Essen. Das NRW-Wissenschaftsministerium schweigt zu den Vorgängen an der Uniklinik Essen. Nun besucht die Ministerin die Stiftung Universitätsmedizin.

  • Die Uniklinik Essen hat sich von ihrem Kaufmännischen Direktor getrennt
  • Es herrscht Unruhe am Uniklinikum
  • Das NRW-Wissenschaftsministerium hält sich bislang bedeckt
  • Am Montag kommt die Ministerin zu einem Termin der Stiftung Universitätsmedizin nach Essen

Geraune, Gerüchte und eine spektakuläre Entlassung: Als sich die Uniklinik Essen unlängst mit sofortiger Wirkung, von ihrem Kaufmännischen Direktor Thorsten Kaatze trennte, war offiziell von „unterschiedlichen Auffassungen zur wirtschaftlichen Ausrichtung des Unternehmens“ die Rede. Insider aber sprachen von Konflikten unter Klinikdirektoren, Compliance-Verstößen von Führungskräften und anonymen Briefen ans NRW-Wissenschaftsministerium. Dort gibt man sich seither bedeckt.

Gespannt dürfte mancher daher auf den Sommerempfang der Stiftung Universitätsmedizin sein, der an diesem Montag (18. September) im Museum Folkwang stattfindet. Die Stiftung, deren Vorstand auch Kaatze angehörte, wirbt Geld bei Spendern und Sponsoren ein. Es wird für Projekte und Angebote an der Uniklinik genutzt, die über die medizinische Grundversorgung hinaus gehen. Bei dem Empfang dürfte man viele Gesichter aus dem Uniklinikum sehen. Außerdem wird am Montag auch Ina Brandes erwartet – Landesministerin für Kultur und Wissenschaft.

Ministerium hat die Rechtsaufsicht für das Essener Uniklinikum

Ein Sprecher ihres Hauses hatte unlängst noch auf eine Anfrage geantwortet: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns grundsätzlich zu etwaigen Vorwürfen gegen einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht äußern dürfen.“ Selbst die Frage, ob es überhaupt – anonyme – Anschuldigungen gegen Beschäftigte der Uniklinik gegeben habe, lässt das Haus unbeantwortet.

Beobachter hatten nach der Trennung von Kaatze angedeutet, dass man auch in Düsseldorf über die Unruhe am Uniklinikum alarmiert gewesen sei und die Vorsitzende des Aufsichtsrates Bärbel Bergerhoff-Wodopia zum Handeln aufgefordert habe. Diesem Eindruck möchte der Sprecher offenbar entgegentreten und betont, dass Unikliniken lediglich der Rechtsaufsicht des Ministeriums unterlägen und in Personalfragen „autonom“ seien. „Die Personalentscheidungen über den Vorstand eines Universitätsklinikums treffen die Aufsichtsräte.“

Uniklinikum Essen: Gemeinsame Erfolge – und gegenseitige Vorwürfe

Baustellen-Termin (v. l.): Prof. Dr. Christian Taube (Ärztlicher Direktor Ruhrlandklinik), Bärbel Bergerhoff-Wodopia (Aufsichtsratsvorsitzende der Universitätsmedizin), Bürgermeisterin Julia Jakob, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, Daniela Levy (Geschäftsführerin Ruhrlandklinik), Prof. Ulrich Radtke (damals Rektor der Uni Duisburg-Essen) Thorsten Kaatze (damals Kaufmännischer Direktor Universitätsmedizin) und Prof. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor der Universitätsmedizin informierten sich im Mai 2021 über den Neubau für das Zentrum für seltene Lungenerkrankungen der Ruhrlandklinik. Auch heute lobt die Universitätsmedizin die Ruhrlandklinik als „leistungsstarken Standort“.
Baustellen-Termin (v. l.): Prof. Dr. Christian Taube (Ärztlicher Direktor Ruhrlandklinik), Bärbel Bergerhoff-Wodopia (Aufsichtsratsvorsitzende der Universitätsmedizin), Bürgermeisterin Julia Jakob, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, Daniela Levy (Geschäftsführerin Ruhrlandklinik), Prof. Ulrich Radtke (damals Rektor der Uni Duisburg-Essen) Thorsten Kaatze (damals Kaufmännischer Direktor Universitätsmedizin) und Prof. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor der Universitätsmedizin informierten sich im Mai 2021 über den Neubau für das Zentrum für seltene Lungenerkrankungen der Ruhrlandklinik. Auch heute lobt die Universitätsmedizin die Ruhrlandklinik als „leistungsstarken Standort“. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Ob mit oder ohne Signal aus Düsseldorf verabschiedete sich der Aufsichtsrat zum 30. August von Kaatze, wünschte ihm „für seine berufliche und private Zukunft viel Erfolg und alles Gute“. Der Diplom-Volkswirt sagte laut Pressemitteilung, es falle ihm nicht leicht, die Uniklinik nach 13 Jahren zu verlassen. Er blicke aber „mit Stolz auf die positiven Entwicklungen und vielen Erfolge aller Beschäftigten zurück“.

