Essen-Horst. Die Buslinie wurde eingestellt, der Takt der S-Bahn wurde zweimal reduziert: In Essen-Horst wächst der Unmut. Jetzt antwortet die Deutsche Bahn.

Erst hat die Ruhrbahn die Linie 167 eingestellt, nun kommt die S 3 lediglich noch einmal in der Stunde: Enttäuscht und auch wütend reagieren Anwohner und Anwohnerinnen aus Horst, da sich seit Jahren in ihrem Viertel rund um die Horster Straße kaum etwas bewegt. Jetzt sind sie einem Protestaufruf gefolgt, um ihrem Unmut lautstark Luft zu machen.

„Senioren haben kein Elterntaxi“, „Wir zahlen regelmäßig, S 3 kommt unregelmäßig“ oder „Nix mit Verkehrswende“, haben sie auf Pappschilder geschrieben, Stühle auf den Bürgersteig gestellt und sich versammelt. Familien mit ihren Kindern, Jugendliche und auch Senioren haben sich der Veranstaltung angeschlossen. Ins Leben gerufen haben diese Friseurmeisterin Conny Vatter, SPD-Ratsfrau Michaela Heuser und Anwohnerin Barbara Frach, die aktiv im Ortsausschuss ist und sich als Mitglied in der Projektgruppe „45279 – das sind wir“ auch um das Thema Nachhaltigkeit kümmert. Innerhalb von zwei Tagen haben sie die Veranstaltung geplant, um endlich auf „die Tube zu drücken“.

Behelfslinie fährt in Essen-Horst dreimal am Vormittag

Conny Vatter war es, die bereits 2019 Spendengelder für einen Bürgerbus gesammelt hat, nachdem die Linie 167 ein Jahr zuvor eingestellt worden war. Zu geringe Auslastung sei der Grund gewesen. Heute fährt nur noch der Marktbus der Awo donnerstags nach Steele und zurück. Das Projekt finanziert sich ebenfalls aus Spenden und ist laut Awo-Chef Oliver Kern bis einschließlich 2024 gesichert. Zudem hat die Ruhrbahn laut Conny Vatter im Jahr 2020 Behelfshaltestellen aufgestellt, die Linie fährt zum Grendplatz – allerdings lediglich montags bis samstags und das ausschließlich vormittags (9.01, 10.01 und 11.01 Uhr).

Sie haben die Protestaktion ins Leben gerufen: SPD-Ratsfrau Michaela Heuser, Anwohnerin Barbara Frach, die zum Ortsausschuss und zur Projektgruppe „45279 - Wir in Horst“ gehört, und Friseurmeisterin Conny Vatter (v.li.).
Sie haben die Protestaktion ins Leben gerufen: SPD-Ratsfrau Michaela Heuser, Anwohnerin Barbara Frach, die zum Ortsausschuss und zur Projektgruppe „45279 - Wir in Horst“ gehört, und Friseurmeisterin Conny Vatter (v.li.). © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

All das ist aus Sicht der betroffenen Horster kaum ein Tropfen auf den heißen Stein. Mehr als 2000 Menschen lebten in dem Bereich, den dieser Mangel im Nahverkehr treffe, sagen sie. Manche hätten ihr Deutschlandticket wieder abgegeben, manche seien wieder aufs Auto umgestiegen. „Wir machen Verkehrswende rückwärts“, beschreibt ein Anwohner.

Schüler und Schülerinnen kämen nicht zur Schule, Berufstätige nicht zum Arbeitsplatz, Senioren nicht zum Arzt oder zum Einkaufen. Ein Mädchen berichtet von Schwierigkeiten, die Großmutter zu besuchen. Ein junger Mann erzählt, dass er eine halbe Stunde zu spät beim Bewerbungsgespräch gewesen sei, weil die S 3 wieder einmal ausfiel.

Senioren in Essen-Horst werden über die App nicht erreicht

Der Weg zu alternativen Haltestellen sei wiederum so weit oder so beschwerlich („da kommt man mit dem Kinderwagen nicht hin“, „selbst als Fußgänger ist es schwer, weil der Weg zugewachsen ist“), während etwa auf der Bahn der App nun zu lesen sei, dass die S 3 lediglich noch einmal in der Stunde komme. Begründet werde das mit Personalmangel. „Während der Takt der S 1 inzwischen viermal erhöht worden ist, wurde er bei der S 3 zweimal gekürzt“, kritisiert Barbara Frach. Zudem sei der Weg der Information über eine App keiner, der Senioren erreiche. Das sehe sie tagtäglich bei ihren Eltern, mit denen sie hier lebe. „Senioren sind auf dem Abstellgleis gelandet.“

