Essen-Fischlaken. Die große Holzskulptur des Politikers wiegt eine halbe Tonne. Geschaffen hat sie der Essener Roger Löcherbach. Nun wurde sie verladen.

Sie ist im doppelten Sinne kein „Leichtgewicht“, diese Eichenholzskulptur des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt. Ihre Gesamthöhe beträgt 2,80 Meter, der Durchmesser bis zu einem Meter, das Gewicht liegt bei ungefähr einer halben Tonne. Damit dieser Koloss den Standort wechseln konnte, war minuziöse Logistik vonnöten. Ludger Lieverscheidt bewegte den Lastenkran vorsichtig hin und her, bevor er „den Willy“ in der richtigen Position hatte. Die monumentale Figur wurde nun in Fischlaken abtransportiert und in einer Mülheimer Schule aufgestellt.

Haltung und Gestik entwickeln sich aus dem Stamm

Künstler Roger Löcherbach war froh, damit ein Kapitel abschließen zu können, dass sich zwischendurch zur „unendlichen Geschichte“ zu entwickeln schien. Löcherbach arbeitet seit 1998 freischaffend als Bildhauer in Essen. Seine Werke, immer aus den Stämmen heimischer Bäume gehauen, sind in vielen bayerischen Städten, aber auch in Düsseldorf, Duisburg oder Mülheim an der Ruhr zu finden.

Für den Transport platzierte Ludger Lieverscheidt (r.) die Haltegurte vorsichtig, damit die Figur keinen Schaden nahm. 
Für den Transport platzierte Ludger Lieverscheidt (r.) die Haltegurte vorsichtig, damit die Figur keinen Schaden nahm.  © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

In der Freiluftwerkstatt im ländlichen Fischlaken entsteht Holzkunst in allen Größen, roh, behandelt, teils farbig bemalt. Manche Figuren ragen bis zu vier Meter hoch. Haltung und Gestik der Figuren entwickeln sich aus der Wuchsform der vorgefundenen Stammformen. Endgültig einem größeren Publikum bekannt wurde Löcherbach im Kulturhauptstadtjahr 2010 beim „Schachtzeichen“ in Fischlaken, als er live eine große Skulptur aus dem Stamm sägte: „Für mich haben Mensch und Baum viel miteinander zu tun.“

Die typisch nachdenkliche Pose des Politikers porträtiert

Den „besonderen Menschen“ Willy Brandt stellte der Bildhauer in einer für ihn typischen nachdenklichen Pose dar. Der Staatsmann erhielt 1971 den Friedensnobelpreis. Sein „Kniefall von Warschau“ war die einfühlsame Geste, um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs zu bitten. Dazu Brandt später: „Unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt.“

Den „besonderen Menschen“ Willy Brandt stellte der Bildhauer in einer für ihn typischen nachdenklichen Pose dar.
Den „besonderen Menschen“ Willy Brandt stellte der Bildhauer in einer für ihn typischen nachdenklichen Pose dar. © Essen | Uwe Ernst

In der Mülheimer Willy-Brandt-Schule hatte der Essener Künstler 2016 in einem Workshop gemeinsam mit Schülern eine Brandt-Figur erschaffen, die auf einem bepflanzten Dach platziert wurde. Dort bekam die Skulptur jedoch aufgrund fehlender Drainage „nasse Füße“ und musste herabgeholt werden. Sie war nicht mehr zu restaurieren.

Nachdem die Gesamtschule dem Künstler einen Auftrag für eine überlebensgroßen Büste erteilt hatte, geriet deren Realisierung ins Stocken. Zwar hatte Löcherbach bereits 2022 die Arbeit an der Skulptur beendet, doch sie musste zunächst auf seinem „Holzplatz“ mitten in der Fischlaker Natur verharren. Die Spaziergänger hatten ihre helle Freude am überdimensionalen Politiker.

Essener Kunstmäzenin Bärbel Schröder griff vermittelnd ein

Der von der Schule vorgesehene Standort, ein begrünter Dachgarten, erwies sich als nicht genehmigungsfähig, die Suche nach Alternativen steckte fest. Mittlerweile hatte Löcherbach ein ungutes Gefühl: „Meine Nachfragen wurden sehr zögerlich und vage beantwortet, die Skulptur wurde noch nicht einmal in Augenschein genommen. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich bereits die Suche nach anderen Standorten ins Auge gefasst.“

Meine Nachfragen wurden sehr zögerlich und vage beantwortet, die Skulptur wurde noch nicht einmal in Augenschein genommen. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich bereits die Suche nach anderen Standorten ins Auge gefasst.
Roger Löcherbach, Bildhauer

Doch als die Werdenerin Bärbel Schröder vermittelnd eingriff, konnte der gordische Knoten zerschlagen werden. Schröder hatte bereits für die Aufstellung mehrerer Löcherbach-Figuren in Werden gesorgt. Unter anderem „Herold“ und „Musica“ am Platz der Feintuchwerke oder der „Aakesbas“ auf der Brehminsel. Endlich wurde ein geeigneter Aufstellplatz gefunden, sie sollte in der Aula der Schule aufgestellt werden.

Enthüllung

Die offizielle Übergabe der Willy-Brandt-Skulptur findet am Mittwoch, 20. März, um 18 Uhr in der Schule am Willy-Brandt-Platz 1 in Mülheim im Rahmen einer ganztägigen Schulveranstaltung statt.

Die Schüler sind nämlich aktiv geworden: Sie werden rund um ihren „hölzernen Willy“ herum aus Kartons eine „Mauer“ bauen, die dann zur Enthüllung symbolträchtig eingerissen werden soll.

Informationen über den Künstler und sein Werk sind unter www.rogerloecherbach.de erhältlich.

Zum Abtransport bat der Künstler den „Allrounder“ Ludger Lieverscheidt dazu, der mit schwerem Gerät anrückte und den Koloss auf die Ladefläche hievte. Zuvor bürstete Löcherbach noch den Sockel ab, flämmte ihn und versah das Eichenholz mit einem Schutzanstrich.

Vergoldete Kugel mit allen Länderflaggen dieser Welt

In Mülheim musste die Skulptur dann per Portalkran in die Aula manövriert werden. Dort steht sie nun, überm Kopf eine vergoldete Kugel, auf die alle Länderflaggen dieser Welt aufgemalt sind. Bei Löcherbach stehen diese fast 200 Fahnen für die internationale Gesinnung Willy Brandts: „Der ja nicht nur der Kanzler der Ostverträge und der Entspannungspolitik war, sondern auch das wirtschaftliche Nord-Süd Gefälle zum Gegenstand seiner Politik machte.“ Nach seiner Kanzlerschaft sei er Vorsitzender der sozialistischen Internationale gewesen, so Löcherbach. „Beim näheren Herangehen sind die Flaggen der UN-Mitgliedsstaaten zu erkennen, die die Schüler zuordnen können.“

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