Essen. In Essen verabschiedet man sich von ambitionierteren Zielen. Der Öffentliche Nahverkehr soll in kleinen Schritten verbessert werden.
Als Oberbürgermeister Thomas Kufen mit seinen Amtskollegen Thomas Eiskirch aus Bochum, Marc Buchholz aus Mülheim und mit Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge vor die Presse trat, um den „Auftakt Ruhr“ auszurfen, klang das verheißungsvoll. Die vier Städte wollten im öffentlichen Personen-Nahverkehr enger zusammenarbeiten, ihre Nahverkehrsunternehmen Ruhrbahn und Bogestra würden eng miteinander kooperieren. Diese Botschaft weckte Erwartungen nach einem großen Schritt auf dem Weg zu einem Nahverkehrsbetrieb fürs Ruhrgebiet. Kufen hatte diese Vision bereits bei seinem Amtsantritt entworfen.
Fast eineinhalb Jahre nach dem medienwirksamen Auftritt ist von Aufbruchsstimmung nur noch wenig zu spüren. Zwar soll der Rat der Stadt auf seiner Sitzung Ende Januar einem „11-Punkte-Papier“ zustimmen, auf das sich Ruhrbahn und Bogestra verständigt haben. Doch inhaltlich bietet die Vereinbarung wenig Konkretes. Beim Einkauf wollen beide gemeinsame Sache machen und auch bei der Suche nach Personal. Alles irgendwo schon mal gehört. Eine gemeinsame App soll es geben, auch das.
Bei der Ruhrbahn in Essen ist ein Vorstandsposten seit 2021 vakant
Vor ein paar Monaten war man hinter den Kulissen schon viel weiter. Zumindest in Essen und in Bochum konnte man sich eine gemeinsame Doppelspitze für beide Verkehrsunternehmen vorstellen, bestehend aus Michael Feller (Ruhrbahn) und Jörg Filter (Bogestra). Die Gelegenheit schien günstig, denn bei der Bogestra steht Vorstand Andreas Kerber vor dem Abschied in den Ruhestand, sein Platz würde zum Jahresende frei. Bei der Ruhrbahn ist der Vorstandsposten neben Michael Feller vakant, seit Uwe Bonan das Unternehmen im Juni 2021 verlassen hat.
Der Haken: Mülheim wollte nicht mitgehen, auch in Gelsenkirchen gab es, wie zu hören ist, Vorbehalte gegen eine Doppelspitze. Offenbar fürchteten die beiden kleineren Partner um ihren Einfluss.
Statt Ruhrbahn und Bogestra gemeinsam zu steuern, fährt man weiter zweigleisig. Essens CDU-Fraktionsvorsitzender Fabian Schrumpf lässt im Gespräch mit der Redaktion durchblicken, dass sich seine Fraktion eine engere Zusammenarbeit beider Nahverkehrsunternehmen sehr wohl hätte vorstellen können, auch mit einer gemeinsamen Spitze. Schrumpf wirbt aber für Verständnis, dass es nicht so kommt. „Die aktuelle Geschwindigkeit ist dem Umstand geschuldet, dass wir mehrere Partner haben.“ Darauf gelte es, Rücksicht zu nehmen. Schrumpf setzt darauf, dass auch kleine Schritte ans Ziel führen. Denn er sei überzeugt davon, dass viele Menschen sich im Ruhrgebiet einen einheitlichen Nahverkehr wünschten und mit der aktuellen Situation nicht zufrieden seien.
Der Posten des Arbeitsdirektors dürfte bei der Ruhrbahn bald wieder besetzt werden
Ratsherr Rolf Fliß (Grüne), langjähriges Mitglied des Aufsichtsrates der Ruhrbahn, spricht hingegen von einer verpassten Chance und bemüht in Anspielung auf die durch den „Auftakt Ruhr“ geweckten Erwartungen ein Sprichwort: „Der Berg kreißte und gebar eine Maus.“ Für die Oberbürgermeister gehe es nun darum, „möglichst gesichtswahrend aus der Sache herauszukommen“. Dass die Kooperation doch noch Fahrt aufnimmt, Fliß mag daran nicht glauben.
Die Aufsichtsräte von Ruhrbahn und Bogestra wollen nun einmal pro Jahr zusammenkommen, um sich darüber informieren zu lassen, welche Fortschritte die Kooperation macht. Auch das ist Teil der Vereinbarung. Denkbar wären beispielsweise gemeinsame Ausbildungszentren, ein Pool aus Fachkräften, die städteübergreifend eingesetzt werden. Auch Betriebseinrichtungen und Fahrzeuge könnten gemeinsam genutzt werden, heißt es stets im Konjunktiv.
Als sicher gilt indes, dass der vakante Vorstandsposten bei der Ruhrbahn bald wieder besetzt wird. Die Arbeitnehmer haben Anspruch auf einen Arbeitsdirektor. Ein aussichtsreicher Kandidat dürfte schon aufgrund seiner Funktion der Vorsitzende des Betriebsrates, Ahmet Avsar, sein. Darauf angesprochen, ob er Ambitionen auf den Posten eines Arbeitsdirektors habe, antwortete Avsar am Rande des Neujahrsempfangs der Grünen am Sonntag vielsagend: „kein Kommentar.“
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