Essen. RWE-Vorstand Marcus Uhlig wundert sich, dass der „Böllerwerfer“ mit Bewährung davon kommen soll. Die Staatsanwaltschaft geht gegen das Urteil vor.
Wenn Rot-Weiss Essen am kommenden Sonntagabend im Stadion an der Hafenstraße Preußen Münster zum zweiten Heimspiel der noch jungen Drittligasaison empfängt, werden unschöne Erinnerungen wach. Beim letzten Aufeinandertreffen der Traditionsvereine im Februar 2022, damals noch in der Regionalliga West, sorgte ein Böllerwurf für mehrere Verletzte, einen Spielabbruch und bundesweite Schlagzeilen.
Wenige Tage bevor beide Mannschaften nun wieder gegeneinander antreten, hat das Landgericht Essen in zweiter Instanz das Urteil gegen den damaligen Täter, einen zur Tatzeit 29-jährigen Mann aus Marl, revidiert. Dem Familienvater bleibt das Gefängnis erspart, er kommt mit zwei Jahren auf Bewährung davon.
Erledigt ist der Fall damit nicht. Die Staatsanwaltschaft will das Urteil nicht akzeptieren und hat nach Angaben eines Gerichtssprechers bereits Revision eingelegt. Damit wird der Böllerwurf auch das Oberlandesgericht in Hamm beschäftigen.
In erster Instanz war der Böllerwerfer zu 26 Monaten Haft verurteilt worden
Das Amtsgericht Essen hatte den Marler in erster Instanz wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Durch die Detonation des „Polenböllers“, den der 29-Jährige aus Block W1 der Stehtribüne Alte West in Richtung Spielfeld geschleudert hatte, waren vier Personen verletzt worden; zwei Ersatzspieler der Preußen, die sich vor der Tribüne warm machten, der Athletiktrainer des Clubs und ein Balljunge erlitten Knalltraumata.
Ihnen muss der Täter jeweils 2000 Euro Schadenersatz zahlen. Auch dazu verdonnerte ihn das Landgericht. Dort hatte der Marler die Tat gestanden und bedauert. Er habe nicht gewollt, dass jemand verletzt wird. Den Opfern hatte er 300 Euro Schadenersatz angeboten. Nun muss er tiefer in die Tasche greifen.
Dass der „Böllerwerfer“ gleichwohl mit einer vergleichsweise milden Strafe davon kommt, kommentiert Marcus Uhlig, Vorstandsvorsitzender von Rot-Weiss Essen, mit einem Kopfschütteln. Für das Urteil des Landgerichts Essen habe er kein Verständnis, sagt Uhlig im Gespräch mit der Redaktion. „Da nutzt jemand ein Fußballspiel als Bühne, um eine Straftat zu begehen, mit offenkundiger Gefährdung von Besuchern und Spielern...“, sagt Uhlig um hinzuzufügen: Seinem Verständnis von Gerechtigkeit entspreche das Urteil nicht.
Landgericht Essen: Richterin attestierte dem Marler eine günstige Sozialprognose
Staatsanwaltschaft Carsten Maahs hatte in zweiter Instanz sogar zwei Jahre und zehn Monate Gefängnis für den Marler gefordert. Die Tat nannte der Anklagevertreter rücksichtlos. Polizei und Justiz war der 29-Jährige bereits wegen diverser Delikte bekannt, darunter Eigentumsdelikte, Brandstiftung und Körperverletzung. Zur Tatzeit stand er unter Bewährung.
Richterin Luise Nünning wertete den Böllerwurf dennoch als „Augenblicksversagen“, dem zweifachen Familienvater attestierte sie eine günstige Sozialprognose. Die Kinder brauchten einen Vater.
In wieweit das Urteil eine abschreckende Wirkung hat auf mögliche Nachahmer, bleibt dahingestellt. In einem Brief an die Redaktion bezeichnet ein Leser den Richterspruch als einen Schlag ins Gesicht der Polizei und des Vereins, die den Täter mit großem Aufwand ermittelt hatten. Das mache wütend.
Rot-Weiss Essen will von dem Täter Schadenersatz einfordern
Erst Hinweise von Stadionbesuchern, Aufnahmen eines Fotografen und Bilder in sozialen Netzwerken hatten die Ermittler auf die Spur des 29-Jährigen geführt. Identifiziert wurde er anhand auffälliger Tätowierungen. Die veralteten Überwachungskameras im Stadion erwiesen sich hingegen als wenig hilfreich, sie wurden inzwischen durch moderne Technik ersetzt.
Wie es in nächster Instanz vor dem Oberlandesgericht in der Sache weitergeht, bleibt abzuwarten. Ungeachtet dessen: Drei Jahre lang darf der Marler in Deutschland kein Fußballstadion betreten. Rot-Weiss Essen hat ihm zudem lebenslang Hausverbot erteilt.
Marcus Uhlig kündigte zudem an, dass auch RWE Schadenersatz gegenüber dem „Böllerwerfer“ geltend machen werde – in welcher Höhe ließ der Vorstandsvorsitzende offen. Vor Gericht war öffentlich geworden, dass der Marler an seinem Wohnort ein Haus gekauft hat, was Uhlig nach eigenen Worten mit Interesse zur Kenntnis nahm.
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