Essen. Essen: Das Welterbe Zollverein zeigt kostbare Leihgaben aus der Werdener Schatzkammer. Manches Goldobjekt bewahrt bis heute ein Geheimnis.

Goldschatz und Bodenschatz, das geht auf der Welterbe-Zeche Zollverein seit vielen Jahren gut zusammen. Unvergesslich geblieben ist für viele die Ausstellung „Gold vor Schwarz“, mit der der Essener Domschatz während des Domschatzkammer-Umbaus im Jahr 2008 ein spektakuläres Gastspiel auf Zollverein gab. Die Zusammenarbeit zwischen den zwei bedeutenden Essener Institutionen ist seither geblieben – jährlich stellen Domschatzkammer und die Schatzkammer Werden dem Ruhr Museum wertvolle Leihgaben für die Dauerausstellung zur Verfügung.

Gleich mehrere bedeutende Objekte aus der Blütezeit des Klosters Werden sind nun zusätzlich hinzugekommen. Zu sehen sind die fünf hochkarätigen Leihgaben aus St. Ludgerus und ein weiteres kostbares Stück aus dem Essener Domschatz in der Ausstellungsabteilung „Christianisierung“ auf der 12-Meter-Ebene der Kohlenwäsche, die der vorindustriellen Geschichte des Ruhrgebiets gewidmet ist.

„Welche Stadt verfügt schon über gleich zwei bedeutende Kirchenschätze?“

Für Essens Domprobst Thomas Zander ist die erweiterte Präsentation der Goldschätze nicht nur ein wichtiges Signal der Verbundenheit beider Institutionen: Bei vielen Besuchern von außerhalb richte sich der Fokus vor allem auf die Industriekultur. Essens kostbarer Kirchenschatz aber sei Beleg für die frühe Bedeutung und die große kulturelle Vergangenheit des Ruhrgebietes, lange bevor das „Schwarze Gold“ überhaupt gehoben wurde.

Den frühen kirchlichen Gründungen und dem bedeutsamen Einfluss der kunstsinnigen Fürstäbtissinnen schließlich ist es zu verdanken, dass sich im Ruhrgebiet frühe Zentren herausbildeten und Essen heute formal über die weltweit bedeutendste Sammlung ottonisch-salischer Goldschmiedekunst verfügt. Mit dem Domschatz und der Werdener Domschatzkammer sei Essen in einer echten Sondersituation: „Welche Stadt verfügt schon über gleich zwei bedeutende Kirchenschätze“, sagt der Leiter des Ruhr Museums, Theo Grütter.

Eine kostbare Leihgabe: Der Messkelch, der sogenannte Liudgerkelch, mit Inschriften zum Blut Christi, entstand um 1060 – in einer Werkstatt zusammen mit dem berühmten Werdener Kruzifix.
Eine kostbare Leihgabe: Der Messkelch, der sogenannte Liudgerkelch, mit Inschriften zum Blut Christi, entstand um 1060 – in einer Werkstatt zusammen mit dem berühmten Werdener Kruzifix. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Um den Rang der Essener Kirchenschätze zu unterstreichen, habe man auch „besondere Filetstücke aus der Schatzkammer“ nach Zollverein verliehen, sagt der Werdener Probst und Essener Stadtdechant Jürgen Schmidt, darunter ein Steinrelief mit Frauen, gearbeitet im „Essener/Werdener Stil“ oder ein kostbares Elfenbeinkästchen mit Deckel.

Zu den symbolträchtigen Leihgaben gehören vor allem Objekte, die eng mit dem Klostergründer Liudger in Verbindung stehen, darunter der Werdener Reliquienkasten und der „Liudgerkelch“. Der um 1060 entstandene mittelalterliche Abendmahlskelch entstand zwar erst nach dem Tod Liudgers, wird aber gleichwohl seit Jahrhunderten als Besitzstück des Klostergründers verehrt. Auch die silberne Reliquienschale aus dem frühen 13. Jahrhundert, der sogenannte „Nap“, soll in einer kleinen Kapsel das Blut Liudgers und einen Teil seines Gürtels enthalten.

Reliquienschale soll das Blut des heiligen Liudgers und einen Teil seines Gürtels enthalten

Die Kirchenschätze sind aber nicht nur symbolträchtige Objekte der Heiligenverehrung, sondern auch Spitzenstücke der Kunstgeschichte. Und sie stecken auch heute noch bisweilen voller Rätsel: Warum der Reliquienkasten, der sogenannte Tragaltar des heiligen Liudgers, offenbar ständig neu zusammengesetzt wurde und heute wie ein Puzzle aus Materialien verschiedenen Jahrhunderten erscheint – von den Walbeinbeschlägen aus dem 8. Jahrhundert bis zur Holzkastenkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert – ist ein Rätsel, das bis heute nicht vollständig gelöst werden konnte, erklärt Andrea Wegener, Leiterin der Domschatzkammer. „Die Forschung geht immer weiter.“

Die Dauerausstellung im Ruhr Museum ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt 10/erm. 7 Euro