Essen. In Essen haben besonders viele Hausbesitzer gegen den Grundsteuerbescheid Einspruch eingelegt. Das zeigen erstmals Zahlen des Finanzministeriums.

  • Das NRW-Finanzministerium hat erstmals Zahlen vorgelegt, wie viele Einsprüche es in Essen gegen die Grundsteuerbescheide gibt
  • In Essen ist die Quote der Einsprüche besonders hoch
  • Der FDP-Politiker Ralf Witzel warnt, dass nun eine Klagewelle auf die Gerichte zukommen könnte, wenn die Landesregierung nicht handelt

Die neue Grundsteuerfestsetzung ist in Essen auf besonders großen Widerstand gestoßen. Gegen die Grundsteuer-Bescheide sind bis Ende August dieses Jahres fast 40.000 Einsprüche erhoben worden. Das geht aus der Antwort des NRW-Finanzministeriums auf eine Anfrage des Essener FDP-Landtagsabgeordneten Ralf Witzel hervor, die der Redaktion vorab vorlag.

Bis Ende Januar waren die Besitzerinnen und Besitzer von Immobilien und Grundstücken aufgefordert gewesen, eine Grundsteuererklärung einzureichen. In Essen müssen die Finanzämter für insgesamt 166.000 Liegenschaften neue Bescheide erstellen. Mit 40.000 Einsprüchen liegt die Quote in Essen deutlich über dem Landesdurchschnitt (siehe Infos am Textende).

Witzel: Einsprüche gegen Grundsteuer legen Finanzämter in Essen lahm

„Die Essener wehren sich und das ist gut so“, erklärte Witzel und betonte gleichermaßen: „Die Essener Finanzbeamten trifft dabei keine Schuld. Sie sind selber Opfer der planlosen Politik und aufgrund ihrer Arbeitslast zu bedauern.“

Die Zahl der Einsprüche könnte indes weiter steigen, denn auch Mitte September hatten längst noch nicht alle Hausbesitzer und -besitzerinnen ihre Grundsteuererklärung abgegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlten dem Finanzamt Essen Nord-Ost noch über 6300 Erklärungen, beim Finanzamt Essen-Süd waren noch fast 5300 Eigentümer säumig.

Der Essener FDP-Politiker Ralf Witzel.
Der Essener FDP-Politiker Ralf Witzel. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

In diesen Fällen schätzen seit April dieses Jahres die Steuerbehörden die Grundsteuerbemessungen. Über 6000 solcher Schätzungen hatten die beiden Essener Finanzämter bis Mitte September erledigt. Experten erwarten, dass diese in der Regel zuungunsten des Eigentümers ausfallen dürften und dies weitere Einsprüche nach sich ziehen könnte. Mit der Schätzung erübrigt sich im Übrigen die Pflicht zur Abgabe der Grundsteuererklärung nicht.

Wie viele von den fast 40.000 Einsprüchen die beiden Essener Finanzämter bislang erledigt haben, geht aus der Antwort des Finanzministers nicht hervor. Dort wird lediglich erwähnt, dass die Steuerbehörden knapp 2000 Bescheide bis Mitte vergangenen Monats korrigiert haben.

Witzel fordert Musterverfahren zur Grundsteuer

Mit Blick auf die hohe Zahl der Einsprüche fordert der FDP-Politiker Witzel von der Landesregierung einen grundlegenden Kurswechsel im Umgang mit den Grundsteuerprotesten. „Das aktuelle Grundsteuerchaos muss im Sinne der Essener Steuerzahler und der Finanzbeamten schnellstens beendet werden“, erklärte er. Es räche sich nun, dass Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) „seit über einem Jahr keinerlei Entgegenkommen zeigt, sich ernsthaft mit den gravierenden rechtlichen Einwänden seiner Neuberechnung zu beschäftigen“.

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Witzel schlägt in der jetzigen Situation zwei Dinge vor: Zum einen müssten die noch ausstehenden Bescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen werden, um weitere Einsprüche zu vermeiden. Wenn dies von Beginn an so gehandhabt worden wäre, „dann hätten wir uns diese Einspruchswelle, die die Finanzämter lahmlegt, ersparen können“, meinte Witzel. Denn den Löwenanteil bei den Einsprüchen machten grundsätzliche Rechtsfragen rund um das neue Grundsteuermodell aus.

Witzel fordert daher zum anderen den Finanzminister auf, Musterverfahren zuzulassen, in denen diese Rechtsfragen geklärt werden könnten. Parallel müsse der Minister alle anhängigen Einsprüche solange ruhend stellen. „Bislang aber verweigert der Finanzminister eine solche effiziente Verfahrensweise“, monierte Witzel.

Grundsteuer: Klagewelle droht vor den Essener Gerichten

Geschehe das nicht, dann droht aus Witzels Sicht eine Klagewelle vor den Gerichten. Selbst wenn nur ein Teil der Essener Klage einreichen würde, würden die Gerichte mit Tausenden Verfahren überzogen und ebenso lahmgelegt wie zur Zeit die Finanzämter. „Das wäre doch irre“, so Witzel.

Die neue Grundsteuer wird ab 1. Januar 2025 fällig werden. Für die Kommunen ist die Grundsteuer eine wichtige Einnahmequelle. Wie viel die einzelnen Eigentümer künftig zahlen müssen, hängt entscheidend von den sogenannten Hebesätzen der Gemeinden ab.

Die genauen Zahlen der Einsprüche

Grundbesitzer erhalten nach einer Hauptfeststellung zum einen den Feststellungsbescheid vom Finanzamt. Darin werden ihnen der Grundsteuerwert, also der Wert des Grundstücks, aber auch die Steuermesszahl und der Steuermessbetrag mitgeteilt. Im Grunde handelt es sich damit um zwei Bescheide, gegen die getrennt vorgegangen werden kann. In einigen Fällen werden Eigentümer auch gegen beide Bescheide Einspruch erhoben haben.

Finanzamt Essen Nord-Ost:

Grundsteuerwertfeststellungsbescheid: 13.000 Einsprüche (16,4 Prozent)

Grundsteuermessbetragsbescheid: 2400 (3 Prozent)

Finanzamt Essen Süd:

Grundsteuerwertfeststellungsbescheid: 15.000 Einsprüche (21,8 Prozent)

Grundsteuermessbetragsbescheid: 9400 (13,4 Prozent)

Landesweit

Grundsteuerwertfeststellungsbescheid: 726.000 Einsprüche (12,6 Prozent)

Grundsteuermessbetragsbescheid: 348.000 Einsprüche (6,2 Prozent)

Stichtag war jeweils der 28. August 2023.