Essen. Den Fischen im Essener Baldeneysee geht es gut, ihre Anzahl hat jedoch erheblich abgenommen. Grund dafür sollen auch Kormorane sein.
Raubfisch und Friedfisch, Hecht und Wels, Barbe und Brasse: Sie alle leben im Baldeneysee, wo Wasserqualität und Wohlbefinden der Fische recht gut sind. Bei der Artenvielfalt wird nachgeholfen. Und doch ist der Gesamtbestand der Fische in den vergangenen Jahrzehnten bei aller Hege erheblich geschrumpft – denn im Gegensatz zu den Anglern kennt der Kormoran keine Schonzeit.
Während im Baldeneysee Karpfen, Aal und Zander schwimmen, sieht Stefan Jäger aus seinem Büro manchen Eisvogel und das Gewässer, dessen Fische und die Bedingungen für diese er im Blick hält. Denn der Diplom-Biologe, dessen Elternhaus in Überruhr stand und der heute in Iserlohn lebt, ist seit 1994 Geschäftsführer der Ruhrfischereigenossenschaft mit Sitz in Heisingen. In dieser Position ist er Jäger, Angler („eher selten“) und Naturfreund.
Der Essener Baldeneysee ist eine Barbenregion
Sein Arbeitsplatz befindet sich am Stauseebogen, in Nachbarschaft des Essener Fischereivereins, der einen Abschnitt der Ruhr sowie den Baldeneysee von der Genossenschaft gepachtet hat und dessen Mitglieder in diesen Gewässern vom Ufer oder vom Boot aus angeln. Sie notieren ihre Fänge und reichen ihre Fangauswertungen an Stefan Jäger weiter. Hinzu kommen Ergebnisse zum Fischbestand, die der Ruhrverband zuletzt 2020 zusammengetragen hat. Dazu mache das Land Kontrollbefischungen, Artenlisten wiederum besagen, welcher Fisch im See schwimmen sollte oder müsste und welcher besser nicht.
„Der Baldeneysee ist Barbenregion“, sagt Stefan Jäger zu einer der Hauptfischart, weitere sind Döbel, Ukelei und Brasse sowie Rotauge und Nase. Die kommen noch häufig oder zumindest regelmäßig vor, auf Schmerle und Quappe trifft das nicht mehr zu. Da Letztere aber ebenfalls als Leitart gilt, wird diese aufgezogen: „Sie gehört in den See.“
Das gilt auch für den Lachs, ihm soll der Fischlift am Werdener Stauwehr in den See helfen. Erste Erfolge meldet der Biologe, der zur Expertenkommission beim Thema Fischlift zählte, nachdem sie den Deilbach und die Ruhr in Mülheim mit Jungtieren besetzt hätten: In der Nachbarstadt hätten erste Lachse abgelaicht. „Das ist also keine Utopie, das kann funktionieren“, sagt er zur Hoffnung auf Lachse im Baldeneysee.
Schwarzmundgrundel ist aus dem Donausystem in den Essener Baldeneysee gekommen
In diesem schwimmen bereits Schleie und Aale sowie Fische, die nicht unbedingt hergehören, aber auch nicht stören. Zu diesen gehören Koppe und Rotfeder. Eine weitere solche Begleitart ist die Schwarzmundgrundel, die aus dem Donausystem stammt. „Sie ist recht jedoch rabiat und inzwischen massenhaft vorhanden“, erklärt der Biologe. Das hat zur Folge, dass sie manchen Köder wegschnappt und am Haken des Anglers hängt, der einen schmackhaften Aal angeln wollte.
Raubfische wie der Zander wiederum lernen, dass die Grundel da ist und zumindest ihm ganz gut schmeckt. Gleichzeitig aber gilt diese mit gerade einmal bis zu 15 Zentimetern selbst als sehr räuberisch und vertreibt im Uferbereich Schmerlen. Da Grundeln so klein seien, könne man wenig mit ihnen machen: „Frittieren oder an Zoos geben“, nennt Stefan Jäger zwei Optionen.
