Essen. Tonnenweise Sternenstaub rieselt täglich auf die Erde. Bei der Essener Walter-Hohmann-Sternwarte weiß man, wie man die Mikrometeoriten aufspürt.

Jeder kann Sternenstaub finden, man muss nur wissen, wie. Verteilt ist er jedenfalls auf der ganzen Erde – also auch auf den Dächern im Ruhrgebiet, in Ihrer Nachbarschaft, auf Gehwegen. Vermutlich hat er Ihnen sogar schon unter dem Schuh geklebt, klitzeklein, fast gar nicht zu erkennen.

„Man kennt Meteorite, die als Bruchstücke auf der Erde landen“, sagt Peter Gärtner von der Walter-Hohmann-Sternwarte in Essen. So etwas sei aber sehr selten. Sternschnuppen kennt ebenfalls jeder, allerdings verglühen diese Partikel in der Atmosphäre, landen also nicht auf der Erde. Anders sieht das bei Mikrometeoriten aus, der als Sternenstaub bezeichnet wird. Dieser rieselt ständig auf unseren Planeten. „Ganze 100 Tonnen landen auf der Erde“, berichtet Gärtner, „pro Tag.“ Umgerechnet bedeutet dies nach Angaben des Amateurastronomen: „Pro Jahr fällt auf einem Quadratmeter einer“. Und da wird es interessant: Theoretisch kann sie jeder finden.

Walter-Hohmann-Sternwarte Essen stellt auf MS Wissenschaft aus

Wie das funktioniert, weiß man bei der Walter-Hohmann-Sternwarte. Seit Anfang 2020 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema. In Essen-Schuir hat man sich eine solche Expertise angeeignet, dass die Sternwarte Teil einer besonderen Ausstellung ist. Auf dem Frachtschiff MS Wissenschaft, das aktuell wieder durch Deutschland tourt, stellen die Essener Amateurastronomen ein Exponat zum Sternenstaub aus.

Außerdem mit an Bord sind unter anderem das Max-Planck-Institut für Astronomie, die Fakultät für Physik und Astronomie (RUB), das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR sowie viele mehr. Spitzenwissenschaft also, die sich mit unterschiedlichen Themen zum Universum beschäftigen. „Wir sind als Amateurverein stolz darauf, neben solchen Institutionen vertreten zu sein“, sagt Peter Gärtner.

Siebe, Objektträger und ein Glas: Mit solchen Gerätschaften kann man Mikrometeoriten aufspüren.
Siebe, Objektträger und ein Glas: Mit solchen Gerätschaften kann man Mikrometeoriten aufspüren. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mikrometeoriten habe die Wissenschaft lange Zeit nur in der Antarktis gesammelt. „Seit 2017/2018 wird mit einem neuen Verfahren danach gesucht“, erzählt Peter Gärtner. Dieses ermöglicht jedermann und überall auf der Welt, den Sternenstaub zu finden. Entwickelt hat es der norwegische Jazzmusiker (!) Jon Larsen. 2018 erschien in der FAZ ein Artikel über ihn unter der Überschrift „Jazz und Sternenstaub“. Peter Gärtner erklärt beim Stop der MS Wissenschaft in Oberhausen am Freitag (21.7., 14.15 Uhr) zusammen mit Klaus Jost von der Walter-Hohmann-Sternwarte, wie die Suche nach den extraterrestrischen Mikrometeoriten funktioniert.

Mikrometeorite liegen überall – man muss sie nur aufwendig suchen

Mikrometeorite kann man überall finden. „Auf Dächern und in Dachrinnen zum Beispiel“, sagt Peter Gärtner. „Ganz ideal sind Glasdächer.“ Klaus Jost ergänzt: „Man sucht im Sediment.“ Man fegt also Staub zusammen und säubert diesen in einem Eimer. „Wie beim Goldwaschen.“ Übrig bleiben schwerere Partikel, Tier- und Pflanzenreste werden so beispielsweise schon aussortiert. Mit Hilfe von zwei technischen Sieben (ca. 60 Euro) filtert man auf die Partikelgröße, die überhaupt in Frage kommt. Mikrometeoriten sind im Schnitt 0,3 bis 0,4 Millimeter klein. Wer keine 60 Euro für technische Siebe ausgeben will, kann sich laut Gärtner auch günstigere Artemia-Siebe aus dem Zoo-Fachhandel kaufen.

