Essen. Die Ada, neue Spielstätte im Essener Grillo, wird mit „(Making) Woyzeck“ eingeweiht. Wie der ewige Loser hier seiner Opferrolle entkommen kann.

Es gehört zu den meistgespielten und einflussreichsten Dramen an deutschen Theatern: Weit über 50 Inszenierungen von Georg Büchners Fragment „Woyzeck“ werden hierzulande gespielt, davon fünf allein im Ruhrgebiet.

Der junge Regisseur Caner Akdeniz untersucht die Geschichte, die vor 110 Jahren uraufgeführt wurde, auf seine Aktualität und fügt mit „(Making) Woyzeck“ eine weitere Version hinzu. Die jüngst umgebaute Spielstätte Ada im Grillo-Theater wird mit der Premiere am kommenden Samstag eingeweiht.

Essener Gastregisseur sucht die Identifikation mit Woyzeck

Regisseur Caner Akdeniz inszeniert „(Making) Woyzeck“ in der Ada im Essener Grillo-Theater.
Regisseur Caner Akdeniz inszeniert „(Making) Woyzeck“ in der Ada im Essener Grillo-Theater. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Als Sohn türkischer Gastarbeiter wurde Caner Akdeniz 1989 in Nürnberg geboren. Er schloss die Hauptschule ab, machte eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer und arbeitete als Facharbeiter in der Produktion. Die erste Berührung mit dem Theater ergab sich in einer freien Gruppe. Nach zwei Jahren im Beruf kündigte er und bewarb sich an der Theaterakademie August Everding in München für Schauspiel- und Musiktheater-Regie. Erst hier fand er auch ohne das sonst erforderliche Abitur zu Theaterklassikern. „Leicht war es nicht, mich in dieser Akademikerwelt zurechtzufinden“, sagt er und stellt fest: „Ich begebe mich mit einer Sehnsucht in diese Texte.“

So ergeht es ihm auch mit „Woyzeck“. „Ich habe es erst im Studium gelesen und sofort die Identifikation gesucht“, erzählt der 34-Jährige. Franz Woyzeck ist in Büchners Dramenfragment, das 1837 nach seinem frühen Tod gefunden und erst 1913 uraufgeführt wurde, ein einfacher Soldat. Und weil das Geld für Freundin Marie nebst Kind vorne und hinten nicht reicht, verdingt er sich noch als ständig gedemütigter Diener des Hauptmanns und als Versuchsobjekt eines fragwürdigen Doktors, der ihn mit einer Erbsendiät traktiert. Wahnvorstellungen plagen ihn ebenso wie Maries Betrug. Er bringt sie um. Nicht so in der Inszenierung von Caner Akdeniz.

Seine Inszenierung ist Büchners Text weitgehend treu geblieben

„Mein Woyzeck wird handeln und sich befreien. Ich möchte, dass Woyzeck sich rächt an seinen Peinigern“, so Akdeniz, der zuletzt Fatma Aydemirs „Ellbogen“ und Büchners „Dantons Tod“ inszeniert hat. Dem Text ist er dennoch weitgehend treu geblieben. Die Sprache des rebellischen Dichters bleibt erhalten. Zusatztexte wurden nicht eingefügt. Es wurde gekürzt und es gibt dramaturgische Eingriffe. Sein Woyzeck gerät ebenfalls in die Mühlen von Staat und Wissenschaft. Doch er wehrt sich, ohne den angedachten Frauenmord zu begehen. „Heute muss man den Femizid nicht auf der Bühne zeigen“, meint der Regisseur.

Wer ist wer in „(Making) Woyzeck“

Premiere hat „(Making) Woyzeck“ am 4. November, 20 Uhr, in der Ada im Grillo-Theater. Die Vorstellung ist bereits ausverkauft. Weitere Termine: 9., 11. und 30. November.

Zum künstlerischen Team gehören neben Caner Akendiz (Regie und Bühne) Marlene Lücker (Bühne), Emir Medic (Kostüme), Giovanni Berg (Musik) und Jonas Friedrich (Video).

Es spielen Eren Kavukoğlu (Woyzeck), Sümeyra Yilmaz (Marie), Mansur Ajang (Tambourmajor), Stefan Diekmann (Hauptmann) und Sven Seeburg (Doktor), der als Gast ans Schauspiel Essen zurückkehrt.

Karten unter 0202 81 22 200 und online auf www.theater-essen.de

Er verweist auf die verschiedenen Fassungen, die Büchner geschrieben hatte. Mit der losen Szenenfolge bieten sich viele Möglichkeiten der Interpretation. „Ich finde, dass wir die Charaktere nicht verändert haben“, betont er. Bei ihm sind Woyzeck, der von Musik kämpfender Filmhelden wie „Rocky“ und „Rambo“ und von Videobildern seiner Wahnvorstellungen begleitet wird, und die „selbstbewusste und pragmatische“ Marie „ein Paar wie Bonnie und Clyde“. In der Ada des Schauspiel Essen agieren die beiden in einer Arena, die mit Röhrenfernsehern zwischen den Stühlen und einem Tanzboden ausgestattet ist. Wofür der gedacht ist, will er noch nicht verraten.

Für aktuell hält er den Stoff immer noch. Heutzutage gebe es viele Menschen, die ihre Körper als Dienstleister verkaufen und zu Banken und Pfandleihern gingen, um existieren zu können, erklärt Caner Akdeniz. Sein eigener Unterhalt ist erstmal gesichert. Als Artist in Residence am Theater Oberhausen und in Vorbereitung auf einen Film. „Es geht um einen jungen Mann, der versucht, seine Gesellschaftsschicht zu ändern“, sagt Caner Akdeniz. Er selbst hat es bereits geschafft und sich mit einem ungewöhnlichen Lebensweg selbst befreit. Seine Botschaft: „Wir müssen etwas tun, sonst können wir zu Opfern werden.“

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