Essen-Altenessen. In Altenessen muss kommendes Jahr eine Kita schließen. Kinder und Erzieherinnen werden aufgeteilt. Wie es soweit kommen konnte.
Pierre Oetzel versteht die Welt nicht mehr. Sein Sohn Milan ist endlich bei den Großstadtkrokodilen eingewöhnt – ein langwieriger und zäher Prozess. Der junge Altenessener war sehr schüchtern, verunsichert und still, außerdem viel krank. Irgendwann hat er dann doch Vertrauen gefasst, zu anderen Kindern und seiner jetzigen Lieblings-Erzieherin. Die Nachricht, dass der Kindergarten im kommenden Jahr schließen wird, traf seinen Vater in dieser Situation wie ein Schlag ins Gesicht.
Kita in Altenessen entspricht nicht pädagogischen Standards
Wie kann das passieren in einer Zeit, in der Kitaplätze in Essen Mangelware sind, neue geschaffen, statt vorhandene gestrichen werden müssten, um die Versorgungsquote irgendwann zu erfüllen? Seit dem Jahr 2016 steht fest, dass das Gebäude an der Altenessener Hundebrinkstraße am 31. Juli 2024 ausgedient haben wird. „Es entspricht nicht mehr dem pädagogischen Standards“, erklärt Vera Hopp. Sie ist Geschäftsführerin des Trägervereins, dem Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet. Es gebe keinen Mehrzweckraum, die Sanitärsituation sei nicht mehr tragbar, außerdem gebe es Lärmschutzprobleme.
Der Plan sei jedoch immer gewesen, dass es einen Ersatzstandort geben soll, in den alle Kinder mit den Erzieherinnen umziehen sollen. „Ich dachte immer, alle ziehen zusammen um“, sagt der 26-jährige Pierre Oetzel, der in der Vergangenheit bereits zwei weitere Kinder bei den Großstadtkrokodilen untergebracht hatte und die Arbeit des Teams sehr schätzt.
Immobilie am Altenessener Bahnhof sollte Ersatzstandort werden
Der ausgesuchte Ersatzstandort fällt jedoch gerade Stück für Stück in Schutt und Asche: Es ist die Bauruine am Altenessener Bahnhof. Nach Angaben von Vera Hopp waren sich Eigentümergesellschaft, Jugendamt und der VKJ als Träger bereits einig. Nachdem das Gericht jedoch die Abrissverfügung ausgesprochen hatte, war dieser Traum ausgeträumt.
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Auch ein weiterer Ersatzstandort an der Pielstickerstraße kommt nicht in Frage, wie die Verantwortlichen vor einigen Wochen erfahren haben. Der Grund hier: Der Investor hat einen Rückzieher gemacht, will angesichts der gestiegenen Kosten im Bausektor doch keine Einrichtung errichten.
Kitas: SPD warnt vor Kollaps im Betreuungssystem
Vera Hopp: „Das Kinderbildungsgesetz regelt die Finanzierung zum Bau von Kitas.“ Die entsprechenden Finanzierungssätze müssten dringend angehoben werden, damit sich der Bau für Investoren überhaupt noch lohnt. Die SPD-Opposition in NRW hatte im Juli sogar vor einem Kollaps des Betreuungssystems gewarnt. Vielen Einrichtungen in NRW drohe die Schließung oder Insolvenz, wenn das Land nicht finanziell nachbessere. „Es herrscht Alarmstimmung in den Kitas. Aber die Landesregierung hält sich bei dem Thema mit den Zeigefingern die Ohren zu“, kritisierte der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dennis Maelzer.
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Leidtragende sind die Eltern. Pierre Oetzel war die Komplexität der Thematik nicht klar, aber er spricht aus, was für viele entscheidend ist: „Es ist eine Frechheit, meinem Kind diejenigen wegzunehmen, die er lieb gewonnen hat.“ Und das gerade jetzt, wo der Vierjährige Fortschritte gemacht habe. Er sei selbstständiger geworden, ziehe sich eigenständig an, bekomme Logopädie in der Einrichtung und habe Freunde gefunden. Oetzel: „Er wird kaputtgehen, wenn er wechseln muss.“
26 Essener Kita-Kinder werden in verschiedene Einrichtungen aufgeteilt
Doch an der Schließung ist nicht mehr zu rütteln. 18 Kinder sind in diesem Jahr neu aufgenommen worden bei den Großstadtkrokodilen. Zum Zeitpunkt der Zusage hatten die Verantwortlichen noch den Standort an der Pielstickerstraße im Blick. Genauso viele Kinder werden im kommenden Jahr eingeschult, bleiben 26, die ab dem kommenden Sommer in verschiedenen anderen Einrichtungen betreut werden müssen. Die meisten Erzieherinnen werden in eine neu errichtete Kita in Altendorf wechseln.
Stefanie Kutschker vom Jugendamt der Stadt Essen: „Die Schließung einer Kindertagesstätte erfolgt niemals leichtfertig.“ Der VKJ habe die Arbeiterwohlfahrt, den deutschen Kinderschutzbund sowie den städtischen Träger jetzt kontaktiert, damit allen Kindern ein wohnortnahes und passgenaues Platzangebot gemacht werden kann. Mit den Familien sollen auch Einzelgespräche geführt werden. Die Träger hätten die Zusage gegeben, Großstadtkrokodil-Kinder im kommenden Jahr zu übernehmen. Zusätzlich bestünde die Möglichkeit, Kinder in zwei VKJ-Einrichtungen in der Nähe unterzubringen.
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