Essen. Der mit 50.000 Euro dotierte Tiemann-Preis für zeitgenössische Malerei wird erstmals vergeben. Wie das Essener Museum Folkwang das Geld anlegt.

Es war einmal in Amerika . . . So beginnt die Geschichte vom „Monetozän“, jener monumentalen und gleichzeitig sehr modernen Gesellschaftsallegorie auf unser globalisiertes, turbokapitalistisches Zeitalter, die der Berliner Künstler Armin Boehm 2017 nach einem Besuch in den USA geschaffen hat. Donald Trump war gerade Präsident geworden, Amazon-Gründer Jeff Bezos träumte sich ins Weltall und die ganze Gesellschaft schien „krass verändert“, fand der Berliner Künstler. Dass man den von ihm gemalten Menschheits-Poker um Macht, Einfluss und Rohstoffe nun im Essener Museum Folkwang sehen kann, ist der Tiemann-Stiftung zu verdanken. Der Berliner Immobilienunternehmer Jürgen Tiemann und seiner Frau Ingeborg haben die Stiftung ins Leben gerufen und erstmals nun auch einen mit 50.000 Euro dotierten Ankaufspreis für Malerei ausgelobt. Das Museum Folkwang ist das erste deutsche Museum, das in den Genuss der hochkarätigen Auszeichnung kommt.

Klimaaktivistin Greta Thunberg ist nun auch Teil der Sammlung

Der Tiemann-Preis ist ein Novum in der Landschaft der Kunst- und Kulturstiftungen. Er unterstützt nicht nur einen einzelnen Künstler oder ein bestimmtes Museum, sondern fördert das Zusammenspiel. Denn die unabhängige Jury vergibt die Förderung nicht nur an ein Museum, sie entscheidet gleichzeitig auch über die aktuelle künstlerische Position, mit der die jeweilige Sammlung des Hauses erweitert werden soll. Das Museum Folkwang überzeugte die Juroren mit einer Werkgruppe des in Berlin lebenden Malers Armin Boehm (*1972). Seine angekauften Werke sind bereits in der Ausstellung zu sehen. Neben dem „Monetozän“ zeigt das Folkwang auch die Porträts „Sils Maria“ und „Climate change“, die den Philosophen Friedrich Nietzsche und Klimaaktivistin Greta Thunberg als humorvolle Memes darstellen sowie das Stillleben „Hibiskusrot“ (2020/21). Die vier Arbeiten finden sich in Essen nun zwischen prominenten Werken der exquisiten Sammlung wieder, von George Grosz über Otto Dix bis Jörg Immendorff.

Ein Blick aufs „Monetozän“. Das Gemälde von Armin Boehm gehört nun zu den zentralen Folkwang-Werken.
Ein Blick aufs „Monetozän“. Das Gemälde von Armin Boehm gehört nun zu den zentralen Folkwang-Werken. © dpa | FLORIAN_WAGNER

„Die vier Werke korrespondieren durch ihren zeitkritischen Ansatz hervorragend mit den Folkwang-Werken des Expressionismus und finden auch in weiteren zentralen künstlerischen Positionen des Museums eindrucksvoll Widerhall“, sagt Museumsdirektor Peter Gorschlüter. Die aktive Arbeit mit der hochkarätigen Sammlung, die im Folkwang unter dem Titel „Neue Welten“ immer wieder neu arrangiert und präsentiert wird, habe die Jury denn auch dazu bewogen, das Folkwang Museum zum ersten Empfänger der in ihrer Ausrichtung einzigartigen Auszeichnung in Deutschland zu machen, sagt die Jury-Vorsitzende Anette Hüsch, Direktorin der Kunsthalle zu Kiel. Rund 50 Häuser mit zeitgenössischer Kunst seien für den Förderpreis in Frage gekommen. Etwa 30 davon hätten sich beworben. Für die Jury ging an Essen schließlich kein Weg vorbei: „Hier ist der Preis auf besonders gute Art und Weise untergebracht“, findet Hüsch.

„Hier ist der Preis auf besonders gute Art und Weise untergebracht“

Man freue sich, die zeitgenössische Malerei in den Museen lebendig zu halten „und ein herausragendes Ausstellungshaus mit einem wegweisenden Ankauf zu unterstützen“, sagen Ingeborg und Jürgen Tiemann. Das kinderlose Unternehmer-Paar hat mit seiner Stiftung in den vergangenen Jahren bereits die Studienstiftung des deutschen Volkes, die Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten und die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern maßgeblich unterstützt. Die Förderung zeitgenössischer Malerei ist nun neu hinzugekommen. „Was wir erarbeitet haben, soll fortwirken“, wünscht sich der gebürtige Westfale.

„Das großzügige Engagement passt gut zu diesem Haus, das von Bürgersinn getragen wird“, betonte Oberbürgermeister Thomas Kufen beim festlichen Stiftungsakt. Ohne das finanzielle Engagement von Essener Bürgern und Firmen aus dem Ruhrgebiet wäre der Ankauf der von Karl Ernst Osthaus begründeten Folkwang-Sammlung 1922 schließlich nicht möglich gewesen. Seither sind die Stadt Essen und der Folkwang Museumsverein zu gleichen Teilen Eigentümer des Folkwangschatzes – und nun gemeinsam um ein „Monetozän“ reicher.