stoffe entstehen.
„Und warum heißt Kettwig überhaupt Kettwig?“ Mit der Antwort lässt Rudolphus nicht lange auf sich warten. „Kettwig entstand aus Katwig und darin steckt Katze“, erklärt Gerti Wißlers Handpuppe. „Neben Wildschweinen gab es an der Ruhr früher sehr viele Wildkatzen, insbesondere Luchse.“ Und die Endung „wig“ bedeute geschützte Stelle.
Stadtführerin hat extra eine Landkarte von Kettwig gestaltet
Eine gute Stunde dauert der Ausflug in die Kettwiger Heimatgeschichte, der immer wieder interaktiv gestaltet ist – mit Fragen an die Kinder und Aktionen auf der Landkarte. Diese Karte hat Gerti Wißler vor einiger Zeit selbst gestaltet und laminiert, ebenso wie die vielen anderen Gegenstände, die von den Kindern aus den nummerierten Boxen geholt werden. „Die Spielzeug-Häuschen hatten wir noch zuhause“, sagt die ehemalige Erzieherin schmunzelnd.
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Dass sie sich nicht an Jahreszahlen entlang hangelt, sondern immer wieder aus der Lebens- und Erfahrungswelt der Kinder schöpft, habe seinen Grund. „Führungen mit Rudolphus mache ich ja schon seit einigen Jahren“, berichtet Gerti Wißler. Aber Kinder wie Erwachsene seien bei den Stadtrundgängen schnell abgelenkt, schauten sich die Gegend an. „Verständlich, da kann man ganz spannende Dinge erzählen, aber irgendwann sind die Leute gedanklich nicht mehr dabei.“
Besuche in Kitas, Grundschulen und auch im Gymnasium
Um den Kindern einen Grundstock an Heimatgeschichte mit auf den Weg zu geben, bevor es raus in die Stadt geht, habe sie sich dieses Konzept überlegt. Nach der Coronapause ist sie inzwischen wieder regelmäßig zu Besuch in den verschiedenen Kettwiger Kitas sowie in den Grundschulen. „Auch ins THG bin ich schon eingeladen worden. Dort kannten mich die Fünfklässler schon aus ihrer Grundschulzeit“, freut sich die Stadtführerin.
„Ich war das erste Mal live dabei und finde das Konzept ganz toll“, ist Kita-Leiterin Marcella Reick-Sorrentino begeistert. Sie habe selbst auch noch was dazugelernt. „Und die Idee mit der Handpuppe ist wirklich genial.“
Am Schluss wird das Bilderbuch mit Rudolphus verteilt
Die Erfolgsgeschichte des pelzigen Geschichtenerzählers gibt es auch als kleines Buch. Der Heimat- und Verkehrsvereins (HVV) Kettwig hat das quadratische Bilderbuch mit dem Titel „Mit Rudolphus vom Mühlengraben in Kettwig unterwegs“ Ende 2022 herausgebracht. Texter Thorsten Trelenberg und Illustratorin Birgitta Nicolas zeichneten dafür verantwortlich.
Gerti Wißler verteilt das Bilderbuch an die Vorschulkinder. Bei der Stadtführung, die bei trockenem Wetter am Donnerstag (18. April) stattfinden soll, kann die Kakadu-Gruppe damit dann eine kleine Schnitzeljagd gestalten.
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