Essen. Nach den Clan-Tumulten auf dem Salzmarkt wurde mit hohem Aufwand ermittelt. Das Ergebnis viermonatiger Arbeit: Alle Verfahren sind eingestellt.
Vier Monate nach den gewaltsamen Ausschreitungen rivalisierender syrischer und libanesischer Clan-Mitglieder auf dem Salzmarkt in der Essener Innenstadt fällt das Fazit der Strafverfolger maximal ernüchternd aus: Alle 169 von der Polizei identifizierten Beteiligten kommen ungeschoren davon - wenn nicht noch eine überraschende Wende in den Ermittlungen eintreten sollte. Doch darauf gibt es keine Hinweise. Im Gegenteil.
Keinem der Randalierer kann eine Tatbeteiligung mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, berichtete die Essener Staatsanwaltschaft kürzlich dem Justizministerium. Selbst die Verfahren gegen zwei Verdächtige, bei denen sich die Kripo am ehesten einen Ermittlungserfolg versprochen hatte, sind inzwischen mangels Beweisen eingestellt worden. Bei einem der beiden handelte es sich um einen 24 Jahre alten Syrer, der durch einen Reizgas-Angriff immerhin acht Polizisten auf dem Salzmarkt verletzt haben sollte.
Auch Software zur Gesichtserkennung brachte nichts
Doch alle Videoaufnahmen von Mobiltelefonen, die im Internet kursierten, auch die Bodycam-Bilder der Polizeibeamten und selbst die Sequenzen privater Überwachungskameras, die mit hohem Arbeitsaufwand ausgewertet wurden, brachten keine brauchbaren Ergebnisse, so die Staatsanwaltschaft.
Das lag vor allem an der „äußerst schlechten Qualität der in der Nacht gemachten Aufzeichnungen, die trotz Aufarbeitung der Videos durch die Fachdienststelle des Landeskriminalamtes NRW nicht wesentlich verbessert werden konnten“. Trotz Anwendung einer Gesichtserkennungssoftware sei es unmöglich, Personen zu unterscheiden und eindeutig zu identifizieren, heißt es.
Dabei klingt es so, als mache die Staatsanwaltschaft einen „Friedensrichter“ mitverantwortlich für das magere Ermittlungsergebnis, wenn sie berichtet, dass „eine Sachaufklärung durch Zeugen“ nach dem Treffen der verfeindeten Parteien im Juli in Duisburg nicht mehr möglich gewesen sei. Was bei der von den Behörden geächteten, aber nicht geahndeten Zusammenkunft zur Unterwanderung des Rechtsstaats verhandelt wurde, sei deshalb nicht bekannt.
Angebliche Zeugen erschienen nicht zu Vernehmungen
Das Clan-Palaver scheint seine gewünschte Wirkung durchaus entfaltet zu haben, wenn auch nicht im Sinne der Behörden: Angebliche Zeugen erschienen danach nicht zu Vernehmungen oder meinten, keine Angaben zu den Vorfällen und möglichen Hintergründen mehr machen zu können, so die Ermittler: „Mithin sind auch die Gründe für die Ausschreitungen, über die die unterschiedlichsten Gerüchte kursieren, nicht verifizierbar.“
Juristisch einen Gang hochzuschalten, um vielleicht doch noch zum Ziel zu kommen, lehnt die Staatsanwaltschaft übrigens ab: Die in Rede stehenden strafrechtlichen Vorwürfe wie Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, der besonders schwere Fall des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Verstoß gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung sind nach Überzeugung der Juristen von der Zweigertstraße nicht geeignet, verdeckte strafprozessuale Maßnahmen zu rechtfertigen, heißt es - und abschließend: „Aufgrund der geschilderten Umstände sind derzeit weder die Täter noch die eigentlichen Hintergründe der Taten einer Aufklärung zugänglich.“
Die Waffenträger waren nicht zu überführen
Nur zur Erinnerung: Bei der Massenrandale an dem besonders bei syrischen Familien beliebten Restaurant wurden acht Polizisten und zwei Gäste verletzt. Nach den Ausschreitungen waren in unmittelbarer Nähe ein Baseballschläger, 15 Messer, ein Taschenmesser und drei Metallstangen entdeckt worden. Doch die zahlreichen sichergestellten Waffen konnten „weder einer konkreten Person, noch einer konkreten Tat zugeordnet werden“, bilanziert die Staatsanwaltschaft.
Und auch wenn ein Polizist beobachtet hatte, „wie eine unbekannte Person eine nicht näher beschreibbare Schusswaffe gezogen, durchgeladen und im Hosenbund verstaut habe, konnte der Verdächtige „weder festgehalten, noch die Waffe gesichert werden“, ließ der Innenminister wissen.
„Auch kleinste Verstöße konsequent verfolgen“
Essens Polizeipräsident Andreas Stüve hatte nach den Krawallen angekündigt: „Den rivalisierenden Gruppen möchte ich klar und deutlich ankündigen, dass die Polizei keine Form von Selbstjustiz in unserer Stadt duldet. Wir haben viele Personalien von beteiligten Personen festgestellt und werden auch kleinste Verstöße konsequent verfolgen.“
Oberbürgermeister Thomas Kufen hatte im Sozialen Netzwerk Facebook formuliert: „Polizei und Stadt dulden solche Tumultszenen in unserer Stadt nicht.“