Essen. Für Patienten ist sie oft so wichtig wie die ärztliche Behandlung: Seit 20 Jahren begleitet die Krebsberatung Essen Betroffene durch die Krise.

Sie sind heute nicht mehr wegzudenken – und für viele Krebspatienten so lebenswichtig wie ihre Ärzte: Die Mitarbeiterinnen der Essener Krebsberatung begleiten Betroffene, auch wenn die Behandlung schon abgeschlossen ist. „Ohne diese tolle Hilfe wäre ich nicht durchgekommen“, steht auf einer der Dankeskarten, die in den 20 Jahren ihres Bestehens bei der Beratungsstelle angekommen sind. Zum Jubiläum blickte das Team gemeinsam mit vielen Gästen auch auf die Anfänge zurück.

Männern fällt der Weg in die Krebsberatung schwerer

Medizinisch habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten enorm viel getan, die Lebenserwartung sei bei einigen Krebsarten deutlich gestiegen, auch die Lebensqualität habe sich in vielen Fällen verbessert, sagt etwa Beraterin Brigitte Eiben. „Wir erleben heute Menschen, die eine chronische Erkrankung haben – aber das Leben auf einer Bombe führen.“ Menschen, die Zuspruch, Ermutigung und Einordnung brauchen, um mit der enormen Verunsicherung umzugehen – aber in der Regel keine Psychotherapie.

Seelische und soziale Aspekte der Krankheit im Blick

Die Idee für eine Krebsberatungsstelle entstand in der Essener Gesundheitskonferenz aus der Erkenntnis, dass man sich auch um die seelischen und sozialen Aspekte der Erkrankung kümmern müsse: nicht im Gegensatz zur Medizin, sondern als Ergänzung. So wendet sich die Beratung nicht nur an Betroffene, sondern auch an Angehörige. Marion Wüstefeld-Will hat sich jahrelang um Familien gekümmert; vor allem Kinder psychologisch betreut, wenn ein Elternteil an Krebs erkrankte.

Die Krebsberatung sitzt am Camillo-Sitte-Platz 3 in Essen-Huttrop und ist erreichbar unter: 0201-895 33 20 oder per Mail an: Infos auf: www.krebsberatung-essen.de

„Die Menschen, die zu uns kommen, sind eigentlich psychisch gesund, befinden sich nur in einer großen Krise“, sagt die Psychologin Stella Rosenbaum. Bei der Krebsberatung werden sie entlastet, nicht therapiert. Außerdem erhalten sie binnen einer Woche einen Termin, während Psychotherapeuten meist lange Wartelisten haben. Männern falle der Weg in die Beratung trotzdem schwer, sagt Kathrin Bochmann. Die bloße Vermutung, sie sollten in einem Stuhlkreis über ihr seelisches Befinden befragt werden, schrecke sie ab. Dabei bietet das Team stets Einzelberatung an.

Segeln gegen Kopfkino für Krebspatienten

Jüngst hat die Essener Krebsberatung an einer Studie mit der Fragestellung teilgenommen: Wie kann man männliche Patienten besser ansprechen. Ein Ergebnis: mit einer Art Rezeptblock, auf dem die Krebsberatung empfohlen wird – vom behandelnden Arzt. „Wenn der vertraute Onkologe oder Urologe sie mit dem Rezept, das eigentlich keins ist, zu uns schickt, kommen sie auch“, sagt Psychologin Bochmann. „Und wenn sie kommen, bleiben sie auch.“

„Wenn der vertraute Onkologe oder Urologe sie mit dem Rezept, das eigentlich keins ist, zu uns schickt, kommen sie auch“, sagt Psychologin Bochmann von der Krebsberatung Essen über Männer, die die Beratung zögerlicher wahrnehmen als Frauen.
„Wenn der vertraute Onkologe oder Urologe sie mit dem Rezept, das eigentlich keins ist, zu uns schickt, kommen sie auch“, sagt Psychologin Bochmann von der Krebsberatung Essen über Männer, die die Beratung zögerlicher wahrnehmen als Frauen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Schon zum dritten Mal bietet die Krebsberatung den Männern in diesem Jahr gemeinsam mit dem Etuf drei Schnupper-Segel-Tage auf dem Baldeneysee an: „Segeln gegen Kopfkino“, heißt das Programm. Zwischen Wende und Halse kommen die Teilnehmer womöglich ganz nebenbei miteinander ins Gespräch. Eins aber sei sicher, sagt Beraterin Rebecca Heinrich: „Wenn sie von Bord gehen, strahlen alle.“

Sozialberatung genauso wichtig wie seelischer Beistand

Neben solchen stärkenden Erlebnissen sei für viele Ratsuchende wichtig, „dass wir nicht nur eine psychoonkologische Beratung, sondern auch Sozialberatung anbieten“, sagt Anne Rillig, die die Krebsberatung leitet. Wie überbrücke ich die Zeit, bis zur Rückkehr an den Arbeitsplatz; was tun, wenn das Krankengeld ausläuft; welche Leistungen stehen mir zu? Solche Fragen können existenziell sein und anstrengend für einen kranken Menschen, der mit komplizierten Antragsformularen kämpfe. „Wir machen solche Anträge ständig und bieten den Betroffenen alle Antworten aus einer Hand – das ist besonders wertvoll an unserer Arbeit.“

„Wir machen solche Anträge ständig und bieten den Betroffenen alle Antworten aus einer Hand – das ist besonders wertvoll an unserer Arbeit“, sagt Anne Rillig, Leiterin der Krebsberatung Essen.
„Wir machen solche Anträge ständig und bieten den Betroffenen alle Antworten aus einer Hand – das ist besonders wertvoll an unserer Arbeit“, sagt Anne Rillig, Leiterin der Krebsberatung Essen. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Dieser Wert wird inzwischen auch offiziell anerkannt: Neben Spenden, Stiftungsgeldern und Eigenmitteln erhält die Beratungsstelle heute öffentliche Mittel. Petra Kersten-Rettig erinnert sich als Pionierin der Beratungsstelle noch daran, „dass der Onko-Lauf über lange Jahre unsere zweitwichtigste Finanzierungsquelle war“. Bis heute ist der Lauf (Samstag, 16. September) wichtig, auch um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Aber mit der Regelfinanzierung stehe die Arbeit in Essen und in der Mülheimer Dependance nun auf einem sicheren Fundament.

Außenstehende reagieren erst geschockt auf den Arbeitsplatz

Eine Arbeit, die von Außenstehenden oft als belastend oder traurig eingeschätzt werde: „Viele reagieren regelrecht geschockt, wenn ich erzähle, wo ich arbeite“, sagt Rebecca Heinrich. „Dabei wird hier viel gelacht, mit den Kolleginnen und mit den Klienten.“

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