Essen-Steele. „Mut machen – Steele bleibt bunt“ heißt die Initiative, die seit Jahren gegen rechte Gruppen, Intoleranz und Rassismus kämpft.
„Freuen Sie sich denn gar nicht?“, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung, als sie Irene Wollenberg die gute Nachricht vom Deutschen Ehrenamtspreis überbracht hatte. Dieser kommt aus Berlin und geht an die Initiative „Mut machen – Steele bleibt bunt“ und Irene Wollenberg ist eine von vielen Mitstreitern, die sich unermüdlich für Toleranz, für friedlichen Umgang und gegen rechte Gesinnung einsetzt. In dem Augenblick aber war sie einfach baff.
„Hocherfreut natürlich auch“, sagt sie auf der Rückfahrt, als sie noch im Zug aus der Hauptstadt wieder nach Essen fährt. Insgesamt waren sechs Mitglieder der Initiative in Berlin, um die Auszeichnung entgegenzunehmen. Zuvor wurde Steele bleibt bunt nominiert und habe sich bewerben müssen, beschreibt Irene Wollenberg. Und dann gebe es einen Maulkorb, erzählt sie lächelnd, da sie bis jetzt nicht über ihren Preis haben sprechen dürfen.
Das Engagement des Essener Bündnisses fing 2018 an
Sie haben also das getan, was sonst überhaupt nicht ihre Art ist: geschwiegen. Zumindest, was den Ehrenamtspreis angeht. Denn in Steele werden ihre Stimmen immer wieder laut. Die engagierten Essener stellen sich seit Jahren der rechten Gruppe Steeler Jungs entgegen - so fing ihr Engagement 2018 an, als sie die wöchentlichen Aufmärsche der Steeler Jungs nicht hinnehmen wollten.
Seitdem klärt das Bündnis auf, informiert, veranstaltet Konzerte und Lesungen, warnt vor den Gefahren des Rechtsextremismus, wendet sich gegen Rassismus und Antisemitismus. Genau dafür haben sie nun die Auszeichnung in der Kategorie „Demokratie stärken“ erhalten, heißt es in der Begründung. Verliehen wurde diese im Deutschen Theater Berlin.
In Steele zählten in den vergangenen Jahren Reihen zum Thema „Alte Nazis-Neue Rechte“, Veranstaltungen wie „Steele kocht“, Bürgerfeste sowie Picknick-Aktionen auf den Ruhrwiesen zu den Terminen, an denen sie die Menschen zusammenbrachten. „Steele bleibt bunt setzt sich als Zusammenschluss von Einzelpersonen, Politikern sowie Verbänden, Kirchen und Initiativen für einen toleranten und weltoffenen Stadtteil ein“, erklären sie selbst zum Hintergrund und dem, was sie antreibt.
Zu Besuch war etwa der Karnevalswagenbauer Jacques Tilly in Essen-Steele
Die Bündnis-Mitglieder machten aufmerksam auf Schmierereien an der S-Bahn-Unterführung Neuholland in Steele mit dem Text „Hanau – Ha – Ha“ (der durch Verbindung der beiden Buchstaben H und A ein unvollständiges Hakenkreuz enthalten habe, erklärte sie) und laden immer wieder ein, wenn etwa bekannte Persönlichkeiten aus der Politik und dem öffentlichen Leben auf ihre Einladung nach Steele kommen.
So waren beispielsweise bereits Bildhauer und Karnevalswagenbauer Jacques Tilly oder Serap Güler in Steele. Die NRW-Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration sprach zum Thema „Demokratisches Leben verteidigen“.
Mit dem Forum für inklusive Kultur Billebrinkhöhe und dem Kulturzentrum Grend wiederum veranstaltet das Bündnis Konzerte, zuletzt kam der syrische Pianist Aeham Ahmad, während die Professorin Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein am Donnerstag, 11. Januar, 2024, über „Rechtsextreme Einstellungen mitten unter uns“ referieren wird (19 Uhr, Theater Freudenhaus/Grend Kulturzentrum, Westfalenstraße 311).
Das Steeler Bündnis wurde bereits mit dem Nachbarschaftspreis ausgezeichnet
Auf der Internetseite von Steele bleibt bunt finden sich nicht nur regelmäßig Termine zu diesen und weiteren Veranstaltungen, längst steht auch ein Flyer zum Herunterladen bereit, der über die Steeler Jungs informiert.
Für ihren Einsatz und ihre Einsätze wurden die Bündnis-Mitglider, von denen viele selbst aus Steele kommen, bereits 2022 zum Tag des Ehrenamtes mit dem Deutschen Nachbarschaftspreis ausgezeichnet – unter 313 Bewerbungen wurden seinerzeit 57 Projekte ausgewählt.
Nun folgt der Deutsche Ehrenamtspreis. Was weiterhin bleibt, ist das Engagement. Die Mitglieder von Steele bleibt bunt möchten weiterhin Mut machen, wachrütteln und aufmerksam machen, seine Ziele verfolgen und damit „alle Tendenzen menschenfeindlicher Ideologien, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz vor Ort nachhaltig bekämpfen.“