Essen. Steele, Borbeck, Gildehoftunnel: An mehreren Stellen im Stadtgebiet sollen neue Taubenschläge entstehen. Warum das gut für Menschen und Tier ist.

Manche Vorurteile bleiben so stark haften wie hartnäckige Nikotinflecken in der Gardine. Das gilt auch für Stadttauben, die gerne als „Ratten der Lüfte“ und lästige Plagegeister gebrandmarkt werden. Die ehrenamtlichen Aktivisten der Essener Stadttauben-Vereine kämpfen leidenschaftlich gegen dieses Negativ-Image an und erhalten dabei zunehmend Rückenwind von Politik und Verwaltung: In Borbeck und in Steele sollen neue Taubenschläge errichtet werden, auch die für Tauben desaströsen Zustände im Gildehoftunnel könnten bald ein Ende haben.

In Borbeck stand der Essener Stadttauben-Verein vor einem Jahr kurz vor dem Durchbruch: Der Umzug vom alten Karstadt- zum Contilia-Parkhaus an der Kraftstraße, so schien es, war nur noch eine Frage von Tagen. Der zum neuen Taubenschlag umgebaute Übersee-Container wartete im Lager bereits auf seine Auslieferung. Doch völlig unverhofft scheiterte das Tierschutz-Projekt aus Rücksicht auf die nahe Kindertagesstätte.

Taubenschlag aus Überseecontainer: Suche nach Standort war erfolgreich

Jetzt steht die Monate lange Suche nach einem Alternativ-Standort offenbar vor dem erfolgreichen Abschluss. Das Unternehmen Westenergie, eine Eon-Tochter, ist bereit, dem Stadttauben-Verein am Keunefeld ein Grundstück für den Taubenschlag zu überlassen. „Ich hoffe, dass wir das Projekt spätestens im Frühjahr in trockenen Tüchern haben“, sagt Bezirksbürgermeisterin Margarete Roderig (CDU), die den 25.000-Euro-Zuschuss der Bezirksvertretung für die Stadttauben-Freunde gut angelegt sieht. „Das Projekt hilft, den Stadtteil sauberer zu machen.“

Tim Harbord vom Verein Stadttauben Essen kümmert sich um die Tauben im alten Karstadt-Parkhaus in Borbeck. Es soll abgerissen werden.
Tim Harbord vom Verein Stadttauben Essen kümmert sich um die Tauben im alten Karstadt-Parkhaus in Borbeck. Es soll abgerissen werden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Weil die Tierschützer brütenden Tauben die Eier aus dem Nest nehmen und diese durch Plastik-Attrappen ersetzen, bremsen sie die Tauben-Vermehrung auf einfache und effiziente Weise. Die Tauben-Population konnte nahezu halbiert werden.

Die Weichen seien weitgehend gestellt, ein Vertragstext müsse noch aufgesetzt werden und es fehlten am neuen Container-Standort die Leitungen für Wasser und Strom. Geht der detailliert ausgearbeitete Plan der Stadttauben-Freunde um Tim Harbord auf, werden die Borbecker Stadttauben - mehrere Hundert an der Zahl -stufenweise von der Rechtstraße zum gut 500 Meter entfernten Keunefeld umgesiedelt.

Tierschutzbeauftragte des Essener Stadtrates dringt auf Verbesserungen

Zu den maßgeblichen Förderern der Stadttauben-Freunde zählt Elke Zeeb, die sich als Tierschutzbeauftragte des Essener Stadtrates für ein flächendeckendes Netz von Taubenschlägen im Stadtgebiet einsetzt. Die Grünen-Ratsfrau hat daran mitgewirkt, dass die Stadt Essen einen Förderbetrag von 50.000 Euro locker gemacht hat, von dem Taubenschläge errichtet sowie Futtermittel und Tierarztrechnungen bezahlt werden können. Auch sie ist zuversichtlich, dass in Borbeck eine einvernehmliche Lösung zum Greifen nahe ist.

Die Tierschutzbeauftragte des Essener Stadtrates, Elke Zeeb, unterstützt die verschiedenen Projekte der Stadttauben-Vereine.
Die Tierschutzbeauftragte des Essener Stadtrates, Elke Zeeb, unterstützt die verschiedenen Projekte der Stadttauben-Vereine. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Neben Borbeck gebe es aber noch zwei weitere „Baustellen“: in Steele und im Gildehof-Tunnel. Der in die Jahre gekommene Taubenschlag auf dem Dach des städtischen Parkhauses an der Käthe-Kollwitz-Straße soll möglichst schnell durch einen neuen ersetzt werden. Der Haken an der Sache: Zuerst muss eine Dachdeckerfirma das Dach sanieren und das könnte sich noch hinziehen. Auf jeden Fall stehe die 30.000 Euro teure Finanzierung, sagt Andrea Auth (SPD), Mitglied der Bezirksvertretung VII und engagiert bei den Stadttauben-Vereinen. 15.000 Euro flössen aus dem 50.000-Euro-Topf, weitere 15.0000 Euro gebe die Bezirksvertretung.

Die Tierschützerin Monika Hedtkamp von Stadttauben-Steele e. V. kümmert sich mit ihrem Team seit Jahren um die gefiederten Freunde.
Die Tierschützerin Monika Hedtkamp von Stadttauben-Steele e. V. kümmert sich mit ihrem Team seit Jahren um die gefiederten Freunde. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Auch eine organisatorische Umstellung ist in Steele offenbar angedacht. Der rührige Stadttauben-Verein um Monika Hedtkamp könnte sich dem Verein Stadttauben Essen e. V. anschließen. Der Vorteil dieser Verschmelzung: Politik und Verwaltung hätten es künftig nur noch mit einem einzigen Ansprechpartner zu tun.

Ein Dauer-Ärgernis sind aus Sicht der Tierschützer die Zustände im Gildehof-Tunnel in Fahrtrichtung Viehofer Platz. Weil sich dort Teile der maroden Deckenverkleidung gelöst haben, finden Stadttauben dort mühelos Zuflucht und nisten in den Hohlräumen. Doch immer wieder fallen junge, schwache oder kranke Tauben auf die Fahrbahn und werden von der vorbeirollenden Blechlawine verletzt oder gar getötet. Radfahrer wiederum klagen über den Gestank von Taubenkot.

Für die Essener Tierschutzbeauftragte wäre ein fest installierter Taubenschlag auf einem Grünstreifen unweit des Gildehof-Tunnels die beste Lösung. „So könnte man die Tauben aus dem Gildehof-Tunnel herausholen und dauerhaft zum Umziehen bewegen“, sagt Elke Zeeb. Sie folgt damit den Vorschlägen eines Gutachters aus Wuppertal, auch Merle Häring vom Essener Stadttauben-Verein setzt sich schon seit langem für diese Vorgehensweise ein. Aus ihrer Ungeduld macht Elke Zeeb kein Hehl, sie möchte möglichst schon im Januar alle zuständigen Stellen der Stadtverwaltung zu einem Arbeitskreis einladen. „Alle müssen an einen Tisch, denn wir brauchen eine schnelle Lösung.“

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