Essen-Rüttenscheid/Südviertel. Als Klaus Fürstenhoffs Frau starb, riss ihm das den Boden weg. Hilfe fand er in einer Männer-Trauergruppe, die sich nun wieder in Essen trifft.

„Wir waren zusammen krank und sind zusammen gestorben“, sagt Klaus Fürstenhoff. Als seine Frau Valerie den Kampf gegen den Krebs verlor, war sie erst 51 Jahre alt. Fürstenhoff begleitete sie bis zum Schluss. Und bis zum Schluss hoffte er, dass ein Wunder geschehen würde. Es geschah keines. Halt fand der heute 69-Jährige aus dem Südviertel in einer Trauergruppe speziell für Männer, die sich im Rüttenscheider Alfried-Krupp-Krankenhaus traf. Die Treffen dieser Gruppe gehen nun in die dritte Runde, die Auftaktveranstaltung findet am 26. Februar statt.

Als Fürstenhoffs Frau die Diagnose Glioblastom – ein schnell wachsender Tumor im Gehirn – bekam, hatte das Ehepaar zunächst Hoffnung. Durch eine Operation sollte der Tumor entfernt werden, die OP glückte auch und es ging langsam bergauf. Doch bei einer Röntgenuntersuchung stellte sich wenig später heraus: Der Krebs war zurück. Und diesmal befand sich ein Tumor in der Mitte des Gehirns, inoperabel.

Trauernder Essener: „Ich habe mich in mein Schneckenhaus zurückgezogen“

Anfang 2021 verstarb Valerie Fürstenhoff in einem Oberhausener Hospiz. Für ihren Ehemann ein Schock. „Natürlich haben die Ärzte mir gesagt, dass es passieren würde. Aber man verdrängt es“, erinnert sich Klaus Fürstenhoff. „Als der Anruf kam, war ich völlig entgeistert, völlig fertig.“ Über 20 Jahre lang waren sie verheiratet. Fürstenhoff war gerade in Rente gegangen und hatte sich gefreut, endlich mehr Zeit mit seiner Frau verbringen zu können.

„Ich habe mich in mein Schneckenhaus zurückgezogen“, sagt der 69-Jährige rückblickend. Tatsächlich hätten ihm Freunde aber auch oft gar nicht helfen können, weil sie sich nicht in seine Situation hineinversetzen konnten. Sätze wie „Das wird schon wieder“ habe er etwa zu hören bekommen. Online wurde er im Sommer 2021 dann auf die Trauergruppe für Männer aufmerksam, die sich damals zum ersten Mal im Krupp-Krankenhaus traf.

Gruppe in Essen soll einen geschützten Raum für trauernde Männer bieten

Harald Genge organisiert die Trauergruppe mit vier Mitstreitern. Er weiß: „Häufig laufen soziale Kontakte über die Frauen.“ Wenn ihre Partnerin versterbe, seien die Männer dann oft sehr einsam. Vor allem der Austausch mit anderen, die das Gleiche erlebt haben, könne sehr wertvoll sein. „Die Männer können sich zum Beispiel gegenseitig helfen, mit einer anderen Perspektive auf die Trauer zu blicken“, so Genge. „Viele haben Schuldgefühle: War ich genug da? Habe ich genug getan? Die anderen Betroffenen sagen ihnen: Schau doch, was du alles gemacht hast.“

Harald Genge gehört zur Projektgruppe, die die Treffen für trauernde Männer in Essen-Rüttenscheid organisiert. Seine Erfahrung ist: „Viele haben Schuldgefühle.“
Harald Genge gehört zur Projektgruppe, die die Treffen für trauernde Männer in Essen-Rüttenscheid organisiert. Seine Erfahrung ist: „Viele haben Schuldgefühle.“ © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Idee: Die rein männlich besetzte Gruppe soll einen geschützten Raum bieten, in dem es leichter fällt, sich zu öffnen und emotional zu werden. Auf die Männer wird kein Druck ausgeübt und sie werden nicht in Gespräche gezwungen. Stattdessen wird jeder ermutigt, sich selbstbestimmt und in seinem Tempo seiner Trauer zu nähern. Die Treffen werden jeweils mit einer gemeinsamen Unternehmung verbunden. So stehen auf dem Plan beispielsweise eine Wanderung mit Kennenlernabend, ein Fotoabend, Fitnessboxen, eine Schreibwerkstatt und eine Einkehrwoche im Kloster Stiepel.

