Essen-Margarethenhöhe. Im Winter ist der Halbachhammer auf der Margarethenhöhe geschlossen. Das heißt nicht, dass die Mitarbeiter Pause machen. Im Gegenteil.
Die Saison am Halbachhammer im Nachtigallental unweit der Siedlung Margarethenhöhe neigt sich dem Ende entgegen. Noch bis Anfang November läuft hier an den Wochenenden der vom Ruhr Museum organisierte Veranstaltungsbetrieb, dann geht die Anlage in den Winterschlaf. Was nicht heißt, dass hier nichts los sein wird. Im Gegenteil: Es stehen Reparaturen an. Und für die Zukunft einige spannende Projekte. Zum Beispiel: grüner Stahl aus dem Ruhrgebiet.
Thomas Mantowski läuft durch das Fachwerkgebäude und schaut sich um. In der Nähe des riesigen Hammers bleibt er stehen. „Da ist der Holzwurm drin“, sagt er, legt zunächst die Hand auf das Holz, nimmt dann ein Stück Holz, klopft damit ein paarmal gegen den Balken und hört genau hin. „Das ist etwas, das wir in den nächsten Tagen immer wieder tun werden. Man läuft rum, guckt sich alles genau an und klopft es ab.“ Er deutet auf einen quadratischen Balken oberhalb des Hammerstiels. Eine kleine Stelle ist abgebrochen. „Da habe ich letztens mit einem Stück Holz dagegen geschlagen, um festzustellen, ob da der Holzwurm drin ist. Und ja, da ist was drin, das muss da raus.“
Lautstarke Schmiedevorführungen in den Sommermonaten
Mantowski ist nicht nur Museumspädagoge, sondern auch Schweißfachingenieur. Viele der notwendigen Reparaturarbeiten erledigt er selbst. Sein Kollege Achim Mikuscheit war einst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ruhr Museum, ist heute in Rente, kümmert sich aber weiter um den Halbachhammer und um den Deilbachhammer in Kupferdreh. Und wenn man den beiden zuhört, dann strömt aus jedem Wort ihre Begeisterung – für die Geschichte der Anlage, für die Arbeit, die in den letzten Jahrzehnten in dieses Projekt geflossen ist und für die verschiedenen Kooperationen, die dadurch entstanden sind.
Und für die Vorführungen. Tatsächlich sind die Schmiedevorführungen am Halbachhammer legendär: Wenn die Anlage mit Wasserkraft betrieben wird und der riesige Hammer mit lautem Knall auf das Roheisen trifft. Für die Tausenden von Besucherinnen und Besucher, die jährlich zu den Vorführungen strömen, ist das ein beeindruckendes Erlebnis, das mit viel Lärm und ungeheurer Kraft einhergeht. Dabei wird deutlich, unter welch hoher Belastung der Hammer und die Anlage drumherum stehen. „Wenn wir in die alte Literatur schauen, wo die Zeit beschrieben ist, als die Anlage noch an sechs Tagen die Woche jeweils 14 Stunden gearbeitet hat, dann sehen wir, dass der Hammerstiel so nach drei bis sechs Monaten gebrochen ist“, erklärt Mantowski. „Wir dagegen gehen möglichst schonend damit um, weil wir ja auch nicht ständig einen neuen Stiel einbauen wollen.“
Sicherheit der Museumsbesucher am Halbachhammer hat Vorrang
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Mantowski und Mikuscheit eins sind mit dieser Anlage. Jeden Balken, jedes Schräubchen kennen sie genau, viele Teile haben sie selbst gebaut, selbst repariert oder waren dabei, wenn Fachbetriebe anrückten, um Dinge ans Laufen zu bringen. Vor gut 20 Jahren waren sie mit von der Partie, als der Frischeofen gebaut wurde. Regelmäßige Reparaturen sind notwendig genauso wie ständige Kontrollen. „Bei den Vorführungen geht es ja auch und vor allem um die Sicherheit der Besucher und der Mitarbeiter“, so Mikuscheit.
Ein entsprechendes Konzept haben sie in den 90er-Jahren gemeinsam mit einer Ingenieurin der Stadt Essen entwickelt. „Thomas Mikuscheit hat eine Zusatzausbildung für diese Überprüfungen. Und wenn wir feststellen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, dann fragen wir uns: Können wir damit noch verantwortungsvoll Vorführungen machen? Wenn nicht, dann muss es instandgesetzt werden.“
Unterstützung gesucht
Am Halbachhammer im Nachtigallental stehen an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 18 Uhr Schmiedevorführungen an. Außerdem gibt es Veranstaltungen für Gruppen, und sogar Kindergeburtstage sind möglich.
Zur Verstärkung des museumspädagogischen Schmiedeteams im Halbachhammer sucht das Ruhr Museum noch Menschen, die über eine Metaller- oder eine handwerkliche Ausbildung verfügen. Interessenten sollten Freude daran haben, das Schmiedehandwerk bei öffentlichen Veranstaltungen im Halbachhammer für unterschiedlichste Besuchergruppen vorzuführen.
