Essen. Hauptverhandlung beginnt am 12. Juli. Die Vorwürfe: Urkundenfälschung, unbefugter Gebrauch akademischer Grade und Betrug nun in 28 Fällen.
Im zweiten Anlauf soll dem mutmaßlichen Schummel-Doktor der Universität Duisburg-Essen jetzt der Prozess gemacht werden. Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat eine neue Anklage eingereicht. Wie das zuständige Amtsgericht Duisburg mitteilt, werden dem Angeklagten nun „Urkundenfälschung, unbefugter Gebrauch akademischer Grade und Betrug“ in insgesamt 28 Fällen zur Last gelegt. Zur Erinnerung: In der vor genau einem Jahr eingereichten Anklageschrift war noch von 29 Fällen die Rede gewesen.
Einen Vorwurf aus der alten Anklageschrift vom April 2023 hat man fallen lassen. Darin hatte es noch geheißen, er habe sich im Jahr 2000 „unter Vorlage eines gefälschten Zeugnisses beim Schulamt der Stadt Duisburg als Lehrkraft beworben und seine Einstellung erreicht“.
Der Angeklagte war Islamberater des NRW-Schulministeriums
Der Angeklagte hatte seinen Arbeitsplatz zwar auf dem Campus Essen am Institut für Turkistik, aber ausschlaggebend für den Ort der Gerichtsverhandlung ist sein Wohnort in Duisburg. Vier Verhandlungstage hat das Gericht für diesen Fall anberaumt. Der Prozessauftakt ist am 12. Juli, die Fortsetzungstermine für die Hauptverhandlung sind am 26. Juli, 14. und 23. August.
Der Fall des Schummel-Doktors war im Sommer 2021 aufgeflogen. Die Tageszeitung „Welt“ hatte damals zuerst über den Skandal berichtet. Er soll seinen Doktortitel an der Goethe-Universität in Frankfurt erhalten haben. Doch auf Anfrage dieser Zeitung teilte die Universität damals mit, dass für eine Promotion keine Unterlagen vorlägen.
Seit 2021 haben die Ermittler in akribischen Recherchen nahezu jedes Detail seines beruflichen Werdegangs untersucht und sich jeden seiner mutmaßlichen Bildungsabschlüsse ganz genau angesehen.
In der Anklageschrift zeichnet die Staatsanwaltschaft das Bild eines notorischen Hochstaplers und vorsätzlichen Tricksers mit erheblicher krimineller Energie. Unmittelbar vor seiner Enttarnung hatte der Mann mit türkischem Migrationshintergrund als angesehener und geschätzter Islamberater für das NRW-Schulministerium in Düsseldorf gewirkt. Der Fall wurde zum Politikum, selbst der Landtag beugte sich über die Schummel-Posse.
In der sechs Punkte umfassenden Anklageschrift wird deutlich, dass die Anfänge der Schummelei fast 15 Jahre zurückreichen. Der Angeklagte sei zunächst beim Schulamt der Stadt Duisburg als Lehrkraft angestellt gewesen. Im Jahr 2009 soll er sich bei der Bezirksregierung Düsseldorf als Studienrat im Beamtenverhältnis beworben haben. Dabei soll er „gefälschte Zeugnisse über das Bestehen der Ersten sowie der Zweiten Staatsprüfung“ vorgelegt und damit seine Übernahme in das Beamtenverhältnis erreicht haben.
Betrugsvorwurf: In zwölf Jahren erhielt er Brutto-Bezüge von 711.090,34 Euro
Um das Ausmaß des möglichen Betrugs zu verdeutlichen, führt die Anklageschrift die zwischen 2009 und 2021 geleisteten Gehaltszahlungen auf. Danach lagen die Brutto-Bezüge in diesen zwölf Jahren bei 711.090,34 Euro (507.901,45 Euro netto). Die Höhe der Bezüge und somit das Ausmaß des möglichen Betrugs sind enorm wichtig für das spätere Strafmaß.
Im Jahr 2017 soll sich der Angeklagte - zum Zwecke der Qualifizierung - bei der Universität Duisburg-Essen auf eine Stelle als abgeordnete Lehrkraft beworben haben. Dabei soll er ein gefälschtes Zeugnis über das Bestehen der Zweiten Staatsprüfung sowie eine gefälschte Dissertationsbescheinigung vorgelegt haben.
Zwei Jahre später soll es der Angeklagte erneut versucht haben: Beim Orient-Institut Istanbul soll er sich unter Vorlage gefälschter Zeugnisse über seine Erste und Zweite Staatsprüfung sowie unter Benutzung des Titels „Dr.“ auf eine ausgeschriebene Stelle beworben haben - dieses Mal sogar als Direktor des Instituts.
Keine Dissertation: Aber in den Lebensläufen tauchen „Dr.“ und „Prof.“ auf
Weiter geht‘s im Jahr 2020 - dieses Mal bei der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen: Um als Lehrbeauftragter für die Module Politikwissenschaft und Soziologie angenommen zu werden, soll er in seiner Bewerbung erneut getrickst haben: Er soll ein gefälschtes Zeugnis über das Bestehen der Zweiten Staatsprüfung sowie eine gefälschte Dissertationsbescheinigung vorgelegt haben. Ferner habe er sich in den Lebensläufen mit den Titeln „Dr.“ und „Prof.“ geschmückt.
Weil die Bewerbung erfolgreich war, übernahm er bei der Polizei-Hochschule am Studienort Hagen einen Lehrauftrag für den Zeitraum vom 8. September 2020 bis zum 11. Mai 2021. Mit Schreiben vom 16. Juni 2021 war dem Angeschuldigten noch ein weiterer Lehrauftrag für das Modul „Politikwissenschaft“ erteilt worden. Doch dann wurde er enttarnt, die Hochschule zog die Notbremse und widerrief den Lehrauftrag am 5. Juli 2021.
Die Unterrichtsvergütung für die beiden Kalenderjahre habe sich laut Anklage auf zusammen 2572,80 Euro belaufen.
Bei Vorträgen und Moderationen gab er sich als Professor aus
Die Schummel- und Hochstapler-Vorwürfe beziehen sich nicht nur auf Bewerbungen. Der Angeklagte soll auch bei verschiedenen Gelegenheiten wie etwa Preisverleihungen, Vorträgen und Moderationen den Doktor- und Professoren-Titel geführt haben - „ohne berechtigt zu sein, diese Titel zu führen“, wie das Gericht hinzufügt.
Der Vorwurf des Betrugs beruhe darauf, dass dem Angeschuldigten bewusst gewesen sein soll, dass er die Tätigkeit im Beamtenverhältnis sowie seine Tätigkeit als Lehrbeauftragter bereits mangels formaler Qualifikation nicht hätte ausüben dürfen und er dennoch die entsprechenden Gehalts- und Besoldungszahlungen sowie Unterrichtsvergütungen vereinnahmt habe.
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]