Essen. Musikrechteverwerter Gema verlangt auf Weihnachtsmärkten vielerorts höhere Gebühren. Schausteller klagen über teilweise exorbitante Steigerungen.

Ohrwürmer wie „Last Christmas“ gehören zu einem zünftigen Weihnachtsmarkt wie der Glühwein und eine heiße Schokolade. Doch bei den Schaustellern und Markthändlern hält sich die Vorfreude in diesem Jahr arg in Grenzen. Albert Ritter, Vorsitzender des Schaustellerverbandes Essen/Ruhrgebiet und zugleich Präsident des Deutschen Schausteller-Bundes, warnt in einem Brandbrief an den NRW-Städtetag vor „teilweise exorbitanten Steigerungen der Gema-Gebühren“ und einer Schädigung der Weihnachtsmärkte.

Der Internationale Weihnachtsmarkt in der Essener Innenstadt zählt zu den größten und beliebtesten im Ruhrgebiet. Um die Gema-Gebühren abzurechnen, ist der Markt in einem ,Dutzend so genannter Musik-Inseln aufgeteilt worden.
Der Internationale Weihnachtsmarkt in der Essener Innenstadt zählt zu den größten und beliebtesten im Ruhrgebiet. Um die Gema-Gebühren abzurechnen, ist der Markt in einem ,Dutzend so genannter Musik-Inseln aufgeteilt worden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Wenige Tage vor Beginn des Internationalen Weihnachtsmarktes in Essen macht der Schausteller-Chef kein Hehl aus seiner Verärgerung über die Gebührenpolitik der „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“, abgekürzt Gema. „Ich habe den Eindruck, dass die Gema-Verantwortlichen glauben, eine Lizenz zum Gelddrucken zu besitzen“, sagt Ritter im Gespräch mit dieser Redaktion. Während der Schausteller-Chef in seiner Wortwahl moderat bleibt, nehmen seine Kollegen kein Blatt vor den Mund. Sie werfen der Gema „moderne Wegelagerei“ vor.

Weihnachtsmarkt Essen ist gebührentechnisch in „Musikinseln“ aufgeteilt

Der letzte „Knatsch“ mit der Gema liegt in Essen elf Jahre zurück. Auf die Veranstalter von Stadtteilfesten waren damals um 20 bis 60 Prozent gestiegene Forderungen zugekommen. Die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) als Veranstalterin des großen Weihnachtsmarktes in der Innenstadt zog damals die Konsequenzen und verabschiedete sich von dem bis dahin geltenden Prinzip der flächendeckenden Boulevardbeschallung. Das bedeutete auch: Die Gema rechnet in Essen seitdem nicht mehr mit der EMG ab, sondern direkt mit dem jeweiligen Schausteller und Markthändler.

Der Internationale Essener Weihnachtsmarkt zwischen Kennedy- und Willy-Brandt-Platz, zwischen Porschekanzel und Flachsmarkt ist deshalb seit gut zehn Jahren gebührentechnisch in ein Dutzend so genannter „Musik-Inseln“ aufgeteilt. Der Glühweinstand am Markt oder am Burgplatz rechnet anders ab als der Betreiber des Riesenrades, des Kinderkarussells oder des Feuerwaldes auf dem Kardinal-Hengsbach-Platz.

Die höheren Gema-Rechnungen haben ihre Ursache nicht etwa in gestiegenen Gebühren, sondern in neuen Flächenberechnungen des Rechteverwerters. Deshalb ringen die Schausteller mit der Gema um jeden Quadratmeter. Sind Rettungswege für die Feuerwehr noch Teil einer Musik-Insel und somit gebührenpflichtig - oder nicht?

Bei Inhabern von Fahrgeschäften, so Ritter, gebe es zusätzlich zur Grundpauschale obendrein noch einen Aufschlag, der von der Höhe des Fahrpreises abhänge. Kurzum: Je größer und teurer ein Fahrgeschäft, desto höher die Gebühr. Wie hoch die Gebührenforderungen in Essen ausfallen, steht im Moment noch nicht fest. Es werde noch verhandelt.

Inflation und hohe Energiepreise setzen den Schaustellern ohnehin schon zu

Der Stress mit der Verwertungsgesellschaft Gema kommt den Händlern und Schaustellern auf dem Essener Weihnachtsmarkt höchst ungelegen. Schausteller-Chef Albert Ritter weist auf Inflation, Lohnsteigerungen sowie stark gestiegene Energie- und Spritkosten hin. „Wenn du deine Zugmaschine volltankst, kriegst du einen Herzstillstand“, sagt er. Und die Standgelder dürften auch nicht vergessen werden.

Mit dem drohenden Gema-Aufschlag werde vielerorts die Schmerzgrenze überschritten. Die Beschickung der Volksfeste und Weihnachtsmärkte sei für die meistens familiengeführten Schaustellerbetriebe wirtschaftlich nicht mehr attraktiv. In einem Brief an den Essener OB Thomas Kufen als Präsident des NRW-Städtetages schreibt Albert Ritter daher Klartext: „Wir als Schausteller können diese Kostensteigerungen nicht an unsere Besucher weiterreichen, denn Weihnachtsmärkte sollen auch weiterhin für Normalverdiener und Familien erschwinglich sein.“

Weihnachtsmärkte sind nach Ansicht des Schausteller-Präsidenten fester Bestandteil der Adventszeit. „Sie sorgen für lebendige und lebenswerte Innenstädte und geben den Menschen das Gefühl von Heimat, sie sind Orte des sozialen Miteinanders, Orte der Integration und Identifikation.“

„Wir Schausteller können Kostensteigerungen nicht an unsere Besucher weiterreichen“

Eindringlich warnt Ritter vor dem Verzicht auf Musik („stille Märkte“), vor der Verkürzung von Spieltagen oder vor der Abschaffung beliebter Bühnenprogramme. „Das würde die Veranstaltungen schädigen und käme unseres Erachtens einer Kapitulation gleich.“ Angesichts der massiven Online-Konkurrenz für den Einzelhandel und der Corona-Rückschläge seien Weihnachtsmärkte ein „ganz hervorragender Hebel, um die geschundenen Innenstädte zu beleben oder gar zu touristischen Magneten auszubauen“.

In seinem Antwortschreiben stellt sich Thomas Kufen als Städtetags-Präsident NRW auf die Seite der Schausteller und plädiert für eine „vernünftige tarifliche Grundlage für die kommunalen (Weihnachts-) Märkte“ mit einer angemessenen Gebührenberechnung. Die Gema, so Kufen, berichte auf Nachfrage von Gebührenerhöhungen zwischen 1000 und 10.000 Euro in 99 deutschen Städten, bei weiteren 27 Städten liege die Erhöhung bei mehr als 10.000 Euro.

Für den Schausteller-Präsidenten haben die Gebühren-Erhöhungen auf jeden Fall einen faden Beigeschmack. „Denn jeder Schluck Glühwein enthält einen Gema-Anteil“, so Albert Ritter.

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