Hinter vorgehaltener Hand hört man, neben gemeinsamen Erfolgen habe es zuletzt auch Vorwürfe gegeneinander gegeben: Von finanziellen Unsauberkeiten bei einzelnen Klinikdirektoren ist die Rede; etwa von nicht plausiblen Privatabrechnungen. Was davon disziplinar-, steuer- oder gar strafrechtlich relevant wäre, ist ungewiss. Was zutrifft, dito: „Heckenschützen und Whistleblower“ hätten die Vorwürfe verbreitet, sagen Insider.

Uniklinik Essen nimmt anonyme Meldungen sehr ernst

Am Uniklinikum Essen herrscht weiter Unruhe, seit der Kaufmännische Direktor Thorsten Kaatze überraschend seinen Posten räumen musste.
Am Uniklinikum Essen herrscht weiter Unruhe, seit der Kaufmännische Direktor Thorsten Kaatze überraschend seinen Posten räumen musste. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Man nehme anonyme Meldungen grundsätzlich „sehr ernst“, sagt die Uniklinik. Es gebe gesetzliche Verpflichtungen dazu, denen der Vorstand nachkomme, sobald sich „konkrete Anhaltspunkte“ ergäben. „Compliance-Meldungen wird mit der gebotenen Sorgfalt nachgegangen.“ Das Wissenschaftsministerium sei als Aufsichtsbehörde in Einzelfällen einzubinden. Um Betroffene und Hinweisgeber zu schützen, könne und dürfe die Uniklinik hierzu „keine Auskunft geben“.

Auch die Presse muss sich hüten, Betroffene oder eine ganze Einrichtung durch eine Verdachtsberichterstattung zu beschädigen. Gleichwohl wirft die Entlassung eines Kaufmännischen Direktors Fragen auf, besonders wenn sie nach vielen Jahren im Amt so abrupt vollzogen wird. Die „unterschiedlichen Auffassungen zur wirtschaftlichen Ausrichtung“ mögen eine Rolle gespielt haben: Offenbar gibt es auch bei zuletzt ausgeglichenem Ergebnis eine finanzielle Schieflage.

„Es ist richtig, dass die Universitätsmedizin Essen wie alle bundesdeutschen Universitätskliniken und letztlich alle Krankenhäuser durch zahlreiche Faktoren unter einem großen und steigenden wirtschaftlichen Druck steht“, bestätigt das Klinikum. Verursacht sei dies auch durch strukturelle Probleme, die „nur durch die Gesundheitspolitik“ gelöst werden könnten.

Beobachter stellen Ruhrlandklinik und St. Josef-Krankenhaus Werden zur Disposition

Es falle ihm schwer, die Uniklinik Essen zu verlassen, sagte der scheidende Kaufmännische Direktor, Thorsten Kaatze.
Es falle ihm schwer, die Uniklinik Essen zu verlassen, sagte der scheidende Kaufmännische Direktor, Thorsten Kaatze. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Unter den Medizinern der Uniklinik gibt es freilich auch solche, die eine Trennung von der Ruhrlandklinik und vom St. Josef-Krankenhaus Werden für eine sinnvolle Sparmaßnahme hielten: Beide Häuser seien defizitär und gehörten aufgrund ihres Profils nicht zwingend unter das Dach der Universitätsmedizin. Kaatze habe als Mitgeschäftsführer beider Häuser zu lange die schützende Hand über sie gehalten.

