Essen. Der Ruhrbischof räumt in einem Brief an die Gläubigen im Bistum Versäumnisse im Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen gegen Kardinal Hengsbach ein.

Nach der Veröffentlichung von Missbrauchsvorwürfen gegen den Gründerbischof des Bistums Essen, Kardinal Franz Hengsbach, räumt Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in einem Brief an die Gemeinden seines Bistums Versäumnisse im Umgang mit diesen Vorwürfen ein. Das Bistum hat am Freitag (22. September) eine entsprechende Pressemitteilung veröffentlicht. Danach schreibt Overbeck in diesem Brief an die Gläubigen: „Ich bitte Sie nun alle um Entschuldigung für meine Fehler.”

„Vorwürfe im Jahr 2011 wurden falsch eingeschätzt“

Overbeck führt aus, dass er 2011 durch das Erzbistum Paderborn von einem ersten Missbrauchsvorwurf gegen Hengsbach erfahren habe und nach der Rückmeldung der Kongregation für die Glaubenslehre, dass diese die Vorwürfe für nicht plausibel halte, nichts weiter unternommen habe, weil er den Fall als bearbeitet ansah.

Nach Angaben der Bischöflichen Pressestelle habe Overbeck deshalb auch ein Forschungsteam nicht auf diesen Vorgang aufmerksam gemacht, das die im März vorgestellte Aufarbeitungsstudie zu sexuellem Missbrauch im Bistum Essen erarbeitet hat. „Im Ergebnis muss ich nun eingestehen, dass die Vorwürfe im Jahr 2011 falsch eingeschätzt wurden und den Betroffenen Unrecht geschehen ist“, betont Overbeck in seinem Schreiben.

Mit dem Wissen aus einem weiteren Missbrauchsvorwurf, der im März dieses Jahres intensive Recherchen ausgelöst hat, „ist der Vorwurf aus dem Jahr 2011 aus gutem Grund vollkommen neu zu bewerten“, so Overbeck weiter. Der Ruhrbischof betrachte es „aus heutiger Sicht als persönlichen Fehler, nach der Mitteilung über die Bewertung der Glaubenskongregation letztlich die damals vorliegenden Beschuldigungen als erledigt anzusehen“.

Missbrauchsbeauftragte wurde nicht über den Vorwurf gegen Hengsbach informiert

Dies habe dazu geführt, dass er nicht nur das Forschungsteam für die Aufarbeitungsstudie, sondern auch bereits 2011 die damalige Missbrauchsbeauftragte des Bistums nicht über den vorliegenden Vorwurf gegen Hengsbach informiert habe. „So kam es, dass sie im August des Jahres 2011 die Anfrage einer Behörde in einer Versorgungsangelegenheit verneinte, ob dem Bistum Essen Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Hengsbach bekannt seien. Das entsprach ihrem Wissensstand und darf ihr nicht angelastet werden“, betont der Bischof.

Overbeck führte in seinem Brief aus, dass er heute viel darüber nachdenke, „warum ich bei all meinen damaligen Bemühungen, Missbrauch aufzuklären, zu solchen Fehleinschätzungen gekommen bin, die dann auch zu Fehlern geführt haben.“ Gerade mit Blick auf die aktuelle Missbrauchsstudie sei ihm nun deutlich geworden, „dass ich nach den Standards damaliger Zeit handelte, die sich aus heutiger Sicht als vollkommen ungenügend darstellen. Ich stellte die Bewertung, der zufolge die Missbrauchsvorwürfe nicht plausibel seien, selbst nicht infrage. Das war falsch. Ich konnte auch nicht glauben, dass ein geschätzter Kardinal, der zugleich mein Vorgänger im Bischofsamt war, anderen Menschen furchtbares Leid zugefügt haben könnte.“

Bistum will den „gesamten Vorgang umfassend und unabhängig aufarbeiten lassen“

Ihm, Overbeck, sei damals nicht bewusst gewesen, dass er damit „dem Muster folgte, dem Schutz des Ansehens eines kirchlichen Würdenträgers Vorrang zu geben und die betroffenen Menschen nicht hinreichend zu sehen“.

Overbeck schreibt in dem Brief an die Gläubigen, er habe gelernt und möchte weiter vertiefen „was für uns alle in unserer Kirche gilt: Die Perspektive der von sexueller Gewalt betroffenen Menschen muss im Mittelpunkt stehen und uns in unserem Handeln leiten“.

Nun wolle er den gesamten Vorgang umfassend und unabhängig aufarbeiten lassen – unter anderem suche er hierzu den Kontakt zur gerade entstehenden Aufarbeitungskommission sowie zu den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung, das die Aufarbeitungsstudie für das Bistum erstellt hat.

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