Essen. Das Stadtarchiv Essen hat die Adressbücher von 1859 bis 1941 digitalisieren lassen. Ahnenforschung ist nun per Mausklick möglich.
Das Essener Stadtarchiv hat mithilfe des gemeinnützigen Vereins für Computergenealogie (CompGen) einen kleinen Schatz gehoben. Die ehrenamtlich tätigen Familienforscher haben die Essener Adressbücher der Jahre 1859 bis 1941 unentgeltlich digitalisiert. „Adressbücher sind eine wichtige Quelle zur Erforschung der Familiengeschichte“, sagt Claudia Holtermann vom Haus der Essener Geschichte (Stadtarchiv).
Wer bislang in den Essener Adressbücher stöbern und forschen wollte, musste sich auf den Weg zum Ernst Schmidt-Platz machen und sich in den Lesesaal des Stadtarchivs begeben. Dieser zeitraubende Weg ist jetzt nicht mehr nötig. Gut 50.000 Adressbuch-Seiten aus mehr als acht Jahrzehnten können nun mühelos mit wenigen Mausklicks daheim auf den Monitor geworfen werden.
Um den Nutzen der Adressbuch-Digitalisierung anschaulich zu machen, hat das Team des Stadtarchivs den Jahrgang 1923 aufgebaut. Das 100 Jahre alte Adressbuch besteht aus zwei dicken und zwei schmaleren Bänden. Sie enthalten Familiennamen und Essener Straßen sowie eine Auflistung von Gewerbebetrieben und Behörden sowie Geschäftsanzeigen jeglicher Art.
Adressbuch spiegelt die enorme Arbeitsmigration nach Essen wider
In dem verhältnismäßig übersichtlichen Zeitraum, den die Adressbücher abdecken, ist die Einwohnerzahl Essens regelrecht explodiert: von 8.000 im Jahre 1846 über 100.000 (1896) bis zu 600.000 in den 1930er Jahren. „Die Adressbücher veranschaulichen, dass der Schmelztiegel Essen ein hervorragendes Beispiel für Arbeitsmigration ist“, sagt Wolfgang Wöstenhöfer von CompGen. Im ersten Schritt sind die Adressbücher bis 1941 digitalisiert worden. In den letzten Kriegsjahren sind keine erschienen, die Bände nach 1945 können aus rechtlichen Gründen vorerst noch nicht eingescannt werden. Das letzte Essener Adressbuch ist 1998 erschienen.
Der Hunger der Essener Stahlwerke und Zechen nach Arbeitskräften war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gigantisch. Das Heer der Arbeitsmigranten kam aus West- und Ostpreußen, aus Masuren und Schlesien. Wann Opa Schimanski in Essen gekommen angekommen ist? Diese Frage lässt sich mit der Datenfülle der digitalisierten Adressbücher nun zügig und präzise beantworten. Die Namenslisten in den Adressbüchern verraten, welchen Beruf die Vorfahren damals bekleideten, wann genau ihr Umzug erfolgte und welchen Familienstand sie hatten. Bei der weiteren Familienforschung ist das Stadtarchiv gerne behilflich. Die Personenstandsurkunden machen Angaben zu Geburt und Tod, zu Heirat und Umzüge. Das Archiv weiß, wann ein Gewerbe an- und abgemeldet und eine Konzession erteilt wurde. Bauakten wiederum geben Auskunft über den Immobilienbesitz möglicher Vorfahren.
Die Welt von Gestern: Leichenbitter, Knochensammler, Schönfärber und Pinkelpötte
Die Essener Adressbücher, herausgegeben vom Berliner Großverleger August Scherl, erschienen damals in überschaubarer Stückzahlen von nur wenigen Hundert Expemplaren. Finanziert wurden sie über bezahlte Geschäftsannoncen, die wichtigsten Käufer waren Behörden und Unternehmen. Den Betrachter entführen die Bände – nicht nur wegen der ungewohnten Frakturschrift – in eine längst vergangene Welt. „Das Gewerbeverzeichnis von 1868 führt sechs Leichenbitter, 32 Lumpen- und Knochensammler sowie sechs Schönfärber auf“, sagt Wöstenhöfer. Auch Polizeiverordnungen sind darin abgedruckt, etwa mit der Vorschrift, dass Würfelspiele auf der Straße ebenso untersagt seien wie die Unart, Pinkelpötte aus dem Fenster heraus zu entleeren.
Knapp ein Jahr – von September 2022 bis August 2023 – war das in Unna ansässige CompGen-Team damit beschäftigt, die Zigtausend Adressbuchseiten einzuscannen und digital nutzbar zu machen. Viermal fuhren die Essener Stadtarchivare in dieser Zeit nach Unna, um die 162 Einzelbände im dortigen Stadtarchiv abzuliefern. Auch den Buchscanner stellte das Unnaer Archiv unentgeltlich zur Verfügung.
Auch Adressbücher der einst selbstständigen Bürgermeistereien wie Altenessen und Kettwig sind gescannt
Während die historischen Essener Adressbücher umfangreich überliefert sind und spätestens ab 1900 jährlich erschienen, weisen die Bände aus den ehemals selbstständigen Bürgermeistereien wie Altenessen, Rüttenscheid, Borbeck, Steele, Stoppenberg, Kettwig und Werden zum Teil erhebliche zeitliche Lücken auf.
Das Haus der Essener Geschichte wird auf seiner Homepage und in den Sozialen Medien (Facebook-Auftritt der Stadt Essen) auf die digitalisierten Adressbücher aufmerksam machen. Ebenso zielführend ist die Google-Suche. Wer den Begriff „Adressbuch Essen“ eingibt, landet sofort oben auf der Seite „GenWiki“, auf der die von CompGen eingescannten Bände vollständig hinterlegt sind. Einzelseiten oder ein gesamtes Adressbuch können als PDF-Datei herunterladen werden.
Für das Team des Essener Stadtarchivs ist der neue Adressbuch-Service von unschätzbarem Wert, auch weil es die Ahnenforschung erleichtert. „Das Interesse an Familienforschung hat in den letzten anderthalb Jahrzehnten spürbar zugenommen“, sagt Merlin Goriß, zuständig für die Bildungsarbeit im Haus der Essener Geschichte.
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]