Gern gelesen in Essen

Trauergruppe für Männer in Essen verbindet Treffen mit Aktivitäten

„Je weiter weg von Stuhlkreis und zu erwartenden Gefühlsdiskussionen in einer mehrheitlich von Frauen besuchten Trauerveranstaltung, desto eher besteht die Chance, durch die Aktivitäten neue Erkenntnisse zu gewinnen“, heißt es vom Projektteam. Beispiel: Viele Männer hätten auch in der heutigen Zeit nie wirklich gelernt, sich zu versorgen. Im Rahmen der Gruppentreffen ist ein Kochabend geplant: „In einer gemeinsamen Veranstaltung erfahren sie, dass es auch anderen so geht. Wer dann gemeinsam kocht, der wird auch gemeinsam essen.“

Trauergruppe in Rüttenscheid ist offen für alle Männer mit Verlusterfahrung

Der Auftakt der Veranstaltungsreihe findet am Montag, 26. Februar, um 18 Uhr im Berthold-Beitz-Saal des Alfried-Krupp-Krankenhauses (Alfried-Krupp-Straße 21) statt. Anmelden kann man sich telefonisch unter 0201 4342513 oder per E-Mail an hospizdienst@krupp-krankenhaus.de.

An diesem Abend steht ein Vortrag des Trauerbegleiters Thomas Achenbach unter dem Titel „Männer und Trauer im Spannungsfeld der Moderne – was hilft ihm denn wirklich, dem trauernden Mann?“ auf dem Programm. Achenbach hat selbst Trauergruppen für Männer geleitet und das Buch „Männer trauern anders – was ihnen hilft und gut tut“ geschrieben.

Die Gruppe ist offen für alle Männer mit Verlusterfahrungen. Dazu gehören neben Männern, die Partnerin oder Partner verloren haben, auch verwaiste Väter, Väter von Sternenkindern oder andere betroffene Männer in Trauer.

Aus der Gruppe, die Fürstenhoff 2021 im Krupp-Krankenhaus kennengelernt hat, ist heute ein informeller Stammtisch geworden, der sich im Vier-Wochen-Rhythmus trifft. Die Männer sind zwischen 50 und über 80 Jahre alt. Viele von ihnen haben ihre Ehefrauen oder Partnerinnen verloren. Bei manchen waren es die Geschwister. Es gibt auch Teilnehmer, die um ihre Eltern trauern, zu denen sie eine sehr enge Bindung hatten. Doch bei weitem nicht immer sei der Verlust Thema, berichtet Fürstenhoff: „Wir reden über unseren Alltag, über dies und das.“

Essener sagt heute über seiner Trauer: „Ich fange mich immer wieder“

Überwunden hat Klaus Fürstenhoff den Tod seiner Frau bis heute nicht. „Man kommt nie darüber hinweg“, sagt er. Aber: „Es ist nicht so, dass ich tagelang in Tränen aufgelöst dasitze.“ Manchmal seien es jedoch die kleinen Dinge. Zum Beispiel vor kurzem, als er einen Bericht im Fernsehen gesehen habe. Darin sei eine Promenade zu sehen gewesen, über die er schon einmal gemeinsam mit seiner Frau spaziert war. Und während er das erzählt, kommen ihm schon wieder die Tränen. Doch gleichzeitig kann er heute sagen: „Ich fange mich immer wieder.“

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]