Gefragte Qualitäten sind dabei handwerkliches Geschick und die Leidenschaft, den Menschen die Arbeit mit Feuer und glühendem und formbarem Eisen zu vermitteln. Das Ruhr Museum würde bei entsprechender Resonanz eine einführende Schulung anbieten.
Interessenten können sich mit dem Stichwort „Erweiterung des Schmiedeteams“ unter folgender Mailadresse melden: info@ruhrmuseum.de
Nur ein paar Meter vom Hammer entfernt befindet sich das große Wasserrad, das ihn antreibt. Auch hier werden in den kommenden Monaten Arbeiten notwendig sein. In das Rad eingelassen sind so genannte Kragarme, auf denen die Wasserschaufeln angebracht sind. Einige davon sind morsch, andere sogar bereits abgebrochen. „Wir werden die Kragarme ersetzen und die Schaufeln wieder anbringen. Bei den Vorarbeiten haben wir festgestellt: Das Wasserrad besteht aus mehreren Segmenten, und einige davon sind nicht mehr in Ordnung. Wir werden also jetzt über den Radius des gesamten Wasserrades ein Edelstahlband ziehen, das das zusammenbringt. Damit müsste das Rad noch einmal zwei Jahre halten.“
Alte Anlage auf der Margarethenhöhe setzt auf Elektromotor
Die Anlage ist nun mal alt. Sehr alt. Um 1417 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt, sie stand damals noch im Siegerland und ist ein Beispiel für die vormoderne Eisen- und Stahlerzeugung auf Grundlage von Holzkohle und Wasserkraft. Aus kohlenstoffangereichertem und sprödem Roheisen wurde durch einen erneuten Schmelzprozess, das so genannte „Frischen“, und das anschließende Schmieden mit dem riesigen Hammer Stahl erzeugt. Um 1900 wurde die Anlage nach 500-jähriger aktiver Betriebszeit stillgelegt. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach veranlasste ihre Überführung nach Essen und ließ sie 1935/36 im Nachtigallental betriebsfertig wiedererrichten.
Den gesamten Herstellungsprozess können Besucherinnen und Besucher heute nachverfolgen. Für den Museumsbetrieb ist mittlerweile ein Elektromotor konstruiert worden, der das große Rad und damit den Hammer bewegt. Doch auch Wasserkraft kann bei den Vorführungen eingesetzt werden, wenn auch nicht in diesen Tagen – denn auch hier sind Reparaturen notwendig.
Draußen, nur wenige Meter entfernt, steht der so genannte Hauptschütz – eine Holzschleuse, die das Wasser des Baches staut und für den Betrieb des Halbachhammers wieder freigibt. „Um die Anlage laufen zu lassen, benötigen wir 1000 Liter Wasser pro Sekunde“, erklärt Mikuscheit, „das sind etwa vier bis fünf Badewannen. Diese immensen Mengen Wasser müssen in einem Becken vorgehalten werden. Das heißt, auf den Hauptschütz drücken etwa vier Tonnen Gewicht. Das schafft das Holz im Moment nicht mehr.“
Zukunftsträume: Grüner Stahl von der Margarethenhöhe
Kleinere Arbeiten am Halbachhammer werden in den meisten Fällen von Ehrenamtlichen wahrgenommen. Für die größeren Projekte werden jeweils Fachfirmen eingesetzt, teilweise Tochterfirmen der Stadt Essen, und auch die Jugendberufshilfe mit ihrer Holz- und Metallwerkstatt unterstützt immer wieder. „Dieser Mix aus verschiedenen Beteiligten hat sich seit Jahren bewährt“, sagt Mikuscheit. „Die Kooperation mit der Jugendberufshilfe ist eine Win-Win-Situation. Hier wird die Anlage repariert, und die jungen Menschen lernen, mit der Technik zu arbeiten.“
Für Mantowski ist gerade die Arbeit mit jungen Menschen und die Vorführungen für Familien die Hauptmotivation, sich hier einzusetzen: „Wir brauchen in Deutschland wieder junge Menschen, die technikaffin sind. Das ist wichtig für unseren Wohlstand. Und junge Menschen für Technik zu begeistern, das treibt mich an.“
Doch es sind nicht nur Reparaturarbeiten und Vorführungen, die die beiden Verantwortlichen am Halbachhammer derzeit beschäftigen, sondern auch ein Traum für die nicht ganz so weit entfernte Zukunft. Und dieser Traum heißt: grüner Stahl vom Halbachhammer. „In den 1930er-Jahren gab es hier einen Holzkohlemeiler“, blickt Mikuscheit in die Vergangenheit. „Der Betonsockel ist noch da.“ Die Idee: auf dem Gelände eine so genannte Retorte bauen, mit der eigene Holzkohle hergestellt werden kann. Mantowski: „Wir hätten damit den gesamten Prozess von der Holzkohle über das Wasser und das Schmelzen des Roheisens bis hin zum Stahl in der eigenen Hand. Und weil unsere Kohle aus Bäumen, also aus nachwachsenden Rohstoffen, hergestellt wird, entsteht kein zusätzliches CO2. Wir könnten dann also grünen Stahl herstellen.“ Grüner Stahl aus dem Ruhrgebiet – in kleinen Mengen zwar, doch: Ein Traum lebt.