Sitzmöbel vor der Kirche? Was nach Sperrmüll klingt, soll in Altendorf den Austausch unter Nachbarn fördern. Blick auf ein Experiment.
Rund sind sie und bunt, mit einer Sitzfläche aus Holz, der Durchmesser beträgt knappe drei Meter: Seit dieser Woche stehen vor der Christuskirche in Altendorf Sitzmöbel. Deren Aufgabe beschreibt Pfarrerin Michaela Langenheim von der Evangelischen Lutherkirchengemeinde wie folgt: „Sie sollen Menschen auf dem Christusplatz zusammenbringen. Sie sind eine Variante, um sich zu begegnen und gleichzeitig den Platz zu verändern.“
Die gestalterische Maßnahme soll allerdings nicht allein zur Belebung der Umgebung beitragen – ganz im Gegenteil: In der Vergangenheit haben Kinder und Jugendliche regelmäßig den Platz zum Fußballspielen genutzt. „Dagegen ist nichts einzuwenden“, sagt Langenheim, „wir freuen uns ja, wenn hier etwas los ist.“ Doch leider wurden die Handläufe an der Treppe als Tore genutzt. Die Folge: immer wieder zerschossene Kirchenfenster. Langenheim: „Dann haben wir gesagt: Okay, unser Interesse ist, die Menschen zusammenzubringen, aber eben so, dass man aufeinander achtet und nicht unnötig Dinge zerstört.“
Altendorfer Sitzmöbel werden gut angenommen
„Erste Ideen haben wir schon vor zwei Jahren entwickelt“, erinnert sich Ricarda Fischer vom Amt für Stadterneuerung. Gemeinsam mit mehreren Institutionen – dem Diakoniewerk Essen, der Stadt Essen, der Bezirksvertretung im Stadtbezirk 3 und der gemeinnützigen Initiative Mobilitea – sei eine Initiative entstanden, den Platz rund um die Christuskirche mit farbigen Sitzmöbeln freundlicher und einladender zu gestalten. Ursprünglich waren auch Pflanzkübel geplant, doch hier sorgten aktuelle globale Krisen für Lieferprobleme. „Plötzlich ging der Preis durch die Decke“, so Langenheim. „Das war überhaupt nicht mehr finanzierbar. Also haben wir das Ganze auf die Sitzmöbel reduziert – die aber in bunten Farben.“
Und die insgesamt sechs runden Installationen werden schon jetzt gut angenommen. „Ich finde das Bunte sehr schön“, sagt Brigitte Claes, die sich regelmäßig in der Gemeinde einbringt und eine der ersten war, die zum Probesitzen kam. „Das passt sehr schön zum roten Backstein der Kirche. Ich hoffe nur, dass es angenommen und auch gewürdigt wird“, fügt sie mit kritischem Blick auf ein Pommes-frites-Stäbchen hinzu, das sich bereits in die Ritzen verirrt hat. „Dieser ganze Platz ist so schön, die Architektur mit der Kirche und den Häusern drumherum. Wir räumen hier jeden Tag Müll weg. Dieses Angebot, sich hier hinsetzen und die Schönheit genießen zu dürfen, sollte man respektieren.“
Und feiern sollte man sie auch: Zur Einweihung der neuen Sitzgelegenheiten laden die Kooperationspartner nun unter dem Thema „Auf gute Nachbarschaft“ am kommenden Samstag, 9. März, von 14 bis 19 Uhr nicht nur zum Probesitzen ein. Zusätzlich gibt es Kaffee und Kuchen, außerdem Gesang, einen Drehorgel-Spieler sowie Bastelaktionen für die Kinder. „Alle Bürgerinnen und Bürger, die die neuen Möbel persönlich in Augenschein nehmen und ausprobieren wollen, sind dazu eingeladen“, sagt Langenheim.
Akteure aus dem Essener Stadtteil engagieren sich
In den kommenden Monaten seien zudem weitere Aktionen geplant. „Wir haben sechs Sitzmöbel, deshalb wollen wir auch in den kommenden sechs Monaten jeweils etwas anbieten.“ Und so werden am 15. April, dem Montag nach den Osterferien, vor allem die Kinder in den Blick genommen – mit Spieletonne und Spielmobil und selbst gebackenen Waffeln.
Im Mai stehen in Kooperation mit der Gesamtschule Bockmühle Musik und Trommel-Aufführungen für Jugendliche an. „Im Juni gibt es eine Aktion für Senioren, und im August kommt vielleicht die Schauspielerin Veronika Maruhn mit einigen Folkwang-Leuten. Im September schließlich ist in der ganzen Stadt Gospelkirchentag, da werden wir wahrscheinlich Spielort sein und den Platz inklusive Sitzmöbel musikalisch gestalten.“
Und das ist nicht alles. Längst hat sich ein ganzes Netzwerk an Akteuren gebildet, das sich in Altendorf engagiert – und den Kirchenvorplatz regelmäßig nutzt. An jedem Donnerstag kommt Mobilitea, ein Tee-Mobil, das Passanten einlädt, ein Glas Tee zu genießen und zwangloses Miteinander zu erleben. Zweimal pro Woche ist die Spieletonne der Stadt Essen vor Ort, es gibt regelmäßig interreligiöse Friedensgebete, und auch Institutionen aus der Nachbarschaft wie das Zentrum 60plus engagieren sich.
Langenheim: „Wir haben mit dem Diakoniewerk Weihnachtsbäume geschmückt, türkische Senioren der Arbeiterwohlfahrt haben die Laternen mit Gestricktem verziert, im Juni gründet sich ein Seniorennetzwerk, die Bockmühle will etwas mit uns auf die Beine stellen, und auch zur Ditib-Moschee entstehen gute Kontakte – da hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten ein sehr gutes Miteinander entwickelt.“ Und auf den neuen Sitzgelegenheiten kann man sicher ganz hervorragend neue Pläne schmieden. Ganz nach dem Motto: auf gute Nachbarschaft.
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