Bei Ruhrlandklinik und St. Josef-Krankenhaus handle es sich um „leistungsstarke und wichtige Standorte“, die das Leistungsspektrum der Universitätsmedizin signifikant erweiterten, widerspricht ein Sprecher des Klinikums. „Über die strategische Ausrichtung der Universitätsmedizin Essen einschließlich aller Standorte und Tochtergesellschaften sprechen wir regelmäßig innerhalb des Vorstands sowie des Aufsichtsrates.“

Uniklinik Essen will keine Angebote abschmelzen

Auch das Wissenschaftsministerium betont, dass der Vorstand der Klinik die betrieblichen Ziele festlege: „Es gibt seitens des Landes keine Vorgaben oder Einflussnahmen im Hinblick auf das operative Geschäft.“ Wie alle Unikliniken habe auch Essen 2022 und 2023 „corona-bedingte Mehraufwendungen aus dem Rettungsschirm des Landes erhalten“ – und sei nun angehalten, Sanierungs- und Konsolidierungsbeiträge zu entwickeln.

Dass man sich – auch angesichts der geplanten Krankenhausreform – von Abteilungen, Zentren oder Stationen trennen könnte, verneint die Universitätsmedizin indes: Als „führender Gesundheitsversorger“ der Region habe man eine „durch die Krankenhausplanung NRW klar festgelegte Aufgabe mit einem definierten Leistungs- und Behandlungsspektrum“. Kurz: „Eine Abschmelzung von Leistungsangeboten steht nicht zur Debatte.“ Im Gegenteil: Es werde weitere Angebote geben, etwa das neue „Zentrum für Hirngesundheit“.

Im Haus gab es Rätselraten um den Ärztlichen Direktor der Uniklinik Essen

Auch der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Essen, Prof. Dr. Jochen A. Werner, sei durch den Weggang des Kaufmännischen Direktors beschädigt, sagen Beobachter. Andere sehen den Schritt als Befreiungsschlag.
Auch der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Essen, Prof. Dr. Jochen A. Werner, sei durch den Weggang des Kaufmännischen Direktors beschädigt, sagen Beobachter. Andere sehen den Schritt als Befreiungsschlag. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Bleibt abzuwarten, mit welcher Führungsspitze die Uniklinik die Herausforderungen in Angriff nehmen wird: Durch die Causa Kaatze sei auch der Ärztliche Direktor Prof. Jochen A. Werner beschädigt, heißt es nun im Haus. Andere nennen Kaatzes Weggang einen Befreiungsschlag für Werner, der seit Herbst 2015 im Amt ist und Ende Oktober 65 Jahre alt wird.

Mit Blick auf diesen Geburtstag begann schon im vergangenen Jahr ein Rätselraten, ob Werner 2023 in Ruhestand gehen werde. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass sein Vertrag damals offenbar noch einmal um zwei Jahre verlängert wurde. Es droht also keine doppelte Vakanz im Vorstand der Universitätsmedizin. Offiziell bestätigen möchte das Uniklinikum die Verlängerung nicht: Man bitte um Verständnis, „dass wir zu Vertragskonstellationen keine Auskunft geben“.

Stelle der Compliance-Beauftragten wird nachbesetzt

Klar ist nur, dass weiter Unruhe herrscht am Klinikum mit seinen 10.000 Beschäftigten. Angesichts der im Raum stehenden Compliance-Verstöße dürfte die Kontrolle einer rechtskonformen und regelgetreuen Führung jetzt eine besonders wichtige Rolle spielen. Die dafür zuständige Compliance-Beauftragte hat die Uniklinik jedoch kürzlich verlassen. Mancher fragt sich, ob sie angeeckt sei, weil sie ihre Aufgabe sehr genau genommen habe. Kommissarisch nimmt nun Justiziarin Katrin Webels das Amt wahr; also jene Frau, die auch Kaatzes Job kommissarisch übernommen hat. Die Uniklinik nennt keine Gründe für den Weggang der früheren Compliance-Beauftragten. Nur so viel: „Die Nachbesetzung der Stelle ist eingeleitet.“

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