Nach dem Sieben kommt ein sogenannter Neodyn-Magnet (circa 10 Euro) zum Einsatz, mit dessen Hilfe man aus dem Gesiebten magnetische Teilchen herauszieht. All das, was am Magneten haftet, könnte ein Mikrometeorit sein. Mit einem Stereo-Auflichtmikroskop (gebraucht circa 500 Euro) kann man die „Kandidaten“ dann genauer in den Blick nehmen.

Mikrometeorite haben oftmals einen Durchmesser von 0,3 Millimetern

Dies ist ein Mikrometeorit des Typs „Barred Olivine (BO)“. Er hat einen Durchmesser von 0,3 Millimeter und ist der häufigste Sternenstaub-Typ. Circa 80 Prozent sehen so aus. Gut zu erkennen: das glänzende Tröpfchen links.
Dies ist ein Mikrometeorit des Typs „Barred Olivine (BO)“. Er hat einen Durchmesser von 0,3 Millimeter und ist der häufigste Sternenstaub-Typ. Circa 80 Prozent sehen so aus. Gut zu erkennen: das glänzende Tröpfchen links. © Klaus Jost

Wie sieht Sternenstaub aus? Mikrometeoriten haben typischerweise eine etwas längliche Form und verfügen über unterschiedliche Kristall-Ausformungen. Außerdem ist häufig ein metallisches Tröpfchen zu erkennen. Die Sichtung und Aussortierung ist Fleißarbeit. Austauschen kann man sich über Mikrometeorite beispielsweise im Internet. Die Arbeitsgruppe der Walter-Hohmann-Sternwarte hat auf Facebook die Gruppe „Micrometeorites“ eröffnet, die mittlerweile mehr als 1300 Mitglieder hat. „Das ist wahrscheinlich DER internationale Zusammenschluss zum Thema“, sagt Peter Gärtner. Jon Larsen, der norwegische Entwickler der Suchmethode, ist ebenfalls Teil der Community.

Ob es sich bei Funden tatsächlich um einen Mikrometeoriten handelt, kann abschließend mit Hilfe eines Rasterelektronenmikroskops herausgefunden werden. „Mit dem Mikroskopie-Labor der Physik-Fakultät an der Universität Duisburg-Essen (UDE), das u.a. über Rasterelektronen-Mikroskope und entsprechende Analysemethoden verfügt, steht ein wissenschaftlicher Partner bereit“, heißt es seitens der Walter-Hohmann-Sternwarte.

>>> INFO 1: Die MS Wissenschaft

  • Die diesjährige Ausstellung auf der MS Wissenschaft trägt den Titel „Unser Universum“. Das Frachtschiff wird im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf Reise geschickt. Im Wissenschaftsjahr 2023 startete die Ausstellung im Mai in Berlin und endet Mitte September in Nürnberg.
  • In der Region legt die MS Wissenschaft ebenfalls an – das sind die noch anstehenden Daten:
  • Dortmund (Hafenpromenade): 18.7. bis 20.7.
  • Oberhausen (Kaisergarten, Höhe Schloss Oberhausen): 21.7. bis 24.7.
  • Krefeld-Uerdingen (Liegestelle an der Uerdinger Werft, Dammstraße): 25.7. bis 27.7.
  • Neuss (Kreuzfahrtschiffsanleger am UCI Kino): 28.7. bis 30.7.
  • Köln (Mülheim, Kohlplatz, Höhe Peter-Müller-Straße): 31.7. bis 2.8.

>>> INFO 2: Angebote der Walter-Hohmann-Sternwarte sind kostenlos

  • Sonnenbeobachtung mit einem neuen Teleskop (jeweils sonntags von 14 bis 16 Uhr bis zum 29. August). Wolkenlücken vorausgesetzt.
  • Jeden Mittwoch ab 20 Uhr: Besichtigung der Sternwarte, bei Wolkenlücken und Dunkelheit auch Nachthimmelbeobachtung.
  • Neues Herbst-/Winterprogramm 2023 in Kooperation mit der VHS Essen, inkl. Fortsetzung der Vortragsreihe für Kinder.
  • Sondertermine für Gruppen und Hilfestellung zu eigenem astronomischem Equipment nach Vereinbarung möglich. Weitere Informationen: https://www.sternwarte-essen.de/

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