„Wie bei nahezu allen Unternehmen in Deutschland ist auch der Krankenstand bei unseren Mitarbeitenden aktuell hoch“, teilte die Bahn ihren Fahrgästen bereits mit. Dabei führet die Deutsche Bahn ihre seit Jahren laufende Joboffensive auf Rekordniveau fort und stelle zusätzlich Personal ein, teilt ein Sprecher mit. Allein In NRW hat DB Regio ersten Quartal des Jahres 100 neue Triebfahrzeugfüher und -führerinnen auf den Zug gebracht. „Trotzdem kann es punktuell zu einer angespannten Personalsituation kommen, denn auch eine flexible und vorausschauende Personalplanung kann die aktuelle Lage nicht immer ausgleichen.“

Deutsche Bahn äußert sich zur Situation in Essen-Horst

Die derzeitig angespannte Personalsituation habe verschiedene Ursachen. Neben dem erhöhten Krankenstand sei es ein umfangreiches Bauprogramm an der Infrastruktur, das zusätzliche Kapazitäten bei Lokführern und Lokführerinnen binde. Zudem habe man etwa für die Übernahme der Notverkehre nach der Insolvenz von Abellio zusätzliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen benötigt. Hinzu kämen die Herausforderungen des demografischen Wandels, neue und zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen. „Dort, wo Zugverbindungen ausfallen müssen, gibt es in aller Regel parallel laufende Linien und alternative ÖPNV-Angebote“, sagt der Sprecher.

Susanne Asche, Vorsitzende des Seniorenrates, sagt zu, das Thema in den Arbeitskreis mitzunehmen, den der Seniorenrat mit der Ruhrbahn habe, und erntet dafür Applaus. Kritischer sind da manche Horster bei Ankündigungen der Politiker und Politikerinnen. Doch auch die versprechen zu handeln. In der Bezirksvertretung wolle man nun die Ruhrbahn auffordern, Lösungsvorschläge zu machen, das kündigen Michaele Heuser und Luca Ducree (CDU) an, die auf Unterstützung von Grünen, FDP und Linken setzen und einen entsprechenden Antrag formulieren wollen - für die kommende Sitzung am 12. September.

„Zu diesem Thema sind wir etwa mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Ruhrbahn, Ulrich Beul, im Austausch“, ergänzt Luca Ducree. Er habe wiederholt auf die Problemlagen hingewiesen, doch es stehe fest, dass bei der S-Bahn-Problematik der VRR ebenfalls am Zug ist. Der Essener-Osten werde eindeutig nachteilig behandelt. Allerdings ist die Ausgangslage alles andere als einfach. Das hätten bereits die Debatte 2020 und die zwischenzeitlichen Versuche, die Situation zu verbessern, gezeigt. Nun sollte ein erneuter Anlauf gemeinsam unternommen werden, gleichwohl dürften keine falschen Versprechungen gemacht werden.

Seniorenbeirat und Politik sollen in Essen-Horst helfen

Weiterhin möchten sie das Thema in die zuständigen Gremien für den Öffentlichen Nahverkehr tragen: in den Rat und den Ausschuss für Verkehr und Mobilität sowie zu den Kollegen und Kolleginnen im Landtag. Sie verschweigen aber die deutlich höheren Hürden nicht. So werde viel Überzeugungsarbeit vor ihnen liegen. „Es geht hier nicht um Politik oder Parteien, es geht um Bus und Bahn“, fordert die Friseurmeisterin im Namen aller die anwesenden Politiker und Politikerinnen auf, „Krawall zu machen“.

Selbst das reicht jedoch längst nicht mehr jedem. Die Horster und Horsterinnen möchten informiert werden, wollen Zwischenstände und Hintergründe erfahren. So soll es ab Freitag, 15. Juli, 9 Uhr, im Friseursalon „anne Ruhr“, Horster Straße 54, eine Liste geben, in die sich alle eintragen können, die Informationen weitergeleitet bekommen möchten. Manche fordern zudem eine Unterschriftenaktion.

„Die hat schon damals nichts bewirkt“, sagt dazu wiederum Conny Vatter aus Erfahrung. Dennoch möchten viele auch das erneut angehen. Denn fest steht: „Horst ist nicht klein, es gibt keine Ausreden mehr.“ Und viele der etwa 200 Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind an diesem Abend überzeugt, hätte sich das Protesttreffen noch mehr herumgesprochen, es wären noch viel mehr Horster und Horsterinnen gekommen.