Essen-Kettwig. Die Umsetzung des Rad-Entscheids erreicht den Essener Süden. Die Verwaltung will Fahrradzonen einrichten. Das halten Betroffene von den Plänen.

Die Umsetzung des Essener Rad-Entscheids ist bislang vor allem in der Stadtmitte und in Rüttenscheid ein heiß diskutiertes Thema. Der Essener Süden war von dem Für und Wider nur am Rande tangiert. Das ändert sich gerade schlagartig. Die Verwaltung plant für 2024, den Stadtteil Kettwig großräumig für die Bedürfnisse von Radfahrerinnen und Radfahrer zu verändern. In Kettwig vor der Brücke sind einschneidende Maßnahmen geplant, die in der Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Mobilität am Donnerstag (14. Dezember) vorgestellt werden sollen.

Immer zum Jahresende informiert die Verwaltung über die Realisierung des im März 2021 gefassten Ratsbeschlusses zur Umsetzung des Rad-Entscheids. Zu Kettwig heißt es da: „Der Fahrradstraßenabschnitt, welcher ursprünglich bei der Maßnahme Heiligenhauser Straße / Ringstraße vorgesehen war, wurde auf Basis der Vorlage ‘Radverkehrsanlage vom Panoramaradweg zum Ruhrtalradweg’ zurückgestellt. Um dort eine radverkehrliche Maßnahme anbieten zu können, soll dieser Bereich nun als Fahrradzone umgesetzt werden.“

Im Sommer 2022 gab es bereits einen massiven Bürgerprotest

Die Fahrradzone biete ähnliche Vorteile und Rechte für den Radfahrenden wie eine Fahrradstraße, habe jedoch weniger Auswirkungen im Straßenraum hinsichtlich Markierung oder Inanspruchnahme von Flächen, heißt es weiter. Die Planung solle entsprechend angepasst und der Planbeschluss Mitte 2024 eingeholt werden.

Für Bernd vom Berg und die Mitstreiter der im Sommer 2022 begründeten „IG Alternative Radwegeverbindung vdBrücke“ schrillen da die Alarmglocken. Die in der IG versammelten Anlieger der Heiligenhauser Straße, Ringstraße, Volckmarstraße, Arndtstraße, Landsberger Straße und vom Mintarder Weg waren sich eigentlich sicher: Nach ihren Protesten und einer im Verkehrsausschuss parteiübergreifenden Einigung über eine gangbare Lösung für den angepeilten „Lückenschluss“ zwischen Panoramaradweg und Ruhrtalradweg sei die Fahrradstraße vom Tisch. „Nun wird sie über die Hintertür eingeführt“, so IG-Sprecher vom Berg.

Rad- und Autofahrer würden, wie hier auf dem Mintarder Weg, gut miteinander auskommen, sagen die Anlieger.
Rad- und Autofahrer würden, wie hier auf dem Mintarder Weg, gut miteinander auskommen, sagen die Anlieger. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Die betroffenen Kettwiger seien nicht nur irritiert, sondern sehr verärgert über solch ein Vorgehen. Zumal von Oberbürgermeister Thomas Kufen selbst in einem Schreiben vom 27. März dieses Jahres folgende Zusicherung gegeben wurde: „Betreffend Ihrer Sorge um den Baumbestand und die Stellplätze in den betroffenen Straßenzügen, möchte ich darauf hinweisen, dass die ursprünglich geplante Fahrradstraße in den politischen Gremien nicht beschlossen wurde. Daher wird die Planung von der Verwaltung derzeit nicht weiterverfolgt. Lassen Sie mich hinzufügen, dass die Bäume selbst bei einer Umsetzung nicht gefährdet gewesen wären. Die Situation bleibt daher aktuell wie sie ist. Das sollte im Sinne der Interessengemeinschaft sein.“

Es habe also nicht einmal neun Monate gedauert, bis die Verwaltung den Aussagen des Oberbürgermeisters widerspreche und eine Fahrradzone plane, erklärt Bernd vom Berg.

Es muss gar nichts geändert oder neu eingerichtet werden, die aktuelle Situation ist für alle Verkehrsteilnehmer zufriedenstellend und ausreichend.
Bernd vom Berg

Aber was heißt überhaupt Fahrradzone? Wie auch die Fahrradstraße, sieht die Fahrradzone eine alleinige Nutzung von Fahrrädern oder Elektrokleinstfahrzeugen, wie E-Scootern, vor. Weitere Kraftfahrzeuge können über eine entsprechende Beschilderung zugelassen werden, haben jedoch Rücksicht auf den Radverkehr zu nehmen. Es gilt die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und eine grundsätzliche Rechts-Vor-Links-Regelung.

Für die betroffenen Wohngebiete hieße dies: Es müsste Ausnahmebeschilderungen für die Anwohner und für Besuche bei Ärzten geben. „Es gibt zudem einen Bring- und Abholverkehr für zwei Kindergärten und die neu geplante Schule mit Aula“, sagt Bernd vom Berg. Nicht zu vergessen der Lieferverkehr für die Gewerbetreibenden und das RWW-Wasserwerk mit Lastern über 3,5 Tonnen. Und der Bürgerbus bedürfe auch einer Ausnahmegenehmigung. Die IG resümiert: „Wenn all diese Ausnahmen dann zulässig sind (und zulässig sein müssen), haben wir in Kettwig vor der Brücke genau den jetzigen Status quo, mit anderen Worten: Es muss gar nichts geändert oder neu eingerichtet werden, die aktuelle Situation ist für alle Verkehrsteilnehmer zufriedenstellend und ausreichend.“ Zumal es sich bei dem besagten Radverkehr hauptsächlich um Freizeitradler handeln würde.

Weitere Fahrradstraßen in Essen-Kettwig sind für 2025 geplant

Blieben noch die weiteren Maßnahmen der Verwaltung in Kettwig: Fahrradstraßen sollen am Mühlengraben, in der Ruhrstraße und Corneliusstraße eingerichtet werden, mit dem Ziel eines durchgängigen Fahrradstraßenzugs. Der Planbeschluss soll dann Anfange 2025 eingeholt werden.

Guntmar Kipphardt, CDU-Ratsherr, steht auf der Rednerliste im Verkehrsausschuss: „Zunächst handelt es sich um eine Vorlage der Verwaltung, in welcher sie darlegt, wie sie mit dem Rad-Entscheid weiter umgehen will. Noch nicht beschlossen wurde dies jedoch von der Politik. Die Beratungen stehen an.“ Er erinnere daran, dass es in der Vergangenheit viele Argumente seitens der Anwohner gab, keine Fahrradstraße in vor-der-Brücke zu errichten. Auch hätten sich 852 Bürgerinnen und Bürger in einer Unterschriftenaktion gegen die damals vorgelegte Planung und für eine alternative Planung („Schlossroute“) ausgesprochen. „Ich habe daher Zweifel, ob diese Vorlage inhaltlich auch so beschlossen wird“, resümiert Kipphardt.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]