Essen. Die Mehrwertsteuer auf Speisen steigt wieder auf 19 Prozent. Der Gaststättenbesuch wird teurer. Essener Wirte befürchten, dass Gäste wegbleiben.
Seit 20 Jahren bietet Lars Becker im „Löwen am Kopstadtplatz“ bayerische Speisen an. Das Gastrogeschäft war in all den Jahren immer eine Herausforderung. Schläge müsste Becker also gewohnt sein. Und doch hat ihn eine Nachricht vor wenigen Tagen kalt erwischt, wie er sagt: Ab Januar soll die Mehrwertsteuer auf Speisen, die während Corona bei sieben Prozent lag, wieder auf 19 Prozent angehoben werden. Eine Nachricht, die nicht nur Lars Becker „wirklich erschrocken“ hat, sondern die gesamte Branche gerade auf den Baum bringt und die dagegen Sturm läuft.
Lars Becker hat allerdings keine Hoffnung, dass der Beschluss des Bundeskabinetts im Bundestag noch gekippt wird. „Wir und unsere Gäste werden lernen müssen, damit umzugehen“, sagt der Gastronom. Was das konkret heißt? Becker hat sich in den vergangenen Tagen bereits einige Gedanken gemacht. Die zwölf Prozent einfach auf die Preise draufschlagen, so einfach funktioniere das nicht. Wie viele seiner Kollegen und Kolleginnen befürchtet auch er, dass ein weiteres Drehen an den Preisen zu viele Gäste abschrecken könnte.
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Aber natürlich wird auch im „Löwen am Kopstadtplatz“ die eine oder andere Speise dann teurer werden müssen. „Wir reden da nicht von Cent-Beträgen sondern sicher von ein bis zwei Euro“, überschlägt der Gastronom grob. Zumal ab Januar weitere Kosten auf ihn zukommen wie beispielsweise die Erhöhung des Mindestlohnes.
Höhere Mehrwertsteuer: Essener Gastronom stellt Öffnungszeiten auf den Prüfstand
Gäste also dürften beim Blick in die Speisekarten ab Januar nicht nur höhere Preise finden. Weitere Einschränkungen des Gastroangebotes sind ebenfalls nicht ausgeschlossen. Auch Becker denkt darüber nach, wo er Kosten einsparen kann. Noch sind es Überlegungen, noch ist nichts entschieden. Aber auf den Prüfstand sollen unter anderem die Öffnungszeiten kommen. Bislang hat der „Löwe am Kopstadtplatz“ sieben Tage in der Woche offen. Vor allem die Öffnungstage an Feiertagen sind kostspielig, weil Becker seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dann kräftige Zuschläge zahlt, aber im Gegenzug nicht mehr für Speisen verlangen kann. Auch den täglichen Mittagstisch will er auf den Prüfstand stellen. Die Folge solcher Kürzungen könnte sein, dass er Personal abbauen müsste.
Der Gastronomie schlägt auch viel Kritik von Gästen entgegen
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Als Becker seinen Unmut über die politische Entscheidung vor wenigen Tagen in einem Facebook-Eintrag kundtat, da schlug ihm nicht nur Verständnis entgegen. Die Gastronomie habe die Mehrwertsteuersenkung nie an die Gäste weitergegeben, sondern in die eigene Tasche gesteckt und darüber hinaus die Preise dennoch erhöht, hieß es da. Eine Pauschalkritik, die Becker für sich zurückweist und Beispiele dafür auflistet, wie stark seine Kosten in den vergangenen vier Jahren gestiegen sind: eingesetzte Lebensmittel plus 63 Prozent, Fette, Öle, Kartoffeln sogar um über 100 Prozent, Energie über 50 Prozent, Personalkosten 28,5 Prozent. Und seine Liste endet mit den Worten: „Vielleicht kann man verstehen, wie schmerzhaft die Rückkehr zu den 19 Prozent ist.“
Becker ist dennoch überzeugt, dass er auch diesen Rückschlag verkraften wird. „Wir werden als Betrieb überleben.“ Wie viele neben ihm das auch sagen können, weiß Becker freilich nicht, glaubt aber: „Dieser Fehler wird weitreichende Folgen für die Gastronomielandschaft haben.“
Wirtschaftsforscher derweil halten das Auslaufen der Steuersubvention für die Gastronomie für richtig, schließlich sei die Corona-Krise vorbei und die Gaststätten sind vielerorts wieder gut gefüllt. »Es gibt keine Rechtfertigung für die Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung mehr“, sagt beispielsweise Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Eine geringere Mehrwertsteuer nütze vor allem Besserverdienern - weil sie sich einen Restaurantbesuch eher leisten können. Becker bezeichnet eine solche Argumentation als polemisch. „Unsere Gäste sind nicht aus der Oberschicht.“
Sternekoch Knut Hannappel zur höheren Mehrwertsteuer: „Ein Schock!“
Trifft die höhere Mehrwertsteuer die Spitzengastronomie also weniger, weil die Gutbetuchten auch ein paar Euro mehr fürs Essen ausgeben können? Mitnichten, betont Sternekoch Knut Hannappel. „Die Nachricht war für mich ein Schock.“ Auch bei seinen Gästen gebe es einen Punkt, an dem diese sagen: Es reicht.
Hannappel berichtet ebenfalls von den massiven Teuerungen, die er seit einiger Zeit bei Lebensmitteln erlebt. „Uns haben die sieben Prozent Mehrwertsteuer geholfen, dass wir diese Preise so nicht weitergeben mussten.“ Doch nun sei er an einem Punkt angelangt, an dem das nicht mehr ginge. „Auch wir werden die Preise erhöhen müssen, in welcher Form, weiß ich noch nicht. Aber es wird mit Augenmaß sein“, meint er.
Hannappel arbeitet wie Becker seit vielen Jahren in der Gastronomie. Manches Mal, sagt er, sei er es leid, „immer kämpfen zu müssen“.
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