Essen. Nach der Großrazzia im September berichtet der Innenminister: Mediziner als ein Hauptakteur der extremistischen „Artgemeinschaft“ unter Verdacht.
Im Zuge des bundesweiten Verbots der rechtsextremistischen „Artgemeinschaft“ hat eine Spezialeinheit der Polizei Ende September eine Wohnung und eine Arztpraxis in Essen-Bredeney durchsucht. Inzwischen wird klarer, wem die Einsatzkräfte an der Bredeneyer Straße ihren überraschenden Besuch abstatteten.
Der dort praktizierende Mediziner gilt den Behörden als einer von vier Hauptakteuren der Neonazi-Sekte in Nordrhein-Westfalen, die „als aktive Mitglieder die Ziele und Zwecke der Organisation vorangetrieben haben und in der Verbotsverfügung als Adressaten aufgeführt sind“, heißt es in einem Bericht des Innenministers für den Innenausschuss des Landtags. Der beschäftigt sich am Donnerstag auf Initiative der SPD mit der Frage, in welchem Umfang der rechtsextremistische Verein in NRW aktiv war.
Ziel der Durchsuchungen am frühen Morgen des 27. Septembers war es nach Darstellung der Behörden, das Vereinsvermögen zu beschlagnahmen und „Beweismittel für die verfassungswidrigen Bestrebungen der Vereinigung sicherzustellen“. Zudem sollten die Strukturen der Organisation aufgehellt werden.
Das Ermittlungsverfahren läuft noch
Es seien „verschiedene Druckerzeugnisse“ des Vereins, aber auch Pamphlete von nationalsozialistischen Autoren mit entsprechenden Inhalten beschlagnahmt worden. Auch Kleidungsstücke mit aufgenähten Kennzeichen der „Artgemeinschaft“ fielen den Fahndern in die Hände. Die Inhalte mehrerer Laptops, Desktops-Computern und Speichermedien, die die Einsatzkräfte ebenfalls einpackten, werden ausgewertet, so der Innenminister. Da das Ermittlungsverfahren noch läuft, nennen die Behörden keine weiteren Details zu den Ergebnissen der konzertierten Bundesrazzia in insgesamt 26 Objekten.
Der Verfassungsschutz macht in diesem Zusammenhang allerdings generell deutlich, dass völkische Siedlerorganisationen wie die „Artgemeinschaft“ dadurch gekennzeichnet seien, dass sie aktiv darauf hinarbeiten, sich geografische Gebiete anzueignen, um durch Zuzug Rückzugsräume zu schaffen. Dort finden sich dann Gruppierungen gleicher ideologischer Ausrichtung zusammen, um ihre rechtsextremistischen Ziele zu verfolgen. Die völkisch-nationalistische Weltanschauung sei dabei ein wesentlicher Bestandteil ihrer Ideologie.
Rassisten-Verein mit rund 150 Mitgliedern
In Nordrhein-Westfalen habe es in Sachen „Artgemeinschaft“ bereits personelle Überschneidungen zwischen Mitgliedern der Parteien ,,Die Rechte“ und der NPD sowie „Russlanddeutschen Konservativen“ (ehemals „Arminius Bund“), der Neonaziszene und der Reichsbürgerszene gegeben. „Vereinzelt sind dem Verfassungsschutz auch Hinweise über Kontakte zur „ldentitären Bewegung“ und Personen bekannt geworden, die dem Phänomenbereich Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates zuzuordnen sind“, heißt es in dem Bericht für den Innenausschuss.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums war die „Artgemeinschaft“ eine neonazistische, rassistische, fremden- und demokratiefeindliche Vereinigung mit rund 150 Mitgliedern. Sie richtete sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und insbesondere aufgrund antisemitischer Inhalte auch gegen den Gedanken der Völkerverständigung.
Die Bredeneyer Arztpraxis, die am Mittwoch durchsucht wurde, war auch während der Corona-Pandemie ins Gerede gekommen. Der Mediziner soll der Impfgegner-Szene nahegestanden haben und zudem einzelnen Patienten Impf-Bescheinigungen ausgestellt haben, obwohl diese gar nicht geimpft worden waren. Die Bescheinigungen wurden eine Weile bei Veranstaltungen und am Arbeitsplatz verlangt, um dort das Ansteckungsrisiko für andere zu minimieren. Ob die Vorwürfe zu Konsequenzen für den Arzt oder die Praxis führten, ist unklar.