Essen. Nach einem holprigen Start hat sich das Westdeutsche Protonentherapiezentrum Essen etabliert. Wie besonders Kinder von der Therapie profitieren.
Von Spitzenmedizin war die Rede, von einer weltweit führenden Einrichtung, kurz von einem „der internationalen Leuchttürme der Universitätsmedizin Essen“. So nannte der Ärztliche Direktor der Uniklinik Essen, Prof. Jochen A. Werner, jetzt das Westdeutsche Protonentherapiezentrum Essen (WPE), das dieser Tage sein zehnjähriges Bestehen feierte. Der Start des Zentrums war freilich so holprig wie verspätet.
Das Konsortium, das die rund 120 Millionen Euro teure Einrichtung gebaut hatte, wollte es ursprünglich im Jahr 2009 eröffnen. Doch es gab bauliche Mängel, die Technik lief anfangs nicht, in der Folge stand das Gebäude jahrelang leer. Erst Mitte 2013 – mit fast vier Jahren Verspätung – konnte die hochmoderne Protonenanlage ihre Arbeit aufnehmen. Rasch wollte man jährlich 1000 Patienten behandeln, vor allem Kinder mit einer Krebserkrankung: Für sie ist die Protonentherapie verträglicher als die übliche Strahlentherapie, weil sie sehr zielgenau wirkt.
Tumortherapie mit wenigen Nebenwirkungen
Inzwischen habe sich das WPE unter der Leitung von Prof. Beate Timmermann als eines der führenden Zentren für Protonentherapie etabliert, heißt es nun seitens der Universitätsmedizin. Es sei fest eingebunden in das Westdeutsche Tumorzentrum Essen (WTZ) und biete in Zusammenarbeit mit allen für die Behandlung notwendigen Disziplinen „eine nebenwirkungsarme Tumortherapie“.
Bei der Bestrahlung mit Protonen – positiv geladene Teile von Wasserstoffatomen – lasse sich genau definieren, an welcher Stelle im Körper sie ihre volle Energie schlagartig abgeben, erklären die Experten. „Nahezu nur dort schädigen sie die Krebszellen und verhindern weiteres Wachstum. Das ermöglicht eine höhere Strahlendosis, und die Protonen können deutlich tiefer in das menschliche Gewebe eindringen.“
Patientenzahl bleibt hinter Zielen zurück
Besonders geeignet sei die Methode für Patienten mit Tumoren, die gar nicht oder nicht vollständig operabel sind. Und die gleichzeitig von wichtigem, empfindlichen Gewebe umgeben sind, das besonders geschont werden müsse. Beispielhaft sei der Fall einer 27 Jahre alte Rumänin mit einem Knochentumor der Schädelbasis, der im März 2023 in ihrer Heimat operiert wurde. „Mit Hilfe der Protonentherapie in Essen konnte eine lokale Kontrolle des verbleibenden Tumors erreicht werden, ohne Gewebe und Organe in der Nähe, unter anderem Hirnstamm, Rückenmark, Innenohr und Sehnerv, zu schädigen.“
Patienten brauchen im Schnitt 30 Bestrahlungen
Im Jahr 2013 startete im Westdeutschen Protonentherapiezentrum (WPE) der klinische Betrieb – geplant war der Start ursprünglich für 2009. Bis heute wurden rund 4000 Patienten behandelt. Jeder bekommt im Schnitt 30 Bestrahlungen. Häufig trägt die Krankenkasse die Behandlungskosten.
Die Einrichtung unter Leitung von Prof. Beate Timmermann gilt als Deutschlands größtes universitäres Zentrum für Protonentherapie. Am 13. September wurde das zehnjährige Bestehen mit einer Fest- und Fachveranstaltung auf dem Campus der Universitätsmedizin gefeiert, dabei gab es auch Führungen durch die Protonenanlage.
Mit den insgesamt rund 4000 Patienten – davon die Hälfte Kinder – bleibt das WPE allerdings weiter hinter den selbstgesteckten Zielen zurück: Prof. Beate Timmermann, Direktorin der Klinik für Partikeltherapie und Ärztliche Leiterin des WPE, hatte im Jahr 2015 angekündigt, dass man ab 2018 um die 1200 Patienten behandeln wolle – pro Jahr.
„Bei der Bestrahlung von Schädelbasistumoren, Augentumoren und Tumoren im Kindesalter ist die Protonentherapie längst die Behandlung erster Wahl“, betonte Timmermann nun anlässlich des zehnjährigen WPE-Bestehens. Und die Zahl der Patienten nehme weiter zu: „Nicht zuletzt durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Kollegen aus dem WTZ und anderen Kliniken ist es uns gelungen, unser Angebot für alle Altersgruppen kontinuierlich zu erweitern, etwa um die Bestrahlung des Prostatakarzinoms oder jüngst um die Behandlung bestimmter Augentumore.“
Gesundheitspolitik soll für auskömmlichen Betrieb sorgen
Ob der defizitäre Betrieb des Zentrums dadurch auf eine solide Basis gestellt werden kann, ist ungewiss. Zur Feier bekannten sich Vorstand und Aufsichtsrat jetzt ausdrücklich zum WPE. Die Essener könnten sich glücklich schätzen, „ein solches Spitzenzentrum der modernen Krebstherapie in ihrer Stadt zu wissen“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen zum Zehnjährigen. Darüber hinaus sei es natürlich Aufgabe der Gesundheitspolitik, den auskömmlichen Betrieb des WPE zu gewährleisten.
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