Essen-Bredeney. Wieso eine 20-Jährige in Sachen Ausbildung in Essen mit ihrem Hobby punkten kann. Und warum sie sich mehr Anleitung bei der Berufswahl wünscht.
Das Abi? In der Tasche. Das Studium? Eher ein Testballon. Eine Ausbildung zur Erzieherin? Für Luisa Hein die perfekte Lösung. Weil die Rahmenbedingungen stimmen und vor allem: die Praxiserfahrung nicht zu kurz kommt. Seit Anfang August absolviert die Mülheimerin in der evangelischen Kita am Brandenbusch eine so genannte praxisintegrierte Ausbildung für Erzieherinnen (PiA) und fühlt sich dank der dortigen Schwerpunkte Inklusion und Bewegung beruflich erstmals angekommen. Und auch für die Kita in Trägerschaft des Diakoniewerkes ist die 20-Jährige „ein absoluter Glücksgriff“, sagt Leiterin Kathrin Becker. Hein punktet dabei mit einer nicht ganz alltäglichen Zusatzqualifikation: Sie trainiert die U15-Mädchenmannschaft des Fußballclubs SV Heißen Mülheim.
„Mir war immer schon klar, dass ich beruflich etwas mit Menschen machen möchte und nicht unbedingt einen Bürojob. Deshalb habe ich nach meinem Abi an der Gesamtschule Holsterhausen im vergangenen Jahr recht zügig mit einem Studium begonnen.“ Hein studiert an der Internationalen Hochschule (IU) Soziale Arbeit – und merkt schnell, dass diese Richtung doch nicht die richtige ist. „Wir haben dort sehr viel mit psychisch erkrankten Menschen gearbeitet, und ich konnte da nicht so ganz die Distanz wahren und habe die Probleme quasi mit nach Hause genommen.“
Ausbildung im Essener Bewegungskindergarten statt Studium
Sie bricht das Studium ab, arbeitet zunächst als Integrationshelferin und begleitet bis August zwei Kinder mit Beeinträchtigungen im Schulalltag. „Das war schon mehr mein Ding; aber ich habe auch gemerkt, dass mir einfach die Grundlagen fehlen, das pädagogische Fachwissen, ich habe das ja quasi ohne Berufsausbildung gemacht. Und deshalb war irgendwann klar: Ich mache jetzt erst einmal eine Ausbildung.“
Und in der Kita am Brandenbusch findet sie das perfekte Match: Seit 2019 ist die Kindertagesstätte ein vom Landessportbund zertifizierter Bewegungskindergarten, arbeitet nach dem Prinzip „Lernen durch Bewegung“; eine der drei Gruppen ist zudem inklusiv. Eine Kombination, die passt. Gerade in Sachen Bewegung. Hein: „Für mich war eigentlich immer schon wichtig, rauszukommen und etwas mit anderen machen. Ich habe mit fünf Jahren mit dem Fußballspielen begonnen, war mit zwölf Co-Trainerin; seit vier Jahren trainiere ich mit den U15-Mädchen eine eigene Mannschaft. Ich freue mich wirklich schon darauf, hier in der Kita mit den ersten Übungen anzufangen.“
Auch Kita-Leiterin Kathrin Becker kann das Training kaum noch erwarten: „Natürlich muss Luisa erst einmal bei uns ankommen. Sie ist ja erst seit dem 10. August hier. Aber es passt einfach so gut. Es ist schwierig genug, Leute zu bekommen. Der Fachkräftemangel ist überall Thema. Gerade erst war eine Erzieherinnenstelle bei uns ein Dreivierteljahr vakant. Und jetzt haben wir eine Auszubildende, die sich sozial und im Verein engagiert, die die Übungsleiterlizenz, die wir damals alle für die Zertifizierung noch nachholen mussten, bereits in der Tasche hat. Luisa kann sofort loslegen, neue Aspekte in unser Bewegungskonzept einbringen und mit den Kindern beispielsweise die Grundlagen des Ballsports erarbeiten.“
PiA-Ausbildung: Praxis in Essen-Bredeney und Theorie in Werden
Zwei Tage in der Woche, montags und freitags, so sieht es das PiA-Konzept vor, arbeitet Luisa Hein vor Ort in Bredeney, die restliche Zeit absolviert sie an der Johannes-Kessels-Akademie in Werden. Für sie genau die richtige Mischung aus Theorie und Praxis. Ein anderes Studienfach mit pädagogischer Ausrichtung war für die 20-Jährige hingegen keine Alternative: „Das Studium war letztlich nur ein Versuch, weil ich einfach nicht wusste, in welche Richtung ich gehen soll. Und tatsächlich bin ich auch nicht unbedingt eine große Lernerin. Ich möchte etwas in der Praxis machen, ich möchte schon gleich richtig arbeiten. Und genau das klappt hier.“
Praxisintegrierte Ausbildung zur Erzieherin (PiA)
Die praxisintegrierte Ausbildung zur Erzieherin (PiA) gibt es seit 2012. Sie kombiniert von Anfang an und über die vollen drei Ausbildungsjahre Theorie und Praxis – anders als die klassische Ausbildung zur Erzieherin, in der die ersten beiden Ausbildungsjahre dem Schulunterricht vorbehalten sind.
PiA-Auszubildende sind in der jeweiligen Einrichtung fest angestellt und erhalten daher von Beginn an ein Gehalt – ein Aspekt, der den Beruf mit Blick auf den Fachkräftemangel grundsätzlich attraktiver gestalten soll.
Nach einem etwas holperigen Start scheint Luisa Hein jetzt also auf dem richtigen Weg in Sachen Berufsausbildung. Etwas mehr Anleitung und Unterstützung, in welche Richtung es nach dem Abitur gehen kann, hätte sich die 20-Jährige dabei schon gewünscht: „Es wäre zum Beispiel schon sehr hilfreich gewesen, wenn nicht immer noch dieses typische Bild einer Erzieherin vermittelt würde – man sitzt mit den Kindern auf einem Teppich und spielt ein bisschen. Dieses Bild hatte ich früher auch im Kopf. Aber schon nach so kurzer Zeit kann ich sagen, dass der Beruf deutlich vielfältiger ist. Und es auch darauf ankommt, was man selbst daraus macht.“