Essen-Borbeck. Bislang gibt es kaum Pflegeselbsthilfegruppen in Essen. Caritas und katholische Pflegehilfe wollen diese Lücke in Borbeck schließen.
Selbsthilfegruppen, also Zusammenschlüsse von Menschen, die ein gleiches Problem oder Anliegen haben und sich gegenseitig unterstützen möchten, bieten seit Jahrzehnten praktische Lebenshilfe – in nahezu allen Bereichen. Selbsthilfegruppen für Menschen, die einen Angehörigen pflegen, gibt es in Essen bisher aber nur wenige. Das will der Caritasverband für die Stadt Essen e.V. gemeinsam mit der katholischen Pflegehilfe jetzt ändern: Eine erste Informationsveranstaltung soll Interessierte am 25. Januar um 18 Uhr im „Haus Fürstenberg“ in Essen-Borbeck zusammenbringen.
In Nordrhein-Westfalen leben aktuell knapp 1,2 Millionen Pflegebedürftige, etwa 86 Prozent von ihnen werden zu Hause gepflegt. Eine Selbsthilfegruppe kann da für Pflegende eine wichtige Stütze sein. „Als Angehöriger etwa eines Demenzkranken ist man voll eingespannt“, erklärt Theresa Frye vom Kontaktbüro Pflegeselbsthilfe, dessen Träger der Caritasverband ist. Eine Selbsthilfegruppe auf die Beine zu stellen, sei für Betroffene daher schwierig und zeitlich kaum zu machen. In genau an dieser Stelle will das Kontaktbüro jetzt einspringen.
Pflegehilfe versorgt 1800 Menschen in Essen
„Wir versorgen in Essen derzeit 1800 Menschen ambulant, wir versorgen auch stationär und haben zudem Demenz-Wohngruppen eingerichtet“, sagt Markus Kampling, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der katholischen Pflegehilfe in Essen. Die wichtige Bedeutung von Selbsthilfegruppen für Pflegende resultiert aus der grundsätzlichen Situation, wie sie für viele Menschen Alltag ist: „Wenn ich jemanden pflege, dann kommt vielleicht dreimal am Tag der Pflegedienst für eine halbe Stunde, aber die restlichen Stunden bin ich als Angehöriger voll eingebunden. Da entsteht manchmal ein Spannungsverhältnis zwischen dem Pflegenden und dem Gepflegten. Der eine will helfen, der andere hat das abgewehrt, da hat man sich manches Mal vielleicht sogar angefeindet. Unser Anspruch ist es, die Angehörigen in dieser Situation wieder dahin zu bringen, dass sie wieder neutraler auf Vater, Mutter, Tante, Onkel zugehen können.“
Ziel der Kooperation von katholischer Pflegehilfe und Caritasverband sei es daher, Menschen mit ähnlichen Pflege-Erfahrungen zusammenzubringen. Kampling: „Wenn man Leuten, die keine Ahnung haben, von den täglichen Erfahrungen in der Pflege erzählt, dann klingen diese Erzählungen immer sehr dramatisch. Aber wenn man jemanden trifft, der in der gleichen Situation ist, der Gleiches erlebt hat, dann relativiert sich vieles. Dann merkt man: Es gibt Personen, die machen exakt die gleichen Erfahrungen. Und dann hat man eine ganz andere Haltung, mit der man wieder auf die erkrankten Angehörigen zugehen kann.“
Angebotsentwicklung gemeinsam mit den Betroffenen
Das gilt etwa bei Demenzerkrankten – aber eben nicht nur: Die einzige formale Voraussetzung für die Einrichtung der Selbsthilfegruppen ist, dass die Angehörigen, um die es geht, einen Pflegegrad haben. Frye: „Das könnte auch beispielsweise eine Gruppe für Eltern von pflegebedürftigen Kindern sein. Der Förderzweck ist sehr breit aufgestellt. Ich bin sehr froh über die erste Kooperation mit der katholischen Pflegehilfe, damit die Angehörigen gleich eingebunden sind und das Angebot nutzen können.“ Ebenfalls mit von der Partie sein wird der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF).
Auftaktveranstaltung
Die Veranstaltung zum Aufbau von Pflegeselbsthilfegruppen findet am Donnerstag, 25. Januar um 18 Uhr in „Haus Fürstenberg“ an der Schlossstraße 202 statt. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.
Eine digitale Gruppe für Kinder (bis 35 Jahren) von Betroffenen mit einer Demenzerkrankung startet am 18. Januar um 20 Uhr über Microsoft Teams. Interessierte schreiben an pflegeselbsthilfe@caritas-e.de und erhalten dann einen Link.
Ansprechperson für alle Selbsthilfegruppen ist Theresa Frye im Kontaktbüro Pflegeselbsthilfe, 0201 319375350, E-Mail: pflegeselbsthilfe@caritas-e.de
Frye wird den Aufbau der Gruppen koordinieren und erhält dabei Unterstützung von Guido Hollands. „Es geht in so einer Gruppe gar nicht so sehr um den bekannten Stuhlkreis, in dem wir alle sitzen und uns erzählen, wie es uns geht“, erklärt Frye. „Bei unserem Auftakttreffen in Borbeck wollen wir herausfinden, was die potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von einer Selbsthilfegruppe erwarten. Es kann sein, dass die Menschen einfach nur gemeinsam spazieren gehen oder Gesellschaftsspiele machen wollen. Wir tragen zusammen, was gebraucht wird und entscheiden dann gemeinsam als Gruppe, wie wir die weiteren Treffen gestalten. Und daraus wollen wir dezentral in der ganzen Stadt Angebote entwickeln.“ Für eine erste Gruppe, die dann auch in Borbeck angesiedelt sein soll, wird man einen Raum im „Haus Fürstenberg“ an der Schlossstraße nutzen, in dem unter anderem eine Demenz-Wohngruppe angesiedelt ist.
Derzeit sei man zudem dabei zu schauen, was es in Essen überhaupt schon gibt. „Es gibt beispielsweise im Alfred Krupp Krankenhaus eine Pflegeselbsthilfegruppe“, so Frye. Dank Fördermitteln bleiben die Gruppen für die Teilnehmenden kostenlos. Auch für die kommenden Gruppen sind Mittel unter anderem vom Land NRW vorhanden: 600 Euro stehen pro Gruppe zur Verfügung etwa für Getränke, einen Raum oder Ähnliches. Hinzu kommen noch einmal 300 Euro, sollte man beispielsweise einen externen Referenten zu einem bestimmten Thema kommen lassen.
Allerdings leisten Frye und das Kontaktbüro lediglich „Anschubhilfe“. Die Gruppen sollen zukünftig selbstständig weitermachen, erklärt Dana Erl, Vorstandsreferentin vom Caritasverband für die Stadt Essen e.V.: „Wir sind in Gesprächen mit mehreren Projektpartnern, die die Gruppen voranbringen sollen. Ein paar Gruppen sind bereits spruchreif, unter anderem eine Gruppe für pflegende Kinder. Wir starten also mit der Veranstaltung in Borbeck, zu der pflegende Angehörige aus der ganzen Stadt eingeladen sind. Daraus sollen mehrere Gruppen entstehen, so dass jeder Interessierte, die vielleicht aus dem Süden kommt, eine Gruppe finden wird, ohne weit fahren zu müssen.“