Essen. Die Buchhandlung im Stadtteil Heisingen hat Insolvenz angemeldet. Doch es gibt einen Interessenten für eine Übernahme.

Nach mehr als drei Jahrzehnten vor Ort droht der „Heisinger Buchhandlung“ im gleichnamigen Stadtteil im Essener Süden das Aus. Unter dem Aktenzeichen „161 IN 49/24“ ist Anfang des Monats beim zuständigen Amtsgericht das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das geht aus den amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts hervor.

Die „Heisinger Buchhandlung“ gibt es seit mehr als 30 Jahren im Herzen des Dorfkerns; vor knapp 20 Jahren hatte den Betrieb Frank Schulte-Bockholt übernommen. In den Anfangsjahren gab es mehrere Angestellte; heute beschäftigt Schulte-Bockholt noch eine einzige Mitarbeiterin.

Insolvenzverwalterin: „Betrieb läuft weiter und soll nicht unterbrochen werden“

Es gibt aber durchaus berechtigte Hoffnung, dass der Betrieb weiterläuft: „Es gibt einen Interessenten, der das Geschäft übernehmen könnte“, berichtet Anwältin Frauke Heier, die zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt wurde. „Der Betrieb läuft auch derzeit regulär weiter und soll möglichst nicht unterbrochen werden.“

Die Anwältin deutet an, dass die Umsatzzahlen bereits seit längerem deutlich zurückgegangen sind. Dabei hat die kleine „Heisinger Buchhandlung“ stets auch eine relativ gut sortierte Kinder- und Jugendbuchauswahl im Programm – das liegt an den vielen jungen Familien im Stadtteil. Heisingen gilt ohnehin als bildungs- und somit leseaffin: Direkt neben der Buchhandlung, im Alten Rathaus, betreiben Ehrenamtliche seit Jahren eine Stadtteil-Bibliothek auf eigene Faust. Das Modell ist einzigartig im ganzen Stadtgebiet.

„Die Schließung der Heisinger Buchhandlung wäre ein ganz schwerer Verlust für den Stadtteil“, sagt Henner Höcker, der Erste Vorsitzende des Vereins „Heisinger Bürgerschaft“. Er spricht aus, was viele denken. Tatsächlich haben viele Bürgerinnen und Bürger dem Buchladen zuletzt während der Corona-Jahre die Treue gehalten, als das Geschäft wegen der Pandemie-Vorschriften geschlossen bleiben musste. Viele Heisingerinnen und Heisinger gaben Bestellungen per E-Mail oder telefonisch auf, und Geschäftsbetreiber Frank Schulte-Bockholt brachte die Lieferungen persönlich vorbei, hängte die Bücher coronakonform und kontaktlos in Beuteln an die Haustüren.

Börsenverein des Buchhandels: Nicht nur Amazon ist schuld an der Krise

Die „Heisinger Buchhandlung“ ist nicht die einzige Vertreterin ihrer Branche, die Schwierigkeiten hat. Die Meldung der bevorstehenden Schließung eines Buchhandels im Stadtteil Haarzopf hatte in dieser Woche bereits stadtweite Betroffenheit ausgelöst. Dort verabschiedet sich nach neun Jahren das Geschäft „Leselust“, wird vermutlich Mitte April für immer schließen müssen. Das gleichnamige Geschäft in Stadtwald an der Frankenstraße soll erhalten bleiben.

Ist allein der Online-Handel Schuld am Sterben der kleinen Buchhändler? „Das kann man so nicht sagen“, meint Peter Kraus vom Cleff, der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. „Fast alle Buchhändler bieten einen Bestellservice an, der dem Service der Online-Händler in nichts nachsteht.“ Stimmt: Auch in der Heisinger Buchhandlung konnte und kann man Bestellungen aufgeben, die in der Regel schon einen Werktag später da sind und abgeholt werden können. Zumindest für Menschen, die nah am Ortskern wohnen, ist das eine echte Alternative zum Online-Giganten Amazon.

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„Die Innenstädte und Stadtteile haben ein Frequenzproblem, weniger Kundinnen und Kunden kommen, das hat zwar auch etwas mit dem Online-Handel zu tun“, sagt Kraus vom Cleff. „Doch auch das Freizeitverhalten hat sich geändert, auch deshalb sind Städte und Stadtteile nicht mehr so nachgefragt.“

Auch in der Innenstadt haben es Buchhändler immer schwerer

In der Tat hat auch Essens Buchhandel in der Innenstadt zuletzt massiv gelitten: Die Heinrich-Heine-Buchhandlung am Viehofer Platz, für Generationen von Studierenden die erste Adresse in Sachen Uni-Literatur, schloss im Frühjahr 2023 nach mehr als vier Jahrzehnten. Ganz zu schweigen vom Essener Traditionsbetrieb Baedeker, der zu „Thalia“ wurde und 2012 schloss, 2018 zur „Mayerschen“ wurde. Zuletzt hat die renommierte Buchhandlung Proust hinterm Handelshof angekündigt, Ende 2024 zu schließen, weil man trotz intensiver Suche keinen Nachfolger gefunden hat.

Auch in Heisingen klagte man über Umsatz-Rückgänge, die mit dem Ausbleiben von Laufkundschaft zu tun haben; allein die Stammkunden hätten die Umsatzrückgänge nicht auffangen können. Die vorläufige Insolvenzverwalterin Frauke Heier kündigt an, dass jetzt schnellstmöglich ein Gutachten über die Zukunftsfähigkeit des Geschäfts in Heisingen erstellt werde. Auch die Übertragung des Betriebs an den Interessenten müsse zeitnah erfolgen; dies sei für eine Fortführung der Geschäfte wichtig. „Die Stammkunden“, betont Frauke Heier, „dürfen jetzt nicht auch noch wegbrechen.“

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