Geangelt werden im Baldeneysee jedes Jahr durchschnittlich 2,3 Tonnen Fisch, mit Wurm, Made oder Mais. Als Fangfisch spiele der Aal eine bedeutende Rolle, da er wohlschmeckend sei. Geangelt werden gern Hechte, Zander und Flussbarsche. Beim Aal macht das knapp 100 kg pro Jahr, beim Hecht sind es 1100 Kilogramm. Hinzu kommen Karpfen (400), Brasse (230), Barsch (knapp 200) und Zander (130). Nicht geangelt werden Schmerlen, da sie mit bis zu zwölf Zentimeter einfach zu klein seien. Besonders groß seien hingegen Welse, berichtet Stefan Jäger von Exemplaren mit mehr als zwei Metern Länge und einem Gewicht von rund 60 Kilogramm.
Zuständige haben Sorge um das Gleichgewicht im Baldeneysee
Groß waren einst auch die Fischbestände insgesamt: „Früher tat uns bei den Kontrollen der Rücken weh“, erinnert sich Stefan Jäger an volle Netze in den 1990ern, während dieses Vorgehen heute eher einer Stecknadelsuche gleiche, denn die Biomasse sei auf ein Fünftel zurückgegangen. Ein weiterer Grund für die schwierigere Suche mag ein verändertes Verhalten der Fische sein, die nachts unterwegs sind, weil sie tagsüber gejagt werden und sich entsprechend anpassen. Denn es lauern die Kormorane, die sich offenbar ebenfalls sehr wohl fühlen am Baldeneysee.
Rund 80 Brutpaare hätten sich angesiedelt. Mit ihrer steigenden Zahl sinke die der Fische. Für Stefan Jäger bedeutet das ständige Diskussionen mit den Ornithologen, für den Fischbestand vor allem enormen Druck. Dabei seien Fische nötig für ein sauberes Gewässer. So fressen Nasen Algen, Kieslaicher bearbeiten den Boden, so dass Schlamm ausgespült wird. Wo Arten fehlten, wachsen Algen, verschlammt das Wasser. „Wir sorgen uns durchaus ums Gleichgewicht“, sagt Stefan Jäger zum Thema Kormoran, das ihn mit Blick auf die Fische sehr beunruhigt. Hinzu kommen Nutrias, die Wasserpflanzenfelder fressen und so wichtigen Lebensraum vernichten.
Elodea im Baldeneysee bedeutet für die Fische neuen Lebensraum
Neuer Lebensraum wiederum ist mit Elodea entstanden. Das Ergebnis seien eine tolle Hechtreproduktion und Schleie, die dort ebenfalls laichten. Für manche ist es Schutzraum, für andere Nahrung. Die Rotfeder etwa frisst die Triebe, wird aber damit die Elodea nicht vernichten und so Wassersportlern keine Hoffnung machen können, die dort mit ihren Booten hängenbleiben. Diese sollten zudem nicht in Teichrosenfelder fahren. „Wer mit dem Paddel in den Pflanzen stochert, bereitet den Fischen Stress“, sagt der Biologe zum Freizeitdruck, den die hohe Zahl der Nutzer für den See bedeute.
Mehr Rücksicht wünscht er sich, weniger Müll an den Ufern. Vorhandene Tiere sollten nicht gefüttert, andere wie Schildkröten nicht hergebracht werden, darunter seien inzwischen räuberische Schnappschildkröten. Wegen des Klimawandels und der deutlich höheren Temperaturen könnten sich diese inzwischen am See auch vermehren, obwohl sie nicht dort hingehörten.
So gern mancher sie fotografiert, wenn sie sich aneinandergereiht auf umgekippten Baumstämmen sonnen: „Dieser Lebensraum ist kein Entsorgungssystem für ausgesetzte Tiere“, betont Stefan Jäger zu Flora und Fauna am und im Baldeneysee. Dessen Gewässerqualität sei übrigens nicht schlecht. Sieht man von der stark reduzierten Gesamtmenge der Fische ab, geht es den verbliebenen Fischen offenbar recht gut. Ihr Korpulenzfaktor stimmt immerhin, was nicht aufs Übergewicht anspielt, sondern vor allen eine gute Nachricht bedeutet: „Der einzelne Fisch ist